Claus Bornholt, Mitgründer und Partner Westhive, im Interview

Claus Bornholt, Mitgründer und Partner Westhive, im Interview
Claus Bornholt, Co-Gründer Westhive. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Der Coworking-Markt in der Schweiz boomt. Was spricht aus Ihrer Sicht für dieses Flächenkonzepts?

In Zeiten des schnellen Wandels und das raschen technologischen Fortschritt ist es viel schwieriger geworden, zu planen. Coworking-Konzepte bieten im Gegensatz zur herkömmlichen Büroflächen-Vermietung den grossen Vorteil der Flexibilität: ich kann kurzfristig mieten, und ich habe die Möglichkeit, bei Bedarf auch mehr oder weniger Fläche zu beanspruchen. Nur wenige Unternehmen können heute mit Gewissheit sagen, ob sie in fünf Jahren mit der gleichen Mitarbeiter Anzahl die gleiche Leistung am gleichen Ort erbringen werden.

Welches sind die weiteren Vorteile?

Zum einen ist der Platzbedarf von Unternehmen in den letzten Jahren ständig zurückgegangen. Die zunehmende Mobilität der Arbeitskräfte, die Flexibilisierung des Arbeitsortes (Home-Office etc.), sowie die Digitalisierung von beispielsweise Dokumenten führen dazu, dass weniger Fläche und Infrastruktur benötigt wird. Coworking trägt diesem Phänomen Rechnung. Zum anderen beobachten wir einen Trend, dass Unternehmen immer mehr Bereiche und Services auslagern oder zukaufen, die nicht zum Kern ihres Geschäfts gehören. So wird beispielsweise die Buchhaltung oder der Kundendienst ausgelagert. Warum sollte man nicht das gleiche mit Arbeitsplätzen tun? Welches Unternehmen, das nicht über einen riesigen Infrastrukturbedarf verfügt, möchte denn ernsthaft ein Facility Management auf der Payroll haben?

Und dann ist da noch das Community Element: die Arbeit in einem Coworkingspace und der Austausch mit anderen Unternehmen und Startups ist in der Tat unheimlich inspirierend. Dies erleben auch wir täglich am eigenen Leib, sitzen wir doch mit unseren Kunden in den gleichen Räumlichkeiten.

Waren dies auch die Argumente, die Sie dazu bewogen haben, die Marketingbranche zu verlassen und etwas ganz Neues anzugehen?

Wir hatten bereits bei der Y&R Group einige Startups, die bei uns Arbeitsplätze gemietet haben. Mit einigen von ihnen hatten wir einen regen Austausch, und es gab bei bestimmten Projekten sogar eine Zusammenarbeit. Auch mit der Swiss Startup Factory, heute ein strategischer Partner von Westhive, hatten wir bereits seit geraumer Zeit eine Kooperation. Damit war eigentlich schon der Grundstein für das neue Business gelegt. Und wie immer, wenn es einen zu etwas Neuem zieht, spielt auch der Wunsch mit, das Alte hinter sich zu lassen. Nach zwanzig Jahren Marketingbranche ist das bestimmt nachvollziehbar. Und ganz verlassen haben wir die Branche ja nicht. Mit Westhive Consulting bieten wir nach wie vor Marketingberatung an.

«Wir haben in der Tat Pläne für weiteres rasches Wachstum. Dies aber nicht um jeden Preis.»
Claus Bornholt, Gründer und Partner Westhive

Im April 2018 wurde die erste Westhive-Coworking Location eröffnet, heute gehört Westhive bereits zu den grössten Anbietern in der Schweiz. Mit dem Westhive Skyspace steigt die Zahl der Arbeitsplätze auf rund 400. Geht es in diesem Stil weiter?

Wir haben in der Tat Pläne für weiteres rasches Wachstum. Dies aber nicht um jeden Preis. Wenn wir in den letzten zwölf Monaten etwas bemerkt haben, dann das: einfach eine Bürofläche mieten, ein paar Tische und Stühle reinstellen und ein Logo an die Tür hängen funktioniert nicht. Das soll heissen, dass wir potentielle Locations sehr genau anschauen und uns überlegen, ob sie in das Westhive-Konzept passen und wir dort etwas aufbauen können, was den Bedürfnissen unserer Kunden entspricht.

Welche Vorgaben muss eine Immobilie denn erfüllen, um für Westhive von Interesse zu sein?

Es gibt einige Kriterien, auf die wir ganz besonders achten. Zum einen benötigen wir eine gewisse Mindestgrösse, damit das Objekt rentabel betrieben werden kann und damit eine funktionierende Community entsteht. Es müssen sich Arbeitsplätze einrichten lassen, an denen man sich wohl fühlt und an denen man gerne arbeitet. Und wir suchen stets einen Bezug zur Aussenwelt. Im Gegensatz zu WeWork, wo man nur mit einer Mitgliedschaft hineinkommt, sehen wir uns auch als Schnittstelle in die «Nachbarschaft». Unser Restaurant an der Hardturmstrasse, die Westhive Kitchen, steht beispielsweise allen zur Verfügung, die in der näheren Umgebung wohnen und arbeiten.

Könnten auch ländlichere Gebiete von Interesse sein?

Das kommt vielleicht ein bisschen darauf an, wie man ländlich definiert. Es gibt durchaus eher ländlich geprägte Regionen, die aber über ein grosses Einzugsgebiet verfügen und in denen es auch schon einige Coworking Spaces gibt. Wir fokussieren momentan aber ganz klar auf die grossen urbanen Regionen der Schweiz.

Wodurch unterscheiden sich die Coworking-Angebote von Westhive hauptsächlich von anderen Angeboten?

Wir sehen zurzeit im Markt vor allem zwei Sorten von Coworkingspaces: zum einen die stark Community-getriebenen, die unserer Meinung nach aber häufig die notwendige Professionalität vermissen lassen. Am anderen Ende des Spektrums gibt es die reinen Anbieter von flexibel mietbaren Arbeitsplätzen, bei denen hingegen der Community-Aspekt nahezu keine Rolle spielt.

Wir schliessen die Lücke zwischen diesen beiden Formen der Coworking Anbieter. Professionell ausgerüstete Arbeitsplätze, eine stark technologiegetriebene Infrastruktur – Zugang zum Space, Buchung von Sitzungszimmer, Verarbeitung von Mitgliederrabatten im Restaurant etc. – sowie ein Community-Programm mit regelmässigen Veranstaltungen rund um das Thema Business Transformation und Innovation. Nicht umsonst bezeichnen wir Westhive auch als Innovation Ecosystem.

Stehen diese «Innovation Ecosystems» auch im Skyspace und den weiteren geplanten Standorten im Fokus?

Das Konzept der professionellen, flexiblen Arbeitsplätze in Verbindung mit einem starken Community-Charakter soll sich grundsätzlich an allen Westhive Standorten finden.

Was gehört neben dem Netzwerk-Aufbau zum Paket, von denen Mieter profitieren können?

Allen unseren Mitgliedern steht eine Palette an Services zur Verfügung. WLAN, Drucker, Sitzungszimmer, ein Fotostudio, Kaffee und Tee, Wasser, das Restaurant Westhive Kitchen mit Member-Rabatt und sogar – dank unseres Mitglieds, der AMAG Gruppe – ein Auto, welches im Car-Sharing Modell benutzt werden kann. Zusätzlich bieten wir neu eine sogenannte Corporate Membership an. Diese beinhaltet eine bestimmte Anzahl an Coworking-Tagen für Mitarbeiter des Unternehmens, den Zugang zu all unseren Member Events sowie die Möglichkeit, mehrmals im Jahr unsere Event Location für eigene Events zu nutzen.

«Wenn man möchte, kann man bei uns jede Woche etwas erleben und an etwas teilnehmen.»

Was ermöglichen Coworking Locations, was in einem Corporate Office eher weniger passiert?

Zum einen ist bei uns ständig etwas los. Wenn man möchte, kann man bei uns jede Woche etwas erleben und an etwas teilnehmen. Natürlich ist das Bedürfnis dafür nicht bei allen unseren Members gleich ausgeprägt. Auch der Austausch mit Members aus anderen Branchen und Unternehmen ist problemlos möglich. Man muss aber auch sagen, dass dies nicht von allein stattfindet. Wir als Westhive schaffen über unsere Community Events die Plattform dafür, aber miteinander reden müssen unsere Members schon selbst. Natürlich versuchen wir aber auch den Austausch zu fördern, indem wir die Members beispielsweise einander vorstellen.

Wie gross ist die Bereitschaft von Firmen mit Corporate Offices, sich aufgrund von veränderten Arbeits- und Mobilitätsverhalten in Coworking Locations einzumieten, oder auf freien Flächen sogar eigene zu schaffen?

Wir empfinden diese Bereitschaft als sehr gross. Einige unserer Mitglieder sind ja unter anderem aus genau den genannten Gründen bei uns. Manchmal sind dies spezielle Teams, die an einem bestimmten Projekt arbeiten. Oder es sind Corporate Innovation Units, die sich bewusst für einen Coworking Space als Arbeitsort entscheiden. Und meistens handelt es sich ja nicht um ein «entweder oder», sondern um ein «sowohl als auch». Sprich: eine eigene Location sowie zusätzliche Arbeitsplätze in einem Coworking Space, sei dies, um zusätzlichen Platzbedarf abzufangen oder gezielt bestimmte Unternehmenseinheiten in den Austausch mit Startups und anderen Unternehmen zu bringen.

«Je mehr Coworking Spaces entstehen, umso mehr werden diese sich auch spezialisieren.» 

Wir haben jetzt von den Vorteilen des Coworking gesprochen. Gibt es auch Nachteile?

Wenn wir Argumente gegen Coworking Spaces hören, so sind diese immer die gleichen: zu wenig Platz, zu wenig Vertraulichkeit, zu wenig Konzentration. Platz ist immer relativ. Wir versuchen bei Westhive eine gute Balance zu finden. An vielen WeWork-Standorten stehen pro Member keine 5 m² zur Verfügung. Das empfinden wir als deutlich zu wenig. Umgekehrt benötige ich aber auch keinen Schreibtisch von 4 m², auf dem ich dann möglichst viele Papierstapel horte. Es braucht eine gute Mischung aus eigenem Arbeitsplatz sowie unterschiedlichen Flächen für den Austausch, sei dies für das vertrauliche Zwiegespräch, für die Sitzung mit den Teammitgliedern oder auch für das Telefongespräch mit der Kollegin aus den USA. In punkto Vertraulichkeit schaffen Team Offices sowie abschliessbare Schränke Abhilfe. Und das Thema Konzentration kommt eigentlich immer auf, wenn mehrere Menschen am gleichen Ort arbeiten. Das hat unseres Erachtens nichts mit Coworking zu tun.

Coworking ist ein verhältnismässig junges Konzept, dass sich ständig weiterentwickelt. Spüren Sie entsprechende Trends auf und wenn ja, welche sind dies?

Zum einen sehen wir ganz klar den bereits angesprochenen Trend zum Corporate Coworking. Dieser wird sich in der nächsten Zeit nur noch beschleunigen. Was wir auch sehen, sind Coworking Spaces, die auf ein bestimmtes inhaltliches Thema fokussieren, zum Beispiel Blockchain oder Healthcare. Typischerweise befinden die sich dann auch an entsprechenden Standorten, Blockchain in der Schweiz zum Beispiel in Zug, Healthcare zum Beispiel in Basel.

Und je mehr Coworking Spaces entstehen, umso mehr werden diese sich auch spezialisieren. Zu vergleichen ist dies vielleicht mit der Hotelbranche: es wird grosse Ketten geben, es wird Boutique Spaces geben, es wird zwei Sterne Spaces geben und es wird fünf Sterne Spaces geben – jedem das Seine.

Herr Bornholt, wir bedanken uns für das Interview.

Zur Person:
Claus Bornholt studierte Volkswirtschaftslehre an der Université de Fribourg und wechselte nach diversen Positionen im internationalen Konsumgütermarketing in die digitale Marketing- und Kommunikationsberatung. Bis Ende 2017 war er als COO verantwortlich für das operative Geschäft der Y&R Group Switzerland. Bornholt ist Mitglied im Kommunikationsrat von ks/cs Kommunikation Schweiz und Vizepräsident des Internet Advertising Bureau IAB.

Über Westhive
Die Westhive AG wurde im November 2017 von Andreas Widmer, Bruno Rambaldi und Claus Bornholt gegründet und eröffnete im April 2018 ihre erste Coworking Location an der Hardturmstrasse 161. Zusammen mit der Westhive Library im Zürcher Hürlimann Areal und dem neuen Westhive Skyspace stehen ab Anfang 2019 rund 400 Arbeitsplätze mit einer kompletten Service-Infrastruktur zur Verfügung. Westhive fokussiert auf das Innovation Ecosystem und die Zusammenarbeit zwischen Startups, etablierten Unternehmen und Professionals mit den Schwerpunkten Marketing, Technologie und Customer Centricity.

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