Daniel Bischofberger, CEO Accelleron, im Interview

Daniel Bischofberger, CEO Accelleron, im Interview
Daniel Bischofberger, CEO Accelleron. (Foto: Accelleron)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Bischofberger, Accelleron ist ein frischer ABB-Spinoff an der Börse. Wieviel neue Freiheit bringt das?

Daniel Bischofberger: Wir waren schon innerhalb von ABB relativ unabhängig und eigenständig. Unser Entwicklungspotenzial ist nun aber noch grösser: Als unabhängiges Unternehmen können wir unseren strategischen Fokus gezielter umsetzen. Die Abspaltung von ABB war also der nächste logische Schritt und wurde von den ABB-Aktionären fast einstimmig bestätigt. Als neue Marke haben wir uns mittlerweile im Markt gut etabliert.

Manch einer mag denken, Turbolader für Diesel- und Gasmotoren würden bald zum Auslaufmodell…

Wir fokussieren uns auf Grossmotoren, die in der Schifffahrt und im Energiesektor weltweit von entscheidender Bedeutung sind. Im Gegensatz zum Automobilsektor kann bei solchen grossen Anwendungen Batterietechnologie aufgrund ihrer Energiedichte und dem Ladebedarf nicht eingesetzt werden. Auf absehbare Zeit bleiben grosse Dieselmotoren für unsere Zielmärkte also aktuell. Wir sehen allerdings grosses Potenzial für Verbrennungsmotoren, die klimaschonend oder gar -neutral mit alternativen Kraftstoffen angetrieben werden. Unsere Turbolader ermöglichen erhebliche Effizienzverbesserungen in Motoren. Deswegen haben wir eine Schlüsselrolle in der Energiewende.

«Unsere Turbolader ermöglichen erhebliche Effizienzverbesserungen in Motoren. Deswegen haben wir eine Schlüsselrolle in der Energiewende.»
Daniel Bischofberger, CEO Accelleron

Geht es bei den Motoren für alternative Treibstoffe wie Wasserstoff, Methanol oder gar Ammoniak schnell genug voran?

Es gibt heute schon Motoren, die mit CO2-neutralen Brennstoffen, etwa grünem Wasserstoff oder Bio-Methanol, betrieben werden können. Die Problematik ist die Verfügbarkeit von CO2 -neutralen Brennstoffen in genügender Menge und die dafür notwendigen Wind- und Solarkraftwerken. Voraussichtlich wird es erst einmal eine Übergangszeit mit Erdgas-betriebenen Verbrennungsmotoren geben bis sich die notwendige Infrastruktur für alternative Kraftstoffe entwickelt hat. Klar ist aber bereits jetzt, dass wir in den kommenden 30 Jahren viele Veränderungen sehen werden. In Sachen Turboaufladung bei alternativen Kraftstoffen ist Accelleron führend.

Vorhersagen zu Technologieentwicklungen bergen so einige Überraschungen. Mit rund 120 Patentfamilien und durchschnittlich 30-50 Patentanmeldungen pro Jahr ist Accelleron gut gerüstet. Welche grossen Paradigmenwechsel könnte die Zukunft noch bringen?

Eines ist klar: Energiewende und Dekarbonisierung sind absolut notwendig. Zeitgleich dürften Kraftstoffe deutlich teurer werden. Mit unseren effizienten Turboladern und den digitalen Leistungen zur Analytik der Motoren können wir aber dazu beitragen, dass unsere Kunden ihre Ziele trotz dieser Umstände erreichen können. Wir sehen durchaus Bewegung bei der Erforschung neuer Antriebskonzepte im Markt, aber in allen Szenarien spielt der Turbolader weiterhin eine zentrale Rolle bei der Leistungs- und Effizienzsteigerung.

ABB Turbocharging hat bisher weltweit rund 180’000 Turbolader installiert, unterhält ein globales Netz von mehr als 100 Servicestationen. Accelleron als Nachfolgeunternehmen ist dadurch stark dienstleistungsorientiert. Wie finden Sie auch in den entlegensten Weltregionen das dafür notwendige, qualifizierte Personal?

Wir haben ein passioniertes Team von weltweit über 2500 Kollegen. Weiterbildung ist ein wichtiger Aspekt, und wir haben ein Karriereprogramm. Innerhalb unserer Branche und darüber hinaus arbeiten wir zudem weiterhin daran, unsere Positionierung als Arbeitgeber noch weiter zu stärken. Was unsere Unternehmenskultur angeht: die positive Mischung aus langjähriger Technologieexpertise und Startup-Mentalität wirkt ansprechend auf die Talente im Markt. Unser Bekanntheitsgrad innerhalb unserer Zielmärkte hat auch schon Mitarbeiter und Manager angesprochen, die selbst mehrere Jahre Teil einer Schiffscrew waren und das Umfeld kennen und schätzen.

«Unsere positive Mischung aus langjähriger Technologieexpertise und Startup-Mentalität wirkt ansprechend auf die Talente im Markt.»

Ein Turbolader soll über die Dauer von 100’000 Betriebsstunden halten. Welches ist denn das empfindlichste Teil?

Grundsätzlich sind dies alle rotierenden Teile insbesondere die Wellenlager – die Turbolader drehen ja mit bis zu 60’000 Umdrehungen pro Minute. Wir stellen durch strikte Prozesse ausgehend von Produktentwicklung bis hin zur Installation sicher, dass wir diesem Anspruch voll gerecht werden. Mit unserem herausragenden Service und fachgerechter Wartung, dass Kunden und Anwender auch bei langjährigem Betrieb voll auf die Sicherheit und Zuverlässigkeit, die wir Ihnen bieten, vertrauen können.

Hauptabsatzmarkt von Accelleron ist die Schifffahrt. Von Umweltschützern wird diese sehr kritisch beäugt. Wie sieht Ihre Nachhaltigkeitsstrategie aus?

Auch wir sehen die heutige Umweltbilanz der Schifffahrt als problematisch an und bieten unseren Kunden deshalb Lösungen zur Verringerung ihrer Emissionen. Unsere Turbolader ermöglichen erhebliche Effizienzverbesserungen in Motoren und senken dadurch den Treibstoffverbrauch. Sie haben im Schnitt 1 – 2% höhere Effizienz gegenüber dem Turbolader unserer Konkurrenz. Ein Prozent höhere Effizienz in der Schifffahrtsindustrie entspricht einer CO2-Einsparung von 10 Millionen Tonnen pro Jahr. Umgerechnet sind das in etwa die Emissionen von 7 Millionen Kleinwagen auf eine Jahresleistung von 15’000 km gerechnet.

Mit einem mittelfristigen organischen Wachstumsziel von 2-4 Prozent jährlich ähnelt Ihre Firma einem kräftigen Ozeandampfer, aber keinem Schnellboot. Würden Sie das so unterschreiben?

Nein. das würde ich so nicht unterschreiben. Accelleron stellt immerhin das doppelte Wachstum, das die Industrie insgesamt für sich erwartet, in Aussicht. Unsere Strategie ist langfristig ausgerichtet und wir sind gut unterwegs. Dass wir aber durchaus noch etwas agiler unterwegs sein wollen und können, ist ein natürlicher Prozess während und nach einem Spinoff. Dafür braucht es auch etwas Zeit.

Wie kommt es, dass Sie im Bereich Hochgeschwindigkeitsdiesellok-Motoren so hohe Wachstumserwartungen haben?

Wir gehen hier von einer relativ niedrigen Wachstumsbasis aus. Der Bereich Rail macht circa zwei Prozent unseres Umsatzes aus. Dies hat auch damit zu tun, dass sich die Nachfrage nach Dieselloks in einigen Märkten, wie etwa China und den USA, positiv entwickelt. Oftmals weil sich in geographisch anspruchsvollen Regionen das Schienennetz nicht ohne weiteres elektrifizieren lässt und ein Dieselantrieb die einzige Alternative ist.

Die Lebenszeit sehr grosser Motoren liegt häufig bei 30 Jahren, denn sie werden nicht gern erneuert. Entsprechend ist die Marge für das Servicegeschäft hoch. Könnte sie sogar von 25% aus noch weiter steigen, weil Motoren immer komplexer und anspruchsvoller werden?

Neben Designideen zu künftigen Turbolader-Generationen bieten wir auch zunehmend digitale Lösungen, wo wir gutes Potenzial sehen. Entscheidend wird für uns aber immer bleiben, welchen Mehrwert wir für unsere Kunden liefern können – und welche Kosten unsere Produkte und Lösungen einsparen können. Auch weil wir langfristig steigende Kosten für Kraftstoffe und immer strikteren Emissionsregime weltweit erwarten, rechnen sich unsere Produkte und Services mit steigender Tendenz.

Technologisch gesehen ist ein Turbolader Doping für den Motor. Wie weit kann das gehen?

Aus Sicht der Leistungssteigerung kann man einen Turbolader definitiv mit einem legalen Doping vergleichen. Technisch gesehen, trifft die Beschreibung “künstliche Beatmung” den Sachverhalt besser. Unsere Turbolader sorgen in der Tat für erhebliche Effizienzsteigerungen: Sie erhöhen die Leistungsabgabe und die Motorleistung um bis zu 300 % und senken gleichzeitig den Kraftstoffverbrauch und die Kohlenstoffemissionen um bis zu 10 % im Vergleich zu einem Motor ohne. Wir sehen durchaus noch Verbesserungspotenzial für die Zukunft. Neben der reinen Leistungssteigerung sind Platzbedarf sowie einfache und schnelle Wartung wichtige Kriterien für den Mehrwert beim Kunden.

«Jährlich investieren wir unser Forschungsbudget von rund 7% des Umsatzes grösstenteils in der Schweiz.»

Ein Drittel der weltweit über 2500 Mitarbeitenden sind am Hauptsitz und globalen F&E-Zentrum in Baden in der Schweiz tätig. Das macht Sie ja zum Platzhirsch. Was sind im Kanton Aargau an Investitionen in den nächsten Jahren geplant?

Wir liegen nun bei rund 950 Mitarbeitern in der Schweiz und fühlen uns in diesem Umfang für den Moment richtig aufgestellt. Wir haben in der jüngsten Vergangenheit einige neue Positionen aufgebaut, denn: Unabhängigkeit bedeutet eben auch, dass wir einige Aufgaben, die zuvor von ABB erledigt wurden, nun als eigenständiges Unternehmen selbst durchführen. Was unser Bekenntnis zum Standort Schweiz angeht, setzten wir klar auf Kontinuität. Jährlich investieren wir unser Forschungsbudget von rund sieben Prozent des Umsatzes grösstenteils in der Schweiz, und vor kurzem wurde das Accelleron-Bürogebäude in Baden umfassend renoviert. Unser Testcenter ist auf dem neuesten Stand. Derzeit schauen wir, wie wir mit gezielten Investitionen unsere Herstellungsprozesse noch produktiver machen.

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