Franziska Tschudi, CEO WICOR Group

Franziska Tschudi, CEO WICOR Group

Franziska Tschudi, CEO WICOR Group.

Von Patrick Gunti.

Moneycab: Frau Tschudi, der Umsatz der WICOR Group ist im Geschäftsjahr 2010 währungsbereinigt um 9 Prozent auf 609 Mio. Franken gesunken. Was hat das vergangene Geschäftsjahr gekennzeichnet?

Franziska Tschudi: Ein Wechselbad: Einerseits der ausgewiesene Erfolg unserer Restrukturierungsbemühungen und das Wachstum im Unternehmensbereich Plastics Technology, gekoppelt mit bedeutenden Akquisitionen interessanter Entwicklungs- und Serienprojekte. Andererseits die Spätfolgen der Wirtschaftskrise und unerfreuliche Marktveränderungen im Unternehmensbereich Electrical Technology. Dazu rasch ansteigende Energie- und Rohstoffkosten, und der immer stärker werdende Schweizer Franken. Und trotzdem ein insgesamt guter Gruppenabschluss.

Im Bereich Electrical Technology sind Umsatz und Marge eingebrochen. Was waren die Gründe?

In den letzten Jahren bauten viele namhafte Transformatorenhersteller, also unsere Kunden, ihre Produktionskapazitäten weltweit aus. Im Gefolge der Wirtschaftskrise wurden bedeutenden Infrastrukturprojekte in  die Energieerzeugung und -verteilung (Stromnetze) in China, Indien und Südamerika aufgeschoben. Die rückläufige Nachfrage führte zu einem Preiszerfall, der an uns Zulieferer weitergegeben wurde. Daneben versuchten sich neue Wettbewerber aus Billiglohnländern am Markt mit Tiefstpreisen zu etablieren.

Sie haben mit einem umfangreichen Restrukturierungsprogramm reagiert. Was beinhaltete dieses und welche Auswirkungen hatte es auf den Mitarbeiterbestand?

Vereinfacht gesagt müssen wir nachhaltig Kosten senken, und das tun wir mit einer Optimierung unseres Footprints und unserer Prozesse (wo und wie wollen wir produzieren). Das wird mittelfristig nicht ohne einen gewissen Stellenabbau auf allen Stufen gehen. Erste Schritte wurden bereits implementiert, z. B. durch die Zusammenlegung zweiter brasilianischer Unternehmen, und natürlich durch die Verkleinerung der Führungscrew. Wichtig ist aber auch, dass wir am Markt noch aktiver und aggressiver vorgehen und unseren Dienstleistungsbereich – und damit unser Know-how – weiter ausbauen. Und schliesslich investieren wir massiv in Innovationen, um uns von der Billigkonkurrenz zu distanzieren.

«Vereinfacht gesagt müssen wir nachhaltig Kosten senken, und das tun wir mit einer Optimierung unseres Footprints und unserer Prozesse. Das wird mittelfristig nicht ohne einen gewissen Stellenabbau auf allen Stufen gehen.»
Franziska Tschudi, CEO WICOR Group

Besser lief es im Unternehmensbereich Plastics Technology, der ein zweistelliges Umsatzwachstum verzeichnete. Welchen Anteil daran hatte die Erholung in der Automobilindustrie?

Sie half. Daneben aber übertrugen uns alte und neue Kunden während der Krisenzeit Projekte und Seriengeschäfte von ins Schlingern geratenen Mitbewerbern, und dank unserem Know-how und unserer finanziellen Stärke konnten wir zusätzlich wachsen.

Wie verlief die Entwicklung im Bereich der Medizintechnik?

Dieser Bereich wurde von der Wirtschaftskrise am wenigsten betroffen und konnte planmässig weiter wachsen.

Wieviel trägt die Sparte Plastics Technology heute zum Gesamtumsatz der WICOR Group bei?

Der Anteil liegt heute bei 36 %.

Welche Investitionen in Anlagen hat die WICOR Group im vergangenen Jahr getätigt?

Für den Unternehmensbereich Electrical Technology wurde in Ennenda GL unser ehemaliger Automobilkomponenten-Standort in ein neues Werk zur Fertigung von laminiertem Board und Frästeilen umgebaut. In Jiaxing, Zhejiang (China) entstand ein neues Produktionswerk für Höchstspannungs- und Spezialkomponenten. In den USA (Urbana, Ohio) begannen wir mit einer Grossinvestition für ein integriertes Papierwerk zur Produktion elektrischer Papiere und verschiedener Bearbeitungsprozesse, wie z.B. Kreppen und Laminieren. Und schliesslich eröffneten wir zwei neue Labors für Oelmessungen zur Zustands-Analyse von Transformatoren in den USA und in Mexiko.

Im Unternehmensbereich Plastics Technology erweiterten wir unser Automobilkomponentenwerk in Treuen, Sachsen (Deutschland) und kauften Know-how in der Lichttechnik.

Wie beurteilen Sie die Aussichten für das laufende Geschäftsjahr?

Wir erwarten ein moderates Umsatzwachstum, werden aber wegen des massiven Preisdrucks im Hochspannungsisolationsmarkt, weiter steigenden Rohmaterial- und Energiepreisen und natürlich der Frankenstärke trotz Restrukturierungen Mühe haben, die Profitabilität zu steigern.

«Krisen auffangen und damit umgehen haben wir gelernt. In unserer Unternehmenskultur legen wir Wert auf klare unternehmerische Grundsätze, eine flache Führungshierachie und eine schnelle und offene Kommunikation.»

Als Zulieferunternehmen sind Sie für verschiedene Branchen tätig, von denen jede ihre eigenen Bedingungen kennt. Und Sie sind stark betroffen, wenn eine dieser Branchen in eine Krise schlittert. Wie geht die WICOR Group damit um?

Wir pflegen bewusst unsere Diversivität bezüglich Know-how, Branchen, Kunden und Geografie und sind damit in unserer 134-jährigen Geschichte gut gefahren. Krisen auffangen und damit umgehen haben wir gelernt. In unserer Unternehmenskultur legen wir Wert auf klare unternehmerische Grundsätze, eine flache Führungshierachie und eine schnelle und offene Kommunikation.

Inwieweit können Sie mit Forschung und Innovationen das Geschäft Ihrer Kunden beeinflussen?

Wir sind ein Zulieferer und können grundsätzlich das Marktverhalten der Kunden nicht beeinflussen. Wir können aber Produkte und Technologien bereitstellen, die dem Kunden helfen, die Marktposition zu festigen und zu erweitern, beispielsweise durch Isolationskomponenten, die den Transformator effizienter machen, oder durch Ersatz von Stahlbauteilen durch (leichtere) Kunststoffkomponenten für den Automobilbau.

Weltweit steigt der Strombedarf, Stromnetze werden aufgebaut oder erneuert. Welchen Einfluss könnten die nach der Atom-Katastrophe von Japan intensivierten Diskussionen um den Ausstieg aus dem Atomstrom und die Förderung alternativer Energien auf Ihr Geschäft mit der Elektrotechnologie haben?

Je höher der Strombedarf, je komplexer die Netze, desto besser für unser Geschäft. Welche Art der Energie sich durchsetzt ist, einfach gesagt, egal, denn es braucht für die Stromverteilung immer Transformatoren.

Wie schätzen Sie die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Führungsnachwuchses ein?

Es ist schwierig, ein generelles Urteil zu fällen. Unsere Schweizer Ausbildung und die Möglichkeit, im eigenen Land (also mit einem Heimvorteil) bei hervorragend positionierten Unternehmen erste Erfahrungen zu sammeln, helfen gegen die harte und „hungrige“ Konkurrenz vor allem aus Asien. Ich sehe aber gute Chancen für mobile, sprachenkundige und leistungswillige junge Schweizer Führungskräfte, sich auch weiterhin international durchzusetzen.

Wie wichtig ist Diversity für Ihr Unternehmen und welche Massnahmen sind in Ihrem Unternehmen zum Thema geplant oder schon umgesetzt?

Als weltweit tätiges Unternehmen mit einer KMU-Struktur leben wir Diversity – das Zusammenwirken verschiedener Kulturen, Geschlechter, Altersklassen – ohne Programm. Das zeigt auch unser Verwaltungsrat, unsere Geschäftsleitung und setzt sich, so wie das lokal und von der Art des Geschäfts auch Sinn macht, durch die ganze WICOR Gruppe fort.

Frau Tschudi, herzlichen Dank für das Interview.

Zur Person
Eintritt in die WICOR Gruppe 1995 als Leiterin Unternehmensentwicklung, danach Übernahme von Führungsverantwortung für ETBA Asia/Pacific. Zuvor Rechtsanwältin bei Lenz & Stähelin, Genf, Schweiz, Generalsekretärin, SIG, Schweizerische Industrie-Gesellschaft AGm Neuhausen/Rheinfall, Schweiz.
Master der Rechtswissenschaften und Führsprecherpatent der Universitäten Bern, Schweiz und Georgetown, Washington D.C. (LL.M), USA sowie US Anwaltspatente. Executive MBA der Universität St. Gallen, Schweiz.

Nebenamtliche Tätigikeiten:

  • Mitglied des Verwaltungsrates der Swiss Life AG, Zürich, Schweiz
  • Mitglied des Verwaltungsrates der Biomed AG, Dübendorf, Schweiz
  • Vorstandsmitglied der Swiss-American Chamber of Commerce, Zürich; und Vizepräsidentin der Industrie- und  Handelskammer St. Gallen-Appenzell, Schweiz
  • Vorstandsmitglied der Economiesuisse und der Swissmem, Zürich, Schweiz
  • Mitglied des Geschäftsleitenden Ausschusses des Stiftungsrates der Zürcher Filmstiftung, Zürich, Schweiz

Zum Unternehmen
Die WICOR Technologiegruppe (Weidmann International Corp.) entwickelt, produziert und vertreibt weltweit Isolationsmaterial und –komponenten für Transformatoren und bietet den Betreibern von Transformatoren spezialisierte Dienstleistungen an (Unternehmensbereich Electrical Technology).
Daneben entwickelt, produziert und vertreibt WICOR technisch anspruchsvolle Kunststoffanwendungen für die Fahrzeug-, Industrie- und Medizintechnik (Unternehmensbereich Plastics Technology).
Die WICOR Gruppe ist weltweit an über 30 Standorten tätig und beschäftigt rund 3700 Mitarbeitende. 2010 erarbeitete sie einen Umsatz von 605 MCHF. Hauptsitz der Technologiegruppe WICOR ist Rapperswil-Jona, Schweiz.

Symbolbild KF für CEO Interviews

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert