Frank Weber, Geschäftsführer Hitachi Vantara Deutschland, im Interview

Frank Weber, Geschäftsführer Hitachi Vantara Deutschland, im Interview
Frank Weber, Geschäftsführer Hitachi Vantara Deutschland

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Vom Hardware (Speicher)-Anbieter wandelt sich Hitachi Vantara zu einem Unternehmen, das den Fokus vermehrt auf Daten, Operations Management und das Internet der Dinge legt. Ein Wechsel, mit dem sich andere Unternehmen, wie zum Beispiel IBM, schon schwer getan haben. Was machen Sie, damit Hitachi Vantara diese Änderung erfolgreich hinbekommt, welche Auswirkungen hat der Wechsel auf die Wachstumsperspektiven und die Finanzseite des Unternehmens?

Frank Weber: Die strategische Weichenstellung vom Storage-Anbieter zum Thema Datenmanagement ist nicht neu, bereits 2015 hat Hitachi Vantara Pentaho übernommen und die Software zur Datenanalyse integriert. Hinzu kommen unsere Wurzeln im Hitachi-Konzern, der auf 110 Jahre Industrieerfahrung zurückblicken kann. Diese Kombination aus IT und OT (Operation Technology) ist unsere große Stärke und hier wird Hitachi Vantara innerhalb des Konzerns deutlich mehr Verantwortung übernehmen, um die Digitalisierung voran zu treiben.

«Highend-Storage ist Teil der Hitachi-DNA und wird dies auch auf absehbare Zeit bleiben. Aber Systeme wie die VSP 5000 müssen immer im Kontext gesehen werden, sie waren bisher keine Massenware und werden das auch nicht werden.» Frank Weber, Geschäftsführer Hitachi Vantara Deutschland

Der “Kitt” zwischen allen Produkten und Lösungen von Hitachi sind Daten, die Bandbreite reicht von der Erzeugung durch Sensoren über die Verarbeitung und Speicherung bis hin zur Analyse mit Pentaho. Entspricht dieser “alles aus einer Hand”-Ansatz der Realität in Unternehmen oder werden nicht doch eher punktuelle Lösungen nachgefragt?

Bei Hitachi lässt sich die Bedeutung von Daten für den geschäftlichen Erfolg sehr gut nachvollziehen, weil sich tatsächlich alle Schritte im Lebenszyklus von Daten im Konzern auch in Technologien wiederfinden. Hitachi produziert Sensoren, Überwachungskameras, Züge, Produktionsmaschinen und komplexe Anlagen wie Kraftwerke. Dort entstehen Daten, die beispielsweise zur Steuerung und Überwachung genutzt werden. Diese Daten sind Schätze, wenn sie effektiv verarbeitet und analysiert werden, und hier kommt Hitachi Vantara ins Spiel. Das Know-how aus dem Konzern können wir nutzen, um in zahlreichen anderen Kontexten umfassende Lösungen anzubieten, mit denen Unternehmen ihre digitale Transformation erfolgreich meistern können.

Die auch in der Pandemie erfolgreichsten Unternehmen kommen meistens aus dem Software-Bereich (Google, Amazon, Facebook, Microsoft) und investieren zur Stabilisierung und Ausweitung in Hardware. Im Kern steckt aber die Kultur von Programmieren. Wie wollen Sie diese Kultur bei Hitachi Vantara einführen, ohne das Bestehende zu gefährden?

Wir erleben gerade einen Paradigmenwechsel von einer Hardware-Welt in eine Software-Welt, „Software is eating the World”. Die genannten Unternehmen können ihre Services sehr schnell nahezu grenzenlos skalieren, weil die Software es ermöglicht und die eingesetzte Hardware standardisiert ist. Für uns geht es daher immer mehr darum, unseren Kunden Lösungen anzubieten, die für ihre Prozesse, Branchen und Geschäftsmodelle maßgeschneidert sind. Dazu bauen wir beispielsweise die Lumada-Plattform immer weiter aus. Mit der Übernahme von GlobalLogic und Lumada als Baukasten können wir wie eine interne Softwareabteilung agieren und Lösungen für nahezu jeden Einsatzzweck entwickeln. Was die Kultur angeht, da mache ich mir keine Sorgen. Bereits die Integration von Pentaho haben wir gut hinbekommen und die Erfahrungen aus diesem Integrationsprozess fliessen in die kommenden Entwicklungen ein.

In Ihrem Stamm-Markt Storage stehen Highend-Systemen wie der VSP 5000 zunehmend Software-defined-Lösungen auf Basis von Standard-Hardware entgegen. Wie sehen Sie die Zukunft für Highend-Storage, welche Unternehmen werden hier noch einen Bedarf haben, welchen Umsatzanteil soll dieses Segment in Zukunft innerhalb von Hitachi Vantara haben?

Highend-Storage ist Teil der Hitachi-DNA und wird dies auch auf absehbare Zeit bleiben. Aber Systeme wie die VSP 5000 müssen immer im Kontext gesehen werden, sie waren bisher keine Massenware und werden das auch nicht werden. In einem Elektroauto wollen Sie auch nicht die teuerste Batterie mit der Antriebseinheit eines günstigen Kleinwagens kombinieren. Generell sehen wir im Storage-Umfeld zahlreiche Technologien mit unterschiedlichen Leistungswerten und Preisschildern – von klassischen Platten über Flash und NVMe bis hin zu SCM – die allesamt sinnvoll eingesetzt werden können. Die Kombination macht den Unterschied und hier können wir mit unseren Systemen unter einer Benutzeroberfläche einen grossen Mehrwert bieten. Was den Umsatzanteil angeht, da denke ich, dass Highend-Storage auch langfristig ein wesentlicher Bestandteil  unseres Umsatzes ausmachen wird.

Einen Teil des Wachstums und der Neuorientierung gestalten Sie durch Übernahmen. Aktuell durch den Kauf von GlobalLogic. Welche Übernahmestrategie haben Sie, welche Themen und Unternehmen stehen im Vordergrund?

Die IT-Branche zeichnet sich durch eine enorme Geschwindigkeit bei der Entwicklung neuer Technologien und Lösungsansätze aus. Die Frage ist immer, ob man aus eigener Kraft schnell genug und zu vernünftigen Kosten an ein Ziel kommt oder ob eine Übernahme oder ein Zusammenschluss nicht unter dem Strich die günstigere Variante ist. Wir suchen daher nach Anbietern, die einerseits unser Portfolio ergänzen und uns andererseits fit für die Zukunft machen.

«Wir wollen Hitachi zu einem der führenden Player der digitalisierten Industrie entwickeln. Dazu modernisieren wir ein Konglomerat mit einem Börsenwert von mehr als 80 Milliarden US-Dollar quasi von innen heraus.»

GlobalLogic war mit einem Volumen von rund 10 Milliarden US-Dollar die die grösste Akquisition in der Hitachi-Geschichte. Dafür bekommen wir als Gegenwert aber unter anderem die ideale Ergänzung zu unserer Lumada-Plattform, 20’000 Mitarbeiter und rund 400 Kunden. Wir schliessen weitere Akquisitionen nicht aus, wenn die wirtschaftlichen Rahmendaten stimmen.

Die Neuausrichtung von Hitachi Vantara dürfte auf den gesamten Konzern von Hitachi Auswirkungen haben. Wie sehen die aus und wie beeinflusst dies die Stellung von Hitachi Vantara innerhalb des Konzerns?

Wie bereits erwähnt zeichnet sich Hitachi durch die Kombination aus IT und OT aus. Aber auch im Bereich der klassischen Industrie erhält die IT immer mehr Gewicht und so verschieben sich natürlich auch die Gewichte innerhalb des Konzerns. Hitachi hat diese Entwicklung 2017 angeschoben, als es die drei Konzerntöchter Hitachi Data Systems, Hitachi Insight Group und Pentaho zu Hitachi Vantara verschmolzen hat. Wir wollen Hitachi zu einem der führenden Player der digitalisierten Industrie entwickeln. Dazu modernisieren wir ein Konglomerat mit einem Börsenwert von mehr als 80 Milliarden US-Dollar quasi von innen heraus. Und auch hier gilt: Daten sind der Schlüssel, entscheidend ist, diese bestmöglich zu analysieren, daraus zu lernen und dann entsprechend zu handeln.

Die Pandemie hat in vielen Bereichen für eine massive Beschleunigung der Digitalisierung gesorgt (Video-Conferencing, Home Office, Home Schooling, Remote-Working…). Wie hat sich dies innerhalb von Hitachi Vantara selbst und im Kundengeschäft ausgewirkt?

Intern hatten wir gerade am Anfang der Pandemie viele Herausforderungen zu bewältigen. Wie die meisten Unternehmen hatten wir mit Engpässen bei der Ausrüstung unserer Mitarbeiter zu kämpfen und auch die mentale Umstellung vom Office auf den Home-Office Betrieb dauerte etwas. Aber als IT-Unternehmen war der Prozess nicht so dramatisch wie vielleicht in der produzierenden Industrie. Heute laufen viele Prozesse bei uns effizienter als vorher und wir haben vor allem gemerkt, was wir brauchen und was nicht.

Auf der Kunden- und Partnerseite hat uns natürlich der direkte Kontakt zum Kunden gefehlt und bedingt durch die wirtschaftliche Entwicklung hat auch das Neukundengeschäft gelitten. Das Bestandskundengeschäft lief jedoch äusserst erfreulich, denn wir konnten liefern und unseren Kunden helfen, ihre IT zu optimieren und auszubauen. Dabei half uns auch unser verbrauchsorientiertes EverFlex-Modell, mit dem Kunden “Pay-what-you-need” umsetzen können und bei dem wir uns auch am unternehmerischen Risiko der Kunden beteiligen.

Obschon fast alle Unternehmen die Digitalisierung strategisch und operativ mit höchster Priorität angehen, scheitern laut Gartner 60 bis 85 Prozent der Initiativen bei der Erreichung der gesteckten Ziele. Woran liegt es und welchen Beitrag kann Hitachi Vantara leisten, um diese Quote zu verringern?

Viele Unternehmen bringen Initiativen zur digitalen Transformation an den Start, ohne vorher konkrete Ziele zu formulieren. Ohne einen erfahrenen Partner, der die Prozesse im Unternehmen und Rahmenbedingungen in der entsprechenden Branche kennt und gleichzeitig auch das technische Know-how hat, um Lösungen zu entwickeln, ist die Realisierung sehr schwierig. Daten sammeln alleine ist jedenfalls keine Lösung. Die Hochgeschwindigkeitszüge von Hitachi beispielsweise erfassen mehr als 10’000 Parameter pro Sekunde. Aber ohne entsprechende Analysen liefern diese Daten keinerlei verwertbare Informationen. Wir haben das komplette digitale Portfolio und die entsprechende Industrie-Expertise im Konzern. Dieser Mix überzeugt auch viele große Unternehmen, aktuell unterstützen wir neun der zehn weltweit größten Banken, neun der zehn Top-Telekommunikationsanbieter und Medienunternehmen und sechs aus den Top-10 der Life-Sciences-Unternehmen.

«Bei der Entwicklung von Lösungen treibt uns immer auch der Gedanke, die Gesellschaft durch Technologie ein Stück besser zu machen. So hilft unsere Technologie zur Datenanalyse der Rainforest Connection beim Schutz des Regenwaldes, wir machen Eisenbahnstrecken effizienter, helfen Städten beim Energiesparen, verbessern Ernteerträge durch Smart Farming.»

Mit der Vernetzung, dem Internet der Dinge und der zunehmenden Digitalisierung explodieren die Datenmengen geradezu. Wie können all diese Informationen genutzt werden, um für die grössten Probleme der Menschheit (Hunger, Umweltprobleme, Konflikte) schnellere und bessere Lösungen zu finden, oder geht es auch hier nur um die Profitmaximierung einzelner Unternehmen dank intelligenter Analysen?

Unsere Veranstaltung heisst aus gutem Grund nicht „Hitachi Forum zur Gewinnmaximierung”, sondern “Social Innovation Forum”. Bei der Entwicklung von Lösungen treibt uns immer auch der Gedanke, die Gesellschaft durch Technologie ein Stück besser zu machen. So hilft unsere Technologie zur Datenanalyse der Rainforest Connection beim Schutz des Regenwaldes, wir machen Eisenbahnstrecken effizienter, helfen Städten beim Energiesparen, verbessern Ernteerträge durch Smart Farming oder sorgen dafür, dass Güter schneller von A nach B kommen. Das sind nur einige Beispiele, in denen der gezielte Einsatz von Daten sowohl Gewinn bringt als auch der Gemeinschaft zugute kommt.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen die aus?

Zum einen, dass wir auch weiterhin mit den unterschiedlichen Bereichen unseres Konzerns einen Beitrag für die Gesellschaft leisten können. Zum anderen wünsche ich mir, dass Diversitiy und Inclusion ein ganz „normaler“ Bestandteil unseres täglichen Lebens ist.


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