Georg Portmann, Vorsitzender der Konzernleitung der CSS

Georg Portmann, Vorsitzender der Konzernleitung der CSS
Georg Portmann,ehemaliger Vorsitzender der Konzernleitung der CSS

Georg Portmann, Vorsitzender der Konzernleitung CSS (Foto: CSS)

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Portmann, Sie konnten ein nach eigenen Aussagen “solides Finanzergebnis” für das Jahr 2013 vorlegen. Die Versicherten mussten nur einen moderaten Prämienanstieg hinnehmen (1,1 Prozent in der Grundversicherung), der Jahresgewinn ging von 196 Mio. CHF auf 129 Mio. CHF zurück, in der Grundversicherung fiel der Überschuss von 119 Mio. CHF auf 21 Mio. CHF. Entsprach das Ihren Erwartungen und welche Erwartungen haben Sie für 2014?

Georg Portmann: Wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis 2013. Nach zwei aussergewöhnlichen Jahren mit moderaten Prämienerhöhungen ist es dieses Jahr schwierig eine Prognose abzugeben. Wir sind also verhalten optimistisch, erwarten allerdings bei den Prämien für 2015 einen weniger moderat ausfallenden Anstieg.

«Die strikte Trennung von Grund- und Zusatzversicherung lehnen wir entschieden ab, da sie weder sinnvoll noch sachgerecht ist.» Georg Portmann, Vorsitzender der Konzernleitung der CSS

Die Combined Ratio (der Versicherungsaufwand und die Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb in Relation zum Versicherungsertrag) betrug im 2013 98,6 Prozent (im 2012 96,3 Prozent). Welchen Wert haben Sie sich zum Ziel gesetzt im 2014?

Unter den jetzigen Gegebenheiten ist es noch zu früh Vorhersagen zu machen, da verschiedene Faktoren eine Rolle spielen. Wir setzten alles daran, unsere eigenen Verwaltungskosten möglichst tief zu halten. Die Komponente des Leistungskostenanstiegs stellt mit über 90% den grössten Kostenblock dar, wo wir die Entwicklung noch abwarten müssen. Momentan liegt die Teuerung in der Grundversicherung gegenüber dem Vorjahr bei 4,5%.

Einer Phase von Neugründungen und Zukäufen folgt jetzt eine Phase der Konsolidierung. Welche nächsten Schritte sind hier geplant und wie definieren Sie Wachstum für das grösste Versicherungsunternehmen in einem gesättigten und regulierten Markt?

Unser Fokus liegt auf dem organischen Wachstum. Was uns freut ist, dass wir mit der konsequenten Ausrichtung auf den Kundendienst und die Servicequalität einen starken Neukundenzuwachs zu verzeichnen haben. In der Grundversicherung konnten wir per Anfang diesen Jahres netto 43’000 Neukunden gewinnen. Das ist 50% mehr Kundenzuwachs als gegenüber 2013. Wir sind der festen Überzeugung, dass ein ausgezeichneter Kundenservice und moderne flexible Produkte der Schlüssel zum Erfolg auch für zukünftiges Wachstum sind.

«Mehr Transparenz, welche die Leistungen der Spitäler untereinander vergleichbar macht, fordert die CSS schon lange. Durch mehr Transparenz können Qualität und Effizienz gesteigert werden.»

Da die Kosten vor allem in der Grundversicherung steigen und bei den Zusatzversicherungen sogar über eine Prämienreduktion nachgedacht werden kann, wäre es nicht sinnvoll, die beiden Bereiche viel klarer zu trennen und die Leistungen in der Grundversicherung zu überdenken und reduzieren, wie der Bundesrat das auch anstrebt?

Unser Schweizer Gesundheitssystem befindet sich im Vergleich zum europäischen Ausland auf sehr hohem Niveau. Es gibt attraktive Modelle, wie die integrierte Versorgung, welche für Versicherte wirksame Kostenvorteile bieten. Schon heute nutzen über die Hälfte unserer Versicherten die sogenannten Alternativen Modelle, die sowohl medizinisch als auch ökonomisch Sinn machen. Die strikte Trennung von Grund- und Zusatzversicherung lehnen wir hingegen entschieden ab, da sie weder sinnvoll noch sachgerecht ist. Eine strikte Trennung würde nur zu höheren Verwaltungskosten führen und auch für die Versicherten und Leistungserbringer einen Mehraufwand in der Kostengutsprache und der Administration der Leistungsabrechnungen nach sich ziehen. Zudem wünschen die Versicherten eine solche Trennung gar nicht. Über 80 Prozent der Versicherten haben die Grund- und Zusatzversicherung beim selben Krankenversicherer abgeschlossen.

Nach einer Phase mit etwas geringeren Prämienanstiegen haben Sie schon prognostiziert, dass die Prämien in Zukunft wieder stärker steigen werden. Man hat den Eindruck, dass dies allen Beteiligten (Spitäler, Ärzte, Versicherer, Politiker) letztendlich gleichgültig ist, da alle davon profitieren. Was tut die CSS als grösste Krankenversicherung, um diesem dauernden Anstieg entgegen zu wirken?

Wir setzen uns seit Jahren für kostendämpfende Massnahmen ein, und zwar auf unterschiedlichen Ebenen. Erstens, angefangen bei uns selber, halten wir unsere eigenen Verwaltungskosten tief und praktizieren eine strikte Leistungskostenkontrolle. Zweitens erwarten wir auf der Leistungserbringer-Seite durch die Einführung der Fallpauschalen mit SwissDRG und der neuen Spitalfinanzierung mittel- bis längerfristig eine Dämpfung des Kostenanstiegs. Drittens geht der Trend auch dank der weiteren Verfeinerung des Risikoausgleichs weiter in Richtung integrierter Versorgung, in dem die Grundversorgung gestärkt und eine optimale Behandlung beispielsweise von chronisch Kranken ermöglicht wird.

«Der Anteil von Alternativen Versicherungsmodellen mit eingeschränkter Wahl der Leistungserbringer belief sich per Ende Jahr 2013 bei der CSS auf 56%, mit steigender Tendenz.»

Ihr Lieblingsmodell, um den Kostenanstieg zu bremsen, das Managed Care Modell, wurde von den Stimmbürgern an der Urne abgelehnt. Wie geht es mit diesem Modell weiter, welche Alternativen sehen Sie?

Die Ablehnung an der Urne steht in einem klaren Gegensatz zum wachsenden Interesse der Versicherten an eben diesen Managed Care Modellen oder wie wir sagen der integrierten Versorgung. Der Anteil von Alternativen Versicherungsmodellen mit eingeschränkter Wahl der Leistungserbringer belief sich per Ende Jahr 2013 bei der CSS auf 56%, mit steigender Tendenz. Diese Zahlen sprechen für sich. Prüfungswert wären weitere Vertragsmodelle, welche individuelle Bedürfnisse berücksichtigen, zum Beispiel freiwillige Mehrjahresverträge oder altersabhängige Rabatte, so dass es für ältere und chronisch kranke Menschen attraktiver wird, sich in solchen Modellen zu versichern.

Allen Beteiligten im Gesundheitswesen scheint klar zu sein, dass wir in der Schweiz eine zu grosse Dichte an Spitälern haben. Kein Politiker, der wieder gewählt werden will, kann sich jedoch für die Schliessung von Spitälern in seinem Wahlkreis einsetzen, wie ich in meinem Heimatkanton Schwyz aktuell beobachten kann. Wie beurteilen Sie die Anzahl von Spitälern und welche Mittel sehen Sie, auf eine wirtschaftlich sinnvolle Anzahl von Leistungserbringern zu kommen?

In der Tat gibt es auch erfolgreiche Gesundheitssysteme mit sehr zentralisierten Spitälern, wie das norwegische Modell zeigt. Jedes Land braucht aber das System, das den Gegebenheiten und der Kultur am meisten entspricht. Wir haben ein föderalistisches System, das schlägt sich auch in unserer Spitallandschaft nieder. Ich trete für die Vielfalt ein, denke aber, dass es in den nächsten Jahren auch in der Schweiz weitere Konsolidierungen geben wird. Hier werden auch die Kantone mit einem Finanzierungsgrad von 55% zwangsläufig auf die Bremse stehen. Langfristig sollte auch die Umstellung auf SwissDRG, also die Ablösung von einem System der Kostenabgeltung hin zu vereinbarten Preisen, kostendämpfende Wirkung zeigen und den Wettbewerb stärken.

«Wir wehren uns gegen systemgefährdende Elemente und Bestrebungen. Deshalb haben wir uns auch gegen ein neues Aufsichtsgesetz gewehrt, das über 60 Artikel umfasst.»

Viele Versicherte bezahlen ihre Prämien nicht mehr selbst, sondern bekommen staatliche Zuschüsse. Wird so nicht einfach die einzige Personengruppe, die eigentlich ein Interesse an tiefen Prämien hätte, ruhig gestellt und der Prämienanstieg geht ungebremst weiter?

Das heutige System der Prämienverbilligung ist ein Kompromiss zwischen sozialer Verträglichkeit und individuellem Kostenbewusstsein. Es ist flexibel und könnte je nach Ausgestaltung die unterschiedlichen kantonalen und individuellen Verhältnisse jedes Einzelnen berücksichtigen. Diese Möglichkeit wird heute von den Kantonen zum Teil noch zuwenig genutzt. Ob es in der heutigen Ausgestaltung in gewissen Kantonen das Kostenbewusstsein im Gesundheitswesen genügend stützt, kann man in Frage stellen. Hier ist die Politik gefragt.

Nebst der Kostentransparenz wäre auch eine Vergleichbarkeit der Qualität der Leistungserbringer (welche Spitäler erbringen welche Leistungen wie oft, zu welchen Kosten und in welcher Qualität) eine Voraussetzung zur gezielten Reduktion der zu vielen Marktteilnehmer. Wie sieht es hier aus, weshalb werden die Informationen, die eigentlich vorhanden sind, nicht publiziert und zur Reduktion der schlechtesten Erbringer verwendet?

Mehr Transparenz, welche die Leistungen der Spitäler untereinander vergleichbar macht, fordert die CSS schon lange. Durch mehr Transparenz können Qualität und Effizienz gesteigert werden. Einiges ist in den letzten Jahren schon umgesetzt worden. So begrüssen wir beispielsweise die Qualitäts-Messungen des Nationalen Vereins für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken (ANQ). Eine weiter voran getriebene Publikationspolitik würde die Verhandlungsbasis der Krankenversicherer gegenüber den Leistungserbringern steigern. Das setzt zusätzliche wettbewerbliche Anreize.

Wenn die Markteilnehmer selbst nicht in der Lage sind, sinnvolle Regeln aufzustellen und einen funktionierenden Markt zu garantieren, bekommt meist der Staat mehr Machtfülle, wie wir aktuell im Finanzsektor sehen. Fast immer führt das zu einer grösseren Regulierungsdichte. Wie wollen Sie verhindern, dass dem Gesundheitswesen und damit den Versicherern dasselbe Schicksal blüht?

Wir sprechen uns klar für wettbewerbliche Rahmenbedingungen aus, welche die Transparenz und Governance des Krankenversicherungswesens verbessert. Wir wehren uns aber gegen systemgefährdende Elemente und Bestrebungen. Deshalb haben wir uns auch gegen ein neues Aufsichtsgesetz gewehrt, das über 60 Artikel umfasst. Auf Verbandsebene setzen wir uns gemeinsam mit den anderen Marktteilnehmern gegen die Überregelierung ein. Grundsätzlich sind wir für eine funktionierende Aufsicht. In der Zusatzversicherung ist das die Finanzmarktaufsicht (FINMA) und in der Grundversicherung das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Es braucht eine vernünftige Anwendung dieser Kompetenzen und nicht mehr Bürokratie.

«Wichtige Vorhaben sind die sachgerechte Reformierung der Tarifstrukturen, sowie eine evidenzbasierte Überprüfung des Leistungskataloges der Grundversicherung.»

Sie haben sich klar gegen die Einheitskasse ausgesprochen, da diese Ihrer Meinung nach den Kostenanstieg nicht bremsen werde. Welche Alternativen bieten Sie an?

Wir müssen unser heutiges gut funktionierendes und schuldenfreies System weiter optimieren. Es gilt jenen Sorgen der Versicherten, die zur untauglichen Einheitskassen-Überlegung geführt haben, zielgerichtet zu begegnen. Das heisst, die Qualität und Transparenz für Versicherte muss weiter verbessert werden, in dem die Grundversorgung gestärkt wird. Wir schlagen ein System mit mehr wettbewerblichen Anreizen bei den Leistungserbringern vor. Mehr Transparenz in Bezug auf Qualität und Preis wird auch zu Innovationen und Kosteneffizienz beispielsweise mit erhöhter Digitalisierung führen.

Nach dem Austritt aus dem bis dahin grössten Verband Santésuisse hat die CSS einen neuen Verband, curafutura, gegründet und schon die Helsana, Sanitas und KPT als Mitglieder gewonnen. Wie soll sich der neue Verband weiter entwickeln und schwächen Sie damit nicht die Position der zuvor geeinten Versicherer gegenüber den politischen Ansprechpartnern?

Wir sind auf gutem Weg und haben im ersten Jahr die richtigen Weichen gestellt, um eine partnerschaftlich ausgerichtete Verbandsarbeit zu ermöglichen, in der die Mitglieder die gleichen Wertvorstellungen haben. Wichtige Vorhaben sind die sachgerechte Reformierung der Tarifstrukturen, zum Beispiel von Tarmed und SwissDRG, sowie eine evidenzbasierte Überprüfung des Leistungskataloges der Grundversicherung, welche den klassischen Kategorien der Wirtschaftlichkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit entsprechen. Im Kampf gegen die Einheitskasse ziehen wir als Branche selbstverständlich alle am gleichen Strick.

Zum Schluss de Interviews haben Sie noch zwei Wünsche frei. Welches sind dies?

Erstens: Dass es uns gelingt, in den kommenden Jahren in der Bevölkerung noch mehr Verständnis für unser gut funktionierendes Gesundheitswesen zu schaffen.

Zweitens: Für die CSS sehe ich optimistisch in die Zukunft und wünsche mir, dass wir nach einer Ablehnung der Einheitskasse mit einem multilateralen, wettbewerblichen System Innovation und Fortschritt fördern können.

Der Gesprächspartner:
Georg Portmann leitet als Vorsitzender der Konzernleitung die CSS-Gruppe seit 2001. Der 58jährige verfügt über eine ausgewiesene Berufs- und Managementerfahrung in der Assekuranz und dem Gesundheitswesen. Begonnen hat die berufliche Laufbahn von Georg Portmann bei der SUVA. Nach der Kaufmännischen Lehre, dem Besuch der Höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschule folgten Management-Ausbildungen der St. Galler Hochschule. Seit dem Eintreten in die CSS Versicherung im Jahr 1987 nahm Georg Portmann zunehmend leitende Funktionen im Marketing und Vertrieb ein und war Mitglied der Geschäftsleitung bevor er zum Direktionspräsident ernannt worden ist.

Das Unternehmen:
Die CSS Gruppe mit Sitz in Luzern wurde 1899 gegründet. Sie versichert rund 1,730 Millionen Menschen, davon 1,24 Millionen in der Grundversicherung, und zählt damit zu den führenden Schweizer Kranken-, Unfall- und Sachversicherern. Mit einem Prämienvolumen von 5,248 Milliarden Franken, schweizweit 118 Agenturen und 2600 Mitarbeitenden ist sie nahe bei ihren Kundinnen und Kunden. Auch im Unternehmensgeschäft nimmt die CSS eine Spitzenposition ein: Rund 20‘650 Unternehmen und Institutionen sind bei der CSS Gruppe kollektiv versichert.

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