Fredi Gmür, CEO Schweizer Jugendherbergen

Fredi Gmür, CEO Schweizer Jugendherbergen

Fredi Gmür, CEO Schweizer Jugendherbergen. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab: Herr Gmür, 2013 konnten die Schweizer Jugendherbergen die Zahl der Logiernächte um 3,4 Prozent steigern. Wie sieht es im laufenden Jahr aus?

Fredi Gmür: Auch wir bekamen in den vergangenen Wochen die schlechten Witterungsverhältnisse zu spüren; die Buchungslage für die kommenden Wochen und Monate sieht sehr zuversichtlich aus. So erwarte ich, dass wir das sehr gute Ergebnis 2013 auch dieses Jahr wieder erreichen.

Die Jugendherbergen profitieren von den in den letzten Jahren getätigten Millionen-Investitionen. Haben heutige «Jugis» überhaupt noch etwas gemein mit den Jugendherbergen früherer Jahre?

Absolut. Es geht bei einem Aufenthalt und bei Ferien in einer Jugendherberge heute wie früher in erster Linie um das unkomplizierte Lebensgefühl und um Begegnungen mit Gleichgesinnten. Dass in vielen unserer Häuser in den letzten Jahren der Komfort gestiegen ist, ist dabei aus Gästesicht natürlich ein angenehmer Nebeneffekt.

«Es geht bei einem Aufenthalt und bei Ferien in einer Jugendherberge heute wie früher in erster Linie um das unkomplizierte Lebensgefühl und um Begegnungen mit Gleichgesinnten.»
Fredi Gmür, CEO Schweizer Jugendherbergen

Wie hat sich das Bild des typischen «Jugi»-Kunden verändert und mit ihm die eigentliche Zielgruppe der Jugendherbergen?

Eine Zielgruppe im klassischen Sinn gibt es für uns nicht – unserer Philosophie entsprechend stehen unsere 53 Betriebe jedermann offen. Im Gegensatz zu früher zählen wir heute aber viel mehr Familien zu unseren Gästen und auch Reisende über 45.

Was schätzen die Gäste heute besonders an den Jugendherbergen?

Ganz oft ist es der Standort. Ein Gast entscheidet sich also zuerst für seinen Ferienort und erst dann für die Unterkunftsform. Auf das Angebot bezogen sind einem Teil unserer Gäste in erster Linie die tiefen Preise wichtig. Familien schätzen auch unsere Familienzimmer (Doppelbett und Kajütenbett inkl. eigenem Bad/WC) und immer wieder hören wir, dass es die unkomplizierte Atmosphäre ist, die Gäste zu uns führt. Bei uns können sie in Jogginghosen zum Frühstück kommen oder sich zum Abendessen zu andern Gästen an einen Tisch setzen.

Im Juni wurde die neue Jugendherberge Gstaad Saanenland eröffnet, am 5. September folgt die Jugendherberge Saas-Fee mit ihrer Wellness-Oase. Treten die Jugendherbergen mit dem hohen Standard dieser Häuser immer stärker in Konkurrenz zu Mittelklassehotels?

Nein, der Vergleich mit Hotels, egal welcher Kategorie, ist nicht relevant. Jugendherbergen zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass die Zimmer primär zum Schlafen bestimmt sind und es gewisse Dienstleistungen wie beispielsweise täglichen Wechsel der Bettwäsche nicht gibt. Dafür stehen den Gästen grosszügige Begegnungsräume zur Verfügung. Das wellnessHostel4000 in Saas-Fee folgt dem gleichen Prinzip. Hier bekommen Sie einen Wellness- und Sportaufenthalt zu Hostel-Preisen. In unserem Netzwerk dürfte diese Art von Betrieb allerdings die Ausnahme bleiben.

«Der Vergleich mit Hotels, egal welcher Kategorie, ist nicht relevant.»

Internet in allen Zimmern, Lift und Tiefgarage, eine Bar mit Stil und ein modernes Verpflegungskonzept – wird das in einigen Jahren in allen Jugis der Standard sein?

Sie werden das vermehrt antreffen, ja. Wir pflegen aber auch ein beträchtliches historisches Erbe, ich denke da zum Beispiel an unsere Häuser in Brugg – im dortigen «Schlössli Altenburg» hausten schon Römer und Habsburger – oder in Schaffhausen, wo die Jugendherberge in einem Schlösschen untergebracht ist oder an die Burg Rotberg in Mariastein – da stehen ganz andere Erlebnisse im Vordergrund, bis hin zu knarrenden Böden.

Wie hat sich mit dem höheren Standard die Preispolitik entwickelt?

Die Preispolitik hat sich nicht verändert – unser Anspruch ist, im lokalen Angebot mit zu den günstigsten Beherbergern zu gehören.

Mit der Eröffnung der Jugendherberge in Interlaken vor zwei Jahren wurde auch das Restaurant-Bar-Lounge-Konzept «3a» lanciert. Was beinhaltet das Konzept und wo wird es mittlerweile sonst noch umgesetzt?

Hier bieten wir eine Showküche an, in der vor den Augen der Gäste in Woks ganztägig frische preisgünstige Gerichte gekocht werden. Weitere Beispiele gibt es aktuell noch nicht – ein 3a ist aber Teil des Konzepts für eine mögliche Jugendherberge in Andermatt, über die wir gerade zusammen mit Samih Sawiris nachdenken.

Zurück zum wellnessHostel4000, dem weltweit ersten Wellness-Hostel. Wie wichtig ist es für den Verein Schweizer Jugendherbergen, in einer weiteren international bekannten Alpendestination präsent zu sein?

Das ist für uns Elementar. Wir wollen schweizweit präsent sein und so gibt es durchaus noch den einen oder anderen weissen Fleck auf der Landkarte. Ich denke da etwa an Genf, wo unser Franchise-Partner die Jugendherberge auf Ende Jahr aufgibt und wir schnellstmöglich wieder einen eigenen Betrieb eröffnen möchten. Dass wir in Saas-Fee jetzt eine Lücke schliessen können, freut mich persönlich sehr – das Gletscherdorf war schon seit über 10 Jahres auf meiner Wunschliste und birgt enormes Potential.

«Wir wollen schweizweit präsent sein und so gibt es durchaus noch den einen oder anderen weissen Fleck auf der Landkarte.»

Ende letzten Jahres haben Sie mit der Stiftung «Denk an mich» ein Projekt lanciert, das die Jugendherbergen auch für Menschen mit Behinderung so barrierefrei wie möglich machen soll. Welche Ziele wurden hier definiert und was konnte bereits umgesetzt werden?

Unser Ziel ist es, das gesamte Schweizer Jugendherbergsangebot – von der Informationsbeschaffung im Internet bis hin zu den Betrieben – hindernisfrei zu gestalten. Bereits abgeschlossen sind umfassende Umbau- und Renovationsarbeiten in unseren Betrieben in Stein am Rhein und in Avenches, die den Ausbau nach Standards der Hindernisfreiheit einschliessen. Aber auch in Gstaad Saanenland und in Saas-Fee wurden die Mehraufwendungen des Baus, die die üblichen Standards der Hindernisfreiheit weit übertreffen, von der Stiftung Denk an mich finanziell unterstützt. Damit sind heute 31 unserer total 53 Häuser hindernisfrei.

Herr Gmür, besten Dank für das Interview.

Zur Person:
Seit 1996 ist Fredi Gmür CEO und Vorsitzender der Geschäftsleitung der Schweizer Jugendherbergen. Auf der Basis einer neuen Netzwerk- und Nachhaltigkeitsstrategie, durch das Schaffen neuer Strukturen, den Aufbau des Headoffice als Dienstleistungszentrale, den Einsatz modernster ITTechnologien, die Konzentration auf die Kernkompetenzen, Produktanpassungen, Imagekorrektur und Kooperationen erreichte er in kurzer Zeit den Turnaround. Wesentlich zum Erfolg beigetragen hat die seit 1997 konsequent umgesetzte Nachhaltigkeitsstrategie.

Fredi Gmür ist zudem CEO der Hostelling International Marketing GmbH, die weltweit Dienstleistungen in den Bereichen Marketing, Branding, Organisation, Bau und Qualitätssicherung anbietet. National nimmt er folgende Mandate wahr: Schweizer Tourismusverband Vorstandsmitglied und Kommissionspräsident „Qualitätsentwicklung & Bildung“, Parahotellerie Schweiz Präsident; Schweiz Tourismus Mitglied Tourismusrat, hotelleriesuisse Mitglied Beirat; diverse Stiftungen Präsident/Mitglied. Er ist zudem Mitglied verschiedener internationaler Gremien.

Schon in der Kindheit inspiriert vom Tourismus durch das elterliche Unternehmen, studierte er Administration, Wirtschaft und Tourismus. Nach einigen Jahren Aufenthalt in Nordamerika arbeitete er während 15 Jahren in verschiedenen Schweizer Destinationen als Tourismusdirektor, wo er auch in regionalen und nationalen Fachkommissionen mitwirkte.

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