Claudio Ammann, CEO Sony Schweiz & Österreich

Claudio Ammann, CEO Sony Schweiz & Österreich

Claudio Ammann, CEO Sony Schweiz & Österreich

Von Jolanda Lucchini

Moneycab: Herr Ammann, fassungslos haben wir hier in die Geschehnisse in Japan miterlebt. Was hat dieses Ereignis es bei Ihnen ausgelöst?

Claudio Ammann: Wir waren natürlich alle sehr geschockt und traurig über die schrecklichen Ereignisse, welche sich in Japan zugetragen haben. Wir möchten unseren Arbeitskollegen und Freunden in Japan, sowie der japanischen Bevölkerung unsere tiefe Verbundenheit aussprechen. Wir verfolgen auch die Entwicklungen der atomaren Bedrohung in Fukushima mit ebenso grosser Anteilnahme wie Sorge. Gleichzeitig glaube ich allerdings fest daran: Wenn es irgendjemanden gibt, der aus solch einer Katastrophe wieder herausfinden wird, so sind es die Japaner. Unser CEO & President, Sir Howard Stringer hat dies unlängst mit dem japanischen Begriff „fukutsu no seishin“ umschrieben, was „never give up“ bedeutet und wohl am besten erklärt, was wir jeden Tag in Japan sehen.

Sony musste Werke in den Präfekturen Fukushima und Miyagi vorübergehend schliessen. Welche Bereiche sind vor allem tangiert?

Über den Zustand unserer Produktionsstätten konnten wir bisher leider keine Aussagen machen, da wir gerade erst mit genaueren Untersuchungen beginnen konnten. Mittlerweile wissen wir aber, dass einige Geschäftsbereiche betroffen sind – insbesondere die professionellen Speichermedien. Acht Fabriken, hauptsächlich für Blu-Ray-Disks und Akkus, wurden vom Erdbeben beschädigt. Drei davon konnten den Betrieb mittlerweile jedoch schon wieder aufnehmen. Fünf dieser Produktionsstätten bleiben bis auf Weiteres geschlossen. Weitere fünf Werke können den Betrieb nicht aufrecht erhalten, weil Zulieferer ausgefallen sind.

«Wenn es irgendjemanden gibt, der aus solch einer Katastrophe wieder herausfinden wird, so sind es die Japaner.» Claudio Ammann, CEO Sony Schweiz & Österreich

Wie ist die Sony-Belegschaft vor Ort betroffen?

Als unsere Produktionsstätte in der Präfektur Miyagi vom Tsunami getroffen wurde, konnten glücklicherweise sämtliche Mitarbeiter in den dritten Stock der Fabrik flüchten. Nach einer dramatischen Luftrettung sind alle diese Mitarbeitenden in Sicherheit. Zudem mussten zahlreiche Mitarbeitende in der Präfektur Fukushima evakuiert werden, doch auch diese befinden sich nunmehr in Sicherheit. Mittlerweile können wir mit Erleichterung sagen, dass keine unserer Arbeitskollegen und Mitarbeitenden in Japan zu grösserem Schaden gekommen sind. Die beispiellose Disziplin und kollektive Solidarität der Japaner hat auch hier Schlimmeres verhindert.

Ein grosses Problem stellt die zerstörte Infrastruktur des Landes dar. Transportwege sind in mehreren Provinzen zerstört, die Energieversorgung vielerorts lahmgelegt. Was bedeutet dies für die Produktion?

Wir mussten weitere Produktionsstätten herunterfahren, obwohl sie vom Erdbeben selbst und den Folgen verschont blieben. Damit soll die momentan schwer angeschlagene Stromversorgung in Japan nicht zusätzlich belastet werden. Auch die zerstörten Transportwege sind der allgemeinen Situation – auch in Bezug auf Lieferungen – nicht zuträglich. Wie lange diese Stilllegung noch andauern wird, ist momentan jedoch nicht abzuschätzen.

«Wir gehen aus heutiger Sicht davon aus, dass kurzfristig keine Lieferengpässe zu befürchten sind.»

Sehen Sie Lieferengpässe auf Sony zukommen?

Wir gehen aus heutiger Sicht davon aus, dass kurzfristig keine Lieferengpässe zu befürchten sind. Die mittelfristige Situation in Bezug auf Lieferungen ist momentan noch sehr schwer einzuschätzen. Obwohl unser Konzern multinational aufgestellt ist und somit ein Grossteil der Beschaffung und Produktion verlagert werden könnte, sind mittelfristige Engpässe dennoch nicht auszuschliessen.

Trotz all den schrecklichen Geschehnissen muss das Geschäft weiter gehen. Wie stark waren die Währungseinflüsse auf Sony 2010?

Der Yen war auch 2010 sehr stark. Und Absatzwährungen, die wie bei uns sehr stark auf US-Dollars und Euro ausgerichtet sind, sind sehr tief. Wenn ich die letzten drei kumulierten Quartale nehme, dann haben wir unseren Operating Revenue währungsbereinigt um 9% verbessert. Effektiv sind es knapp 2%. Zudem konnten wir den Betriebsgewinn nach drei Quartalen auf 273 Mrd. Yen erhöhen. Wir sind also definitiv auf Kurs und liegen über Vorjahr.

Noch vor wenigen Jahren reiste man für ein Elektronikschnäppchen mal rasch über die Schweizergrenze. Rentiert sich dies heute noch?

Die Konsumenten reisen viel und die Welt ist gläsern. Wir sind deshalb daran interessiert, gesamteuropäisch harmonisierte Preise zu haben. Sony-Konsumenten finden in Lörrach (D) einen Preis vor, der kaum von jenem in Basel abweicht. In unserem Business existiert die Hochpreisinsel Schweiz definitiv nicht mehr.

Welches sind die Wachstumsmärkte?

Nach wie vor gehört der TV-Markt dazu: Es besitzt heute noch immer nicht jeder Schweizer einen Flat-TV. Ein weiterer Wachstumsmarkt 2010 war der Notebook-Markt.

Sie sprechen vom Lifestyle-Notebook VAIO, das keinen Massenmarkt bedient?

Ja, wir konnten verglichen zum Vorjahr markant um rund 30% steigern und unsere Marktposition deutlich ausbauen. Für den Lifestyle-orientierten Benutzer ist unser VAIO nun mal erste Wahl. Besonders erfreulich ist, dass sich unsere Sony VAIO Notebooks sowohl im Einstiegsbereich als auch im Premiumsegment stetig zunehmender Nachfrage erfreuen.

Welches waren im vergangenen Jahr die Verkaufsrenner?

Die spiegellosen Systemkameras NEX-3 und NEX-5. Diese spiegellosen Systemkameras mit Wechseloptiken im Kompaktformat erfreuen sich immer grösserer Beliebtheit. Die Qualität der Bilder entspricht annähernd der von Spiegelreflexkameras, bietet aber eine wesentlich handlichere Bauart. In diesem Segment sind wir der unangefochtene Marktführer.

«Dem E-Book Reader prophezeien wir eine viel grössere Zukunft als man heute gemeinhin annimmt.»

Die beiden Geräte haben auch eine Videofunktion eingebaut. Braucht es zukünftig überhaupt noch Camcorder?

Der Markt für Camcorder in der Schweiz ist immerhin rund 50 Mio. Franken schwer. Wir haben davon einen Marktanteil von über 60 Prozent. Dank zahlreicher Innovationen konnte der Markt stimuliert werden. Beispiele dafür für das Jahr 2011 sind unser 3D Camcorder und die neuen 2in1 Camcorder, mit eingebautem Projektor.

Und das B2B-Geschäft? Sie bieten in diesem Bereich nebst Profi-Camcorder auch E-Book-Reader. Werde Letztere auch vom Geschäftssegment nachgefragt?

Ja, das zeigt die hohe Nachfrage, nicht nur bei Vielreisendne. Diese wird speziell durch die rapide Zunahme von digital verfügbaren Inhalten vorangetrieben. Das Potential der Geräte ist sehr gross, wenn man bedenkt, wie viele Projektmanager oder Monteure beruflich rege unterwegs sind und dabei reichlich Handbücher oder Fachliteratur mitschleppen müssten. Dem E-Book Reader prophezeien wir eine viel grössere Zukunft als man heute gemeinhin annimmt.

Wie schätzten Sie die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Führungsnachwuchses ein?

Die ist völlig intakt. Wir haben Top-Ausbildungsstätten und Eliteschulen, was sich in den Toprankings in Ländervergleichen niederschlägt. Ich würde allen raten, die nötige Portion Selbstbewusstsein zu haben, die dem Schweizer bekanntlich manchmal abgeht. Nur gibt es ein paar Eigenheiten, die heute zwingend in den Vordergrund gerückt werden müssen: Es braucht „Changeability“, also Veränderungsfähigkeit der Mitarbeitenden. Zudem braucht es Können und – noch viel wichtiger – Talent. Bei uns ist es sekundär, ob jemand bezogen auf seine Ausbildung exakt diesen oder jenen Leistungsausweis mitbringt. Bei uns steht eindeutig Talent im Vordergrund. Zudem ist es in einem internationalen Konzern wichtig, in kulturellen Variablen zu denken.

Welche Bedeutung hat Diversity für ihr Unternehmen und welche Massnahmen sind zum Thema geplant bzw. schon umgesetzt?

Wir fördern unsere Mitarbeiter in allen Belangen. Jeder Job ist weltweit ausgeschrieben. Wir geben den Mitarbeitenden die Möglichkeiten nach Japan zu gehen oder in den USA zu arbeiten. Ob die Chance genutzt wird, ist die Sache eines jeden einzelnen. Wir zwingen in Europa keine und keinen zur internationalen Karriere. Wer sie nicht nutzt, wird künftig aber wohl eher nicht am globalen Business teilnehmen können. Aber wir brauchen ja auch hier in der Schweiz gute Leute.

Der Gesprächspartner:
Claudio Ammann (52) ist seit 2004 Managing Director von Sony Overseas SA in der Schweiz. 2009 übernahm er zudem die Geschäftsführung in Österreich. Davor war er in unterschiedlichen Positionen im Sales- und Marketing Bereich für den japanischen Elektronikkonzern tätig, unter anderem von 1999 – 2001 als Leiter für das LCD-Projektorengeschäft bei Sony Professional Europe. Claudio Ammann absolvierte eine kaufmännische Ausbildung in der Speditionsbranche, ergänzt durch mehrjährige Auslandaufenthalte in Paris, Florenz und Moskau. Über seine berufsbegleitende Management-Ausbildung fand er schliesslich als Marketing-Manager Einstieg in die Luxusgüterbranche, bevor er dann zu Sony wechselte.

Das Unternehmen:
Sony mit Sitz in Schlieren bei Zürich ist die Drehscheibe für die Schweiz und ausgewählte osteuropäische Länder bezüglich der Produkte der japanischen Sony Corporation (Audio-, Video-, Kommunikations- und Informationstechnologieprodukte für professionelle Anwendungen und Endverbraucher). Sie wurde 1986 gegründet und 1999 mit Sony Overseas fusioniert, die 1960 in Baar ZG als erste Sony Gesellschaft Europas entstanden ist. Es werden heute 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der ganzen Schweiz beschäftigt. Weltweit sind 151’400 Personen für die Sony Corporation tätig.

Symbolbild KF für CEO Interviews


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