Christian Zinn, Gastgeber im Waldhotel National Arosa, im Interview

Christian Zinn, Gastgeber im Waldhotel National Arosa, im Interview
Christian Zinn, Gastgeber im Waldhotel National Arosa (Bild: Waldhotel)

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Zinn, wie geht man als Hoteldirektor in Arosa mit fehlendem Schnee um, welche Alternativen habe Ihre Gäste, wenn sich kein “White Christmas Feeling” einstellen will?

Wir haben im Januar 2016 den Dezember nicht mehr als Schneesportmonat definiert und entsprechend unser Marketing und unsere Strategie geändert. Entstanden ist eine wunderschöne Adventszeit mit toller Dekoration im ganzen Haus, dem ersten Arosa Christkindlimarkt auf unserer Terrasse mit Glühwein, Punsch, Raclettebrot, heissen Maroni und Weihnachtsmusik. Das kam sehr gut an. Wir haben verstanden, dass es nicht unbedingt mit Schnee, sondern mit der Kommunikation, dem Angebot und der Atmosphäre zu tun hat, ob und wie lange unsere Gäste in dieser Zeit kommen. An dieser Strategie werden wir festhalten.

«Im Grunde genommen geben alle Schweizer Hoteliers ihr Bestes. Allerdings sind verschiedene Führungsgenerationen spürbar.» Christian Zinn, Gastgeber im Waldhotel National Arosa

Das Waldhotel National ist vor allem auch durch kontinuierliche Investitionen eines der am besten bewerteten Vier-Sterne Winterhotels der Schweiz. Was war die letzte grosse Investition, welche nächsten Projekte stehen an?

Im Herbst 2015 haben wir 24 Zimmer und unsere Waldhotel-Bar komplett renoviert. Zusätzlich wurde der Eingangsbereich verschönert und ein Teil der alten Aussenfassaden gedämmt. Zudem wurden in allen neuen Bereichen LED-Lampen verbaut, um den Energieverbrauch zu reduzieren. Letztes Jahr haben wir unsere Alpin Lounge mit neuem Mobiliar ausgestattet und einen neuen Personenlift eingebaut. Auch das Restaurant Thomas Mann hat ein neues Lichtkonzept erhalten. Weiter geplant haben wir die Sanierung des historischen Waldhotels. Wenn alles nach Plan läuft, beginnen wir damit im Frühling 2018.

Sie stammen aus einer Hoteliersfamilie in Garmisch-Partenkirchen und haben in Ihrer Karriere schon etliche Winterhotels in Deutschland, den USA und der Schweiz kennen gelernt. Wo sind Schweizer Hotels an der Spitze, wo müssen sie zulegen?

Im Grunde genommen geben alle Schweizer Hoteliers ihr Bestes. Allerdings sind verschiedene Führungsgenerationen spürbar, was sich direkt oder indirekt auf die Mitarbeiterpolitik auswirkt. Auch die Ansprüche der Mitarbeiter an uns haben sich geändert. Wir müssen lernen, diese zu verstehen und damit umzugehen. Denn eines ist klar: Wertschöpfung wird vom Mitarbeiter generiert.

«Schnee gab es bis jetzt immer. Allerdings wissen wir nicht mehr, wann genau er kommt. Daher passen wir unser Angebot und unsere Strategie an, um wetterunabhängiger zu sein.»

Die Klimaveränderung lässt sich auch in Arosa beobachten. Wie verändert sich dadurch das saisonale Angebot, wie beeinflusst das die Erwartungshaltung der Gäste?

Wie bereits gesagt, analysieren wir unsere Märkte, die Mitbewerber und Wetterbedingungen je länger desto intensiver. Schnee gab es bis jetzt immer. Allerdings wissen wir nicht mehr, wann genau er kommt. Daher passen wir unser Angebot und unsere Strategie an, um wetterunabhängiger zu sein. Der Sommer bringt für uns neue Chancen, da die Gäste bei heissen Temperaturen spontan in die Berge fahren. Auch sind wir auf der Suche nach neuen strategischen Geschäftsfeldern, um nicht mehr nur auf zwei Standbeinen (FIT & MICE), sondern auf mind. drei Standbeinen ein sicheres, wirtschaftliches Unternehmen zu bilden. Die Erwartungshaltung der Gäste bleibt gleich: Sie haben einen hohen Qualitätsanspruch und der Preis muss für preiswert (d.h. unsere Leistung muss den Preis wert sein) gehalten werden.

«Ersatzprodukte wie Airbnb sehen wir als mittlere bis grosse Gefahr.»

Die Digitalisierung hat mit Unternehmen wie Airbnb auch die Hotellerie mächtig durchgerüttelt. Was bedeutet die Digitalisierung für ein Hotel wie das Waldhotel National, welche Strategien haben Sie, um den Nutzen zu maximieren und den Schaden zu minimieren?

Die Digitalisierung ist das eine Thema, Ersatzprodukte zu uns das andere. In der Digitalisierung sehen wir Chancen und Gefahren zugleich. Eine Chance ist ganz klar der technische Fortschritt. Je schneller wir die Anfragen unserer Gäste beantworten können, desto höher sind die Chancen einer Buchung. Ersatzprodukte wie Airbnb sehen wir als mittlere bis grosse Gefahr. Denn gerade bei spontanen Kurzaufenthalten benützen die jüngeren Gäste solche Plattformen. Zwar sind wir auch bei Airbnb vertreten, allerdings ist es schwer, sich unter allen Angeboten durchzusetzen.

«Die Preisschlacht (ja ich nenne es bewusst so), die auf booking.com ausgetragen wird, ist für mich unverständlich.»

Speziell die Buchungsplattform booking.com kam in die Schlagzeilen, weil Hotels, die mit booking.com zusammenarbeiten, selbst auf ihren Webseiten keine günstigeren Angebote als auf der booking Seite anbieten dürfen (auf anderen Kanälen und bei telefonischen Direktbuchungen ist dies jedoch möglich). Weshalb soll das für ein Hotel ein Problem sein?

Die Preisschlacht (ja ich nenne es bewusst so), die auf booking.com ausgetragen wird, ist für mich unverständlich. Es werden günstige Preise wie sonst nirgends angeboten, obwohl man obendrauf noch Kommissionen von mind. 12% bezahlt – warum? Wir müssen den Mut haben, auf allen Onlineplattformen unsere regulären Preise anzubieten. Die Angst, teurer als die Konkurrenz zu sein und darum nicht gebucht zu werden, dürfen wir nicht haben. Klar ist es verlockend, ein 5-Sterne Hotel zu buchen, das günstiger ist, als das 4-Sterne Hotel am gleichen Ort. Das ist aber nicht nachhaltig. Nur so schaffen wir es, glaubwürdig vor unseren Gästen zu stehen. Bis jetzt fahren wir mit dieser Strategie sehr gut.

Sie positionieren das Hotel sehr bewusst als familienfreundliches Hotel. Gerade in diesem Bereich dürfte die Preissensitivität besonders ausgeprägt sein. Wie wirkt sich der schwache Euro (oder starke Franken) auf Ihr Geschäft aus, mit welchen Mitteln können Sie hier Abhilfe schaffen?

Interessanterweise haben wir tatsächlich unsere Kommunikation im Segment Familien erhöht. Das Resultat ist eine Zunahme von rund 10% an Buchungen von Familien (Def.: 2 Erw. + 1 Kind, Zahlen Sommer 2016). All unsere Mitarbeiter sind sehr familien- und kinderfreundlich, was die Eltern sehr schätzen. Unglaublich, was ein Kochhut, der von unserem Chefkoch Gerd Reber in der Küche geschenkt wird, alles bewirken kann:-).

Generell haben wir rund 10% der Gäste aus dem EU-Raum in den letzten 18 Monaten verloren. Dafür aber rund 10% Schweizer Gäste gewonnen. Die Tendenz in dieser Saison zeigt aber, dass wieder mehr Gäste aus dem EU-Raum zu uns kommen sollten.

Um die Destination Arosa vor allem im Sommer noch attraktiver zu machen, ist ein Bärenpark in Zusammenarbeit mit der Tierschutzorganisation “Vier Pfoten” geplant. Wie sinnvoll sind solch relativ kleinen Tierparks heute noch, wenn auf der anderen Seite die natürliche Population, auch von Bären, in der Schweiz immer wieder für heftige Diskussionen sorgt?

Arosa Tourismus hat hier grossartige Arbeit geleistet. Genau so etwas benötigen wir. Der Bärenpark wird eine Art USP im Sommer werden. Sobald sich die Begeisterung herumgesprochen hat, sind wir sicher, dass Arosa noch mehr auch als tolle Sommerdestination wahrgenommen werden wird.

«Generell haben wir rund 10% der Gäste aus dem EU-Raum in den letzten 18 Monaten verloren. Dafür aber rund 10% Schweizer Gäste gewonnen.»

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Grundlagen, um auch in Zukunft ein Winterhotel in der Schweiz gewinnbringend zu führen?

Eine funktionierende Mitarbeiterpolitik, flexible Mitarbeiter, eine moderne und stetig renovierte Infrastruktur, das Wissen um den Markt und eine gute, persönliche Kommunikation. Klar, die Kosten müssen im Griff gehalten werden. Aber die Frage nach Wachstum muss uns doch viel mehr beschäftigen, als die Frage nach Kosteneinsparungen. Was auf gar keinen Fall passieren darf, ist die Reduzierung unserer Dienstleistung zu Lasten der Mitarbeiter. Das ist eine fatale Spirale nach unten.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?

Prinzipiell geht es mir sehr gut. Ich wünsche mir daher viel mehr Frieden und Ruhe auf unserer Welt. Wenn man die Nachrichten und Zeitungen genau liest, relativieren sich unsere kleinen Probleme sehr. Und Zeit. Zeit für Gäste, Mitarbeiter, Freunde, Familie, und Freizeit. Denn Zeit ist heutzutage das Wichtigste.

Der Gesprächspartner:
Der Hotelkaufmann und dipl. Wirtschaftsfachmann Christin Zinn hat das Herzblut für die Hotellerie von den Eltern in die Wiege gelegt bekommen. Der Lehre zum Hotelkaufmann im Hotel Bareiss (5*s) folgte die zweite Berufsausbildung zum Rettungssanitäter. Seine Stationen in der Hotellerie: Management-Trainee in der Sonnenalp (5*s) Vail, Colorado, USA, Chef Kassier Suvretta House St. Moritz (5*s), stellv. Empfangschef Schloss Elmau (5*s, D, Wiedereröffnung), Chef de Réception, Sales & Marketing, Vizedirektor Hotel Saratz (4*s), Pontresina, Direktion mit dem Vater in der Heimat Garmisch-Partenkirchen. Seit dem 10. März 2014 ist er der Gastgeber im Waldhotel National in Arosa.

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