Dario Eklund, CEO Santhera, im Interview

Dario Eklund, CEO Santhera, im Interview
Santhera-CEO Dario Eklund. (Bild: Santhera)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Eklund, im 2020 erzielte Santhera quasi den gesamten Umsatz von CHF 15 Millionen Franken mit dem Produkt Raxone in Frankreich. Wie soll es da jetzt weitergehen?

Dario Eklund: Vorläufig vermarkten wir noch Raxone in Frankreich, diese Verkäufe werden nach der Auslizenzierung des Produktes an die Chiesi-Gruppe allerdings in Kürze auslaufen. Vorbehaltlich des Erreichens bestimmter kommerzieller Meilensteine für Raxone hat Santhera Anspruch auf variable kurz- bis mittelfristige Meilensteinzahlungen von der Chiesi-Gruppe in Höhe von bis zu 49 Millionen Euro. Ab 2023 werden wir mit der geplanten Lancierung von Vamorolone eine neue Ära für Santhera einläuten. In den USA werden wir, nach einer im letzten Quartal 2022 erwarteten Zulassung, Vamorolone zur Behandlung der seltenen Krankheit Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) auf den Markt bringen.

Und dann?

Im Jahr darauf, nach der EU-Zulassung, werden wir das Produkt auch in den wichtigsten europäischen Märkten für Patienten verfügbar machen. Das Spitzenumsatzpotenzial für Vamorolone wird, allein in der Indikation DMD und in den USA und den fünf grössten europäischen Ländern zusammen, auf mehr als 500 Millionen Dollar geschätzt. Parallel dazu streben wir Kooperationen ausserhalb dieser Regionen für DMD und für weitere Indikationen weltweit an.

«Vamorolone könnte in den USA frühestens im letzten Quartal 2022 und in Europa in der zweiten Hälfte 2023 die Zulassung erhalten.»
Dario Eklund, CEO Santhera

Wieso musste das Puldysa-Entwicklungsprogramm eingestellt werden?

Puldysa war unser erster DMD-Entwicklungskandidat, der darauf ausgelegt war, die Atmungsfunktion bei Patienten mit DMD zu erhalten. Entgegen aller Erwartungen zeigte eine Zwischensanalyse der Phase-3-SIDEROS-Studie, dass die Wahrscheinlichkeit für einen positiven Abschluss unter 20 Prozent lag und damit zu gering war, um eine Fortsetzung der Studie zu rechtfertigen. Aufgrund dieser enttäuschenden Ergebnisse haben wir das Programm für Puldysa bei DMD im letzten Herbst abgebrochen. Für die ganze DMD-Gemeinschaft, die sich eine Verbesserung der Behandlung dieser verheerenden Krankheit erhofft, und für unser Unternehmen, das sich mit Hingabe der Erforschung von DMD widmet, bedeutete dies einen herben Rückschlag. Seither konzentrieren wir uns mit allen Kräften auf die Weiterentwicklung von Vamorolone und hoffen, mit diesem Produkt möglichst bald eine neue Basistherapie für an DMD erkrankte Patienten verfügbar zu machen.

Nach eigenen Angaben reicht die Liquidität noch bis ins Q3. Was kann bis dahin aufgestellt werden?

Die positiven Ergebnisse mit Vamorolone stellen einen Wendepunkt für Santhera dar, auch in finanzieller Hinsicht. Investoren haben – endlich – das enorme Potenzial erkannt und nach der Bekanntgabe der positiven Studienergebnisse grosses Interesse an einem Engagement bei Santhera, entweder durch Fremdfinanzierung oder durch Eigenkapitalbeteiligungen, geäussert. In den kommenden Wochen werden wir zahlreiche Investorengespräche führen, vor allem mit US-Investoren. Wir sind optimistisch und rechnen mit einer guten Nachfrage nach den neuen Aktien, die wir nach der Zustimmung der Generalversammlung zu den insgesamt sechs kapitalwirksamen Anträgen vom 22. Juni 2021, schrittweise ausgeben werden.

«Die positiven Ergebnisse mit Vamorolone stellen einen Wendepunkt für Santhera dar, auch in finanzieller Hinsicht.»

Reicht das denn aus?

Eine erfolgreiche erste Platzierung vorausgesetzt, können wir damit ausreichend Mittel aufbringen, um die Vorkommerzialisierung für Vamorolone einzuleiten, vor allem in dessen Ersteinführungsland USA. Parallel dazu evaluieren wir weitere Finanzierungsoptionen, um die Verwässerung der Aktionäre zu minimieren und gleichzeitig professionelle langfristige Investoren an Bord zu holen. Dabei dürfte auch die kürzlich erfolgreich durchgeführte Anleihensrestrukturierung, welche die kurzfristigen finanziellen Verpflichtungen deutlich verringerte, hilfreich sein.

Sie sind sicher weiter in Gesprächen mit IRIS und Highbridge Capital, oder?

Sicher. Sowohl Highbridge als auch IRIS haben uns geholfen, schwierige Zeiten zu überbrücken, die jetzt zum Glück hinter uns liegen. In Zukunft wollen wir unsere Investorenbasis international ausbauen. Wir sind auf der Suche nach frischem Kapital und wollen gleichzeitig auch neue langfristige Investoren, die idealerweise mit der Biotech-Branche vertraut sind, von einem Engagement bei Santhera überzeugen. Derzeit wird Santhera an der Börse mit gerade mal 85 Millionen Franken bewertet und das trotz einem äussert erfolgversprechenden Entwicklungsprodukt wie Vamorolone. Zudem ebnen wir damit den Weg für eine mögliche künftige Kotierung an der Technologiebörse Nasdaq, aber das ist im Moment noch Zukunftsmusik.

Sie rechnen für Vamorolone im Q1 2022 einen Zulassungsantrag bei der FDA zu stellen. Wann könnte dann die endgültige Zulassung erfolgen?

In Anerkennung der medizinischen Bedürfnisse von Patienten, die an einer seltenen Krankheit leiden, gewähren die Zulassungsbehörden in den USA und der EU einem Medikament zur Behandlung einer solch schweren Krankheit einen besonderen Status. Vamorolone hat in den USA und in Europa den «Orphan-Drug-Status», von der US-amerikanischen FDA den «Fast-Track-Status» und die «Rare-Pediatric-Disease-Designation» sowie von der britischen Gesundheitsbehörde (MHRA) die Anerkennung als «Promising Innovative Medicine» (PIM). Diese Einstufungen verleihen Vamorolone einen prioritären Status im Hinblick auf die Zulassung und helfen uns, dessen Markteinführung zu beschleunigen. Konkret heisst das, dass Vamorolone in den USA frühestens im letzten Quartal 2022 und in Europa in der zweiten Hälfte 2023 die Zulassung erhalten könnte.

Was ist – in einem Satz – der Vorteil von Vamorolone gegenüber Standardkortikosteroiden?

Die bisherigen Studienresultate zeigen, dass Vamorolone eine entzündungshemmende Wirkung bietet, ähnlich wie bei Standard-Steroiden, jedoch ein besseres Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil. Bei DMD sind Steroide als wirksame Basistherapie bereits in frühem Kindesalter anerkannt. Gravierende Nebenwirkungen—wie eine Abnahme der Knochendichte, Gewichtszunahme, cushingoides Aussehen (Vollmondgesicht) und Stimmungsschwankungen—schränken eine chronische Verabreichung von Standardsteroiden ein. Das führt oft zu einem verfrühten Therapieabbruch. Die vorliegenden klinischen Resultate mit Vamorolone deuten auf geringere Nebenwirkungen und eine bessere Verträglichkeit unter Beibehaltung der Wirksamkeit hin. Damit sprechen sie ein hohes medizinisches Bedürfnis von DMD-Patienten an, die bei einer Behandlung mit Vamorolone auch von einer höheren Lebensqualität profitieren. Wir erwarten, dass Vamorolone auch bei anderen entzündlichen Krankheiten deutliche Vorteile gegenüber herkömmlichen Steroiden zeigen dürfte.

Wie schnell könnte Lonodelestat, Ihr zweites Medikament, in der Zwischenzeit in die Bresche springen?

Lonodelestat ist ein hochwirksamer und selektiver Hemmer der humanen neutrophilen Elastase. Das ist ein Enzym, das mit Gewebeentzündungen assoziiert ist und zur Schädigung des Lungengewebes bei Mukoviszidose und verschiedenen anderen Lungenerkrankungen führt. Anders als mit verfügbaren Medikamenten, welche primär Symptome behandeln, soll durch Hemmung dieses Enzyms mit Lonodelestat die zugrundeliegende Entzündung bereits an deren Ursprung gestoppt werden. Positive Resultate einer frühen klinischen Studie haben zudem eine gute Verträglichkeit von oral inhalierten, mehrfachen täglichen Dosen von Lonodelestat über bis zu vier Wochen gezeigt. Wir diskutieren nun das weitere Entwicklungsprogramm bei Mukoviszidose mit klinischen Experten und planen auf dieser Basis eine Phase-2-Studie, die Mitte 2022 erste Patienten rekrutieren könnte.

«Positive Resultate einer frühen klinischen Studie haben zudem eine gute Verträglichkeit von oral inhalierten, mehrfachen täglichen Dosen von Lonodelestat über bis zu vier Wochen gezeigt.»

Gewebeentzündungen sind nicht erst seit Covid19 ein grosses Thema. Sehen Sie Umsatzpotential von Lonodelestat über die Krankheit Mukoviszidose hinaus?

Ja. Lonodelestat könnte auch einen Therapieansatz bieten für eine Reihe von weiteren, sogenannten neutrophilen Lungenerkrankungen, denen Gewebsentzündungen zugrunde liegen. Dazu gehören Krankheiten mit hohem medizinischem Bedarf wie zum Beispiel die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), akutes Atemnotsyndrom (ARDS), Non-CF-Bronchiektasie (NCFB), Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (AATD) oder primäre ziliäre Dyskinesie (PCD). Darüber hinaus sehen wir Potenzial für Lonodelestat bei anderen Lungenkrankheiten und sind offen, solche Einsatzmöglichkeiten allenfalls mit Partnern zu verfolgen.

Santhera ist ausserhalb Europas weitgehend unbekannt. Wie wollen Sie das ändern?

Hätten Sie mir diese Frage vor fünf Jahren gestellt, hätte ich wohl zugestimmt. Heute ist das ganz anders – Santhera ist ein anerkannter Akteur auf dem Gebiet der seltenen Krankheiten und eine führende Kraft bei neuromuskulären Erkrankungen wie DMD. In den USA haben wir bereits seit mehreren Jahren ein kleines, aber effektives Team von Mitarbeitenden, das enge Beziehungen zur klinischen Fachwelt und führenden Patientenorganisationen pflegt. Wo immer die Rede ist von neuromuskulären Krankheiten und DMD, taucht der Name Santhera auf. Das erneuerte und rege Interesse seitens der Investoren zeigt uns, dass wir auch dort ganz oben auf dem Radar sind. Das wird uns sowohl bei den Vorbereitungen zur Markteinführung von Vamorolone als auch bei der Kapitalbeschaffung enorm helfen.

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