Fredy Miller, CEO Aare Seeland mobil AG, im Interview

Fredy Miller, CEO Aare Seeland mobil AG, im Interview
Fredy Miller, CEO Aare Seeland mobil AG. (Foto: zvg)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Miller, Reisezentren befinden sich in Langenthal, Solothurn, Bern, Nidau, Täuffelen, Niederbipp und Roggwil. Wieviel der Umsätze werden in Bern gebucht?

Fredy Miller: Unsere Verkaufsstelle in Bern betreiben wir gemeinsam mit Railtour Suisse SA. Wir verkaufen dort ausschliesslich Reiseangebote mit Flug, Bahn oder Bus. Angebote des öffentlichen Verkehrs verkaufen wir dort nicht als Einzelleistungen, sondern nur im Rahmen von Packages. Der Umsatz beträgt gut zehn Prozent unseres Umsatzes über alle Verkaufsstellen.

Seit Juli starten wieder Ihre Carausflüge. Wie läuft es bei den Buchungen?

Die Nachfrage hatte im 2. Quartal stark nachgelassen. Lange war nicht klar, welche Ansprüche an die Schutzkonzepte gestellt wurde und ab wann der Bundesrat Carfahrten wieder zulassen wird. Unser Fahrgäste sind tendenziell eher etwas älter und deshalb während der Corona-Situation besonders vorsichtig. Die Nachfrage pendelt sich langsam wieder ein, da vor allem Vereine und Firmen wieder Ausflüge buchen. Die Buchungen bei den Individualgästen sind dagegen immer noch verhalten. Da der Herbst traditionell ein starker Reisemonat ist, ist es noch zu früh um ein verlässliches Fazit zu ziehen.

«Die Nachfrage pendelt sich langsam wieder ein, da vor allem Vereine und Firmen wieder Ausflüge buchen.»
Fredy Miller, CEO Aare Seeland mobil AG

Wie sieht bei Carreisen das Schutzkonzept aus?

Bei Reisen, die wir zusammenstellen und anbieten, reduzieren wir die Platzzahl, um die empfohlenen Abstände einzuhalten. Sofern Sitzplätze vorgängig zugeordnet sind, erfolgt der Einstieg nach Sitzplatznummerierung. Falls vorgängig keine Sitzplätze zugeordnet wurden, bitten wir die Fahrgäste die Anweisungen des Fahrpersonals oder der Einweisungsperson zu befolgen. Bei der Zuordnung wird, wo immer möglich, darauf Rücksicht genommen, dass Verwandte und Bekannte zusammensitzen können. Zudem empfehlen wir das Tragen einer Maske; dies liegt jedoch in der Eigenverantwortung unserer Fahrgäste.

Und die Hygienemassnahmen?

Spezielle Reinigungs- und Desinfektionskonzepte werden laufend umgesetzt. Dabei sind die Reinigungsprozesse genau geregelt. Da jede Carreise ein Ziel hat, enden die Vorsichtsmassnahmen nicht einfach mit dem Verlassen des Cars. Wir achten bei all unseren Partnern, wie Hotels, Restaurants, Ausflugsziele, dass die Schutzkonzepte ebenso gut eingehalten werden. Bestehen Zweifel, so wird das Angebot eliminiert.

Gibt es einen Unterschied zwischen individuellen und Gruppenreisen? Bei der Aare Seeland mobil AG können ja auch ganze Busse gemietet werden.

Wir informieren die Gruppe jeweils über die aktuellen Schutzbestimmungen und Empfehlungen. Zudem verfügen wir über die Kontaktdaten, um ein allfälliges Tracing sicherzustellen. Bis heute ist uns zum Glück kein einziger Fall bekannt, sei es bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder bei den Fahrgästen, dass sich jemand mit dem Corona-Virus in unserer Unternehmung infiziert hätte.

Kann Ihre 100%ige Tocher Erlebnis Schweiz AG im 2021 den Turnaround schaffen?

Wir hoffen es. Nach einem sehr guten Forecast im Januar ist die Auftragslage komplett eingebrochen. Wir haben sehr viel Zeit mit der Annullation von Reisen verbracht. Aktuell ist ein grosser Teil der Mitarbeitenden in Kurzarbeit. Gegenüber Kunden haben wir uns kulant verhalten. Viele Kunden haben uns mitgeteilt, dass die Reise im kommenden Jahr nachholen werden. Zudem sind viele Stammgäste. Alles hängt davon ab, wie sich die Corona-Krise weiterentwickeln wird. Erlebnis Schweiz arbeitet zudem sehr eng mit unserer Schifffahrtsgesellschaft auf dem Bielersee zusammen. Auch dort leiden wir aufgrund der Corona-Krise massiv. Unsere touristischen Unternehmungen sind alle ein wenig voneinander abhängig.

«Das Defizit über alle Verkehrsunternehmungen in der Schweiz wird massiv sein. Erste Schätzungen gehen von 1,7 bis 1.8 Milliarden Franken aus.»

Die Leistungsabgeltungen der öffentlichen Hand sind im letzten Jahr um über vier Millionen gestiegen und machen jetzt knapp zwei Drittel der Erlöse aus. Wird für 2020 vor allem der Bund noch mal kräftig beispringen?

Bei den Leistungsabgeltungen muss man zwischen den Abgeltungen in Infrastruktur und Betrieb unterscheiden. Erfolgt ein Angebotsausbau, so steigen in der Regel auch die Abgeltungen. Zudem werden die Erlöse aus den Tarifverbünden mit einer gewissen Ungenauigkeit den einzelnen Transportunternehmungen zugeschieden. So kann es sein, dass in einem Folgejahr die Erlöse wieder zunehmen, obschon die Anzahl der beförderten Personen unverändert ist. Der Ertragseinbruch im Jahr 2020 ist natürlich dramatisch. Wir schätzen heute, dass uns circa sechs Millionen Franken an Verkehrserlösen in diesem Jahr fehlen werden. Zum Glück war bei uns die Nachfrage nicht ganz so stark eingebrochen wie bei anderen Unternehmungen und erholt sich Schritt für Schritt. Das Defizit über alle Verkehrsunternehmungen in der Schweiz wird massiv sein. Erste Schätzungen gehen von 1,7 – 1,8 Milliarden Franken aus. Die ständigen Warnungen vom Bundesrat, den öffentlichen Verkehr zu meiden, haben einen Verlagerungseffekt zur Folge. Die zunehmenden Staus auf den Strassen stützen diese These. Zudem ist der Trend zum Homeoffice ungebrochen, und die Maskenpflicht schmälert die Nachfrage im Freizeitverkehr massiv.

Sind denn alle Abgeltungsvereinbarungen mit dem Bund und den Kantonen Bern, Solothurn und Luzern unter Dach und Fach?

Wir verhandeln die Abgeltungen für die Abgeltungsperioden mit den Bestellern jeweils im Vorjahr. Auch da unterscheiden wir zwischen den beiden Sparten Infrastruktur und Betrieb. Diese sind unter Dach und Fach für das laufende Jahr. Im Rahmen der Sonderbotschaft Covid 19 wird das Parlament über die Defizitdeckung 2020 im öffentlichen Verkehr im Herbst beraten. Aktuell versuchen wir die Liquidität sicherzustellen und hoffen, dass die Defizitdeckung für den gesamten öffentlichen Verkehr in der Schweiz angenommen wird. Politisch sollte das Geschäft nicht allzu umstritten sein. Schliesslich stellt der öffentliche Verkehr Schweiz ein flächendeckendes Grundangebot sicher, das in der Verfassung geregelt ist und von der öffentlichen Hand bestellt wird.

Ihr Energieaufwand fiel im letzten Geschäftsjahr um ein volles Drittel. Worauf war das zurückzuführen?

Wir konnten wiederholt von den sehr günstigen Energiepreisen profitieren. Den Strom bei der Bahn kaufen wir im Verbund mit anderen Privatbahnen sehr günstig ein, und auch die Dieseleinkaufspreise waren tiefer als budgetiert. Zudem greifen die Energiesparmassnahmen in allen Bereichen, wie der Einsatz von Hybridbussen, intelligente Stromsysteme oder energetische Sanierungen bei Gebäuden.

«Den Strom bei der Bahn kaufen wir im Verbund mit anderen Privatbahnen sehr günstig ein und auch die Dieseleinkaufspreise waren tiefer als budgetiert. Zudem greifen die Energiesparmassnahmen in allen Bereichen.»

Wieviel Geld braucht es in den kommenden Jahren für die grössere Umbauten an den Standorten Nidau, Lattrigen und Brüttelen?

Wir rechnen in den kommenden vier Jahren mit Infrastrukturinvestitionen von 60 Millionen Franken für Neu- und Umbauten. Dabei sind die erwähnten Umbauten im Seeland wie auch die Investitionen im Raum Solothurn und Langenthal enthalten.

Im letzten Jahr stieg der Ertrag im Güterverkehr, und zwar um knapp 20 Prozent – allerdings auf noch bescheidenem Niveau. Wo könnte da weiteres Wachstum geschaffen werden?

Wir unterscheiden im Güterverkehr zwischen zwei Geschäftsmodellen. Einerseits haben wir eine direkte Zusammenarbeit mit Kunden wie im Kiestransport. Da lassen sich die Umsätze längerfristig recht genau budgetieren. Auf der anderen Seite sind wir abhängig von SBB Cargo, die mit den Kunden direkt verhandelt. In diesem Fall übernehmen wir nur einen Teil der Transportleistung, indem wir die Eisenbahnwagen auf der letzten Meile zwischen den SBB und dem Kunden zustellen. Insbesondere dieser Teil ist sehr fragil, da die Nachfrage sehr volatil ist. Da sind wir zu 100 Prozent von SBB Cargo abhängig, welche die Verträge mit den Kunden ausarbeitet.

Ein „Schmankerl“ ist die Vinifuni-Standseilbahn mitten durch die Rebberge. Wie viele Frequenzen generiert die Aare Seeland mobil AG da pro Jahr?

Wir befördern auf unserer Standseilbahn rund 150’000 Fahrgäste pro Jahr. Im Vergleich zur ganzen Unternehmung mit knapp 7 Millionen Fahrgäste ist der Anteil beim Vinifuni nicht sehr hoch. Beim Vinifuni ist die Nachfrage insbesondere in den Monaten April – Oktober überdurchschnittlich hoch, da wir viele Ausflugstouristen befördern. Zusammen mit unserer Schifffahrt Bielersee-Schifffahrts-Gesellschaft lassen sich dank dem Vinifuni einmalige Ausflüge kreieren.

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