Hans Künzle, CEO Nationale Suisse

Hans Künzle, CEO Nationale Suisse

Hans Künzle, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Nationale Suisse.

Von Bob Buchheit

Moneycab: Herr Künzle, der Aktienkurs von Nationale Suisse war ja in den letzten Monaten wie ein Fels in der Brandung der Finanzkrise. Wird das auch für das zweite Geschäftshalbjahr 2011 gelten?

Hans Künzle: Im September haben wir anlässlich unserer Berichterstattung zum ersten Halbjahr festgehalten, dass wir in Bezug auf die Geschäftsentwicklung für das Gesamtjahr 2011 verhalten optimistisch sind. An diesem Ausblick ändert sich auch weiterhin nichts.

Das Wetter spielt ja mal, ausgenommen in der Schweiz, wieder wie so oft im Herbst verrückt. Da die Schadenquote tief zu halten – im letzten Ausweis lag die Combined Ratio bei 94,5 Prozent – das dürfte fürs zweite Halbjahr wohl anspruchsvoll werden, oder? Zumal Sie ja weiter in den Vertriebsausbau investieren wollen.

Grundsätzlich sind wir zuversichtlich, dass sich die Combined Ratio auch in der zweiten Hälfte 2011 positiv entwickeln wird. Allerdings können Versicherungsunternehmen immer erst am 31. Dezember 2011 um 24.00 Uhr eine verlässliche Aussage zur Schadenquote machen; Erfahrungen zeigen, dass es im November und Dezember durchaus zu Winterstürmen und anderen Naturereignisse kommen kann.

Nationale Suisse will bewusst ein Nischenspezialist sein. Ihre sechs Specialty Lines, worunter sich zum Beispiel die Kunstversicherung oder die Reiseversicherung verstecken, ist der grosse Wachstumstreiber. Könnten die Spezialitäten bald mal die Hälfte des Umsatzes ausmachen? Den ersten Meilenstein, dass die Spezialversicherungen ein Drittel des Konzernumsatzes erreichen, haben Sie ja bereits ein Jahr früher als geplant erreicht.

Es ist richtig, dass die Specialty Lines bedeutender Treiber für unser Wachstum sind. Generell erwarten wir bis 2013 ein Wachstum in den Specialty Lines von bis zu 10 Prozent. Damit soll der Specialty-Lines-Anteil rund 40 Prozent der Gesamtprämie erreichen. Dass wir den angestrebten Meilenstein von einem Drittel Prämienanteil schneller als geplant erreicht haben, liegt einerseits am sehr positiven und rentablen Wachstum in diesen Sparten, anderseits aber nicht zuletzt auch daran, dass wir unser Kollektivleben-Geschäft per Anfang Jahr verkauft haben.

«Mit Kunst ist Nationale Suisse auch schon seit fast sechs Jahrzehnten eng verbunden.»
Hans Künzle, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Nationale Suisse.

Was passiert, wenn der Erfolg Ihrer Spezialversicherungen Konkurrenten auf den Plan lockt?

Bereits heute verzeichnen wir in allen Specialty Lines ernstzunehmende Konkurrenten. Es ist eine Illusion zu glauben, man sei allein auf weiter Flur. Allerdings ist es glücklicherweise so, dass es in einigen Specialty Lines eher schwierig ist, die für das Geschäft notwendige Expertise und die richtigen Kontakte aufzubauen. Diese Herausforderung kommt uns zu Gute, da die meisten Sparten schon seit Jahrzehnten zu unserem Geschäftsmodell gehören. Nationale Suisse wurde beispielsweise 1883 als Transportversicherung gegründet, und in der technischen Versicherung sind wir ebenfalls schon seit über 100 Jahren tätig.  Heute dürfen wir unsere Kompetenz bei Mega-Projekten wie dem Gotthard-Basistunnel einsetzen oder bei der Verschiffung von 3‘000 Tonnen schweren und 30 Mio. US Dollar teuren Raupenkränen über die Weltmeere. Mit Kunst ist Nationale Suisse auch schon seit fast sechs Jahrzehnten eng verbunden. Damals nahm unsere aussergewöhnliche, auf Schweizer Kunst fokussierte Unternehmenssammlung ihren Anfang.

Die Konkurrenz im Versicherungswesen ist gross, der Schweizer Markt gesättigt. Wo holen Sie sich auf diesem Tummelfeld die besten Mitarbeiter?

Zum einen ist es wichtig, die eigenen Mitarbeitenden nicht nur zu fordern, sondern auch gezielt zu fördern und damit Expertise und Qualität im Unternehmen konsequent zu steigern. Zum anderen hilft eine starke, verlässliche und zielstrebig über mehrere Jahre hinweg erfolgreich umgesetzte Unternehmensstrategie, Mitarbeitende zu halten und neue Talente dazuzugewinnen. Ein unternehmerischer Zickzack-Kurs ist hier nicht förderlich.

Gehen Sie auch über Headhunter?

Ja, wir nehmen auch Headhunter in Anspruch.

Wie steuern Sie eigentlich die Berufsethik Ihrer Verkaufsmannschaft? Wie verhindert Nationale Suisse, dass ein Makler zum Beispiel nur auf seine Provision schaut?

Für uns stehen Qualität und Solidität im Zentrum und nicht der schnelle Versicherungsabschluss – diesen Anspruch haben wir nicht nur an unsere eigenen Mitarbeitenden, sondern auch an die Makler. Um dies im Vertrieb zu verankern, investieren wir sehr viel in die Ausbildung unserer eigenen Aussendienst-Organisation. Alle Mitarbeitenden sind zudem zu ethischem, gesetzeskonformem und verantwortungsvollem Handeln verpflichtet. Sie sind gehalten, die in unserem Code of Conduct vorgegebenen Unternehmenswerte zu leben sowie die für ihren Bereich massgebenden Weisungen und Richtlinien zu befolgen.

Im letzten Halbjahr standen 15 Millionen aus Immobiliengewinnen zu Buche. Befürchten Sie da nicht, dass wir in eine Blase laufen?

Eine Immobilienblase kann per se nicht ausgeschlossen werden. Allerdings nehmen wir als Versicherungsunternehmen Immobilien nicht nach ihrem Marktwert in die Bilanz auf, sondern gemäss einem sogenannten Discounted Cash-Flow-Verfahren, welches den Verkehrswert der Immobilien wiedergibt. Eine allfällige Immobilienblase würde sich nur dann negativ in unserer Bilanz niederschlagen, wenn die Mieterträge aus unseren Liegenschaften zurückgehen oder es zu Leerständen in grösserem Mass kommen würde.

«In Belgien sind wir mit Hochdruck daran, unser Geschäft zu restrukturieren, um künftig die Rentabilität wieder zu gewährleisten.»

Und wie sieht es bei den Eurowackelanleihen mit möglichen Abschreibern aus. Ein dreissigprozentiger Abschreiber würde doch den ganzen Halbjahresgewinn wegfressen?

Zusammen mit unserem Halbjahresergebnis haben wir bereits mitgeteilt, dass wir unser GIIPS-Exposure seit Ende 2009 um mehr als 50 Prozent auf rund CHF 220 Mio. per Mitte August reduziert haben. Nationale Suisse hat die Auswirkungen der Schuldenkrise auf den Erfolg und das Gesamtergebnis mit verschiedenen Szenarien analysiert. Darauf aufbauend haben wir die notwendigen Anpassungen in der Anlagestrategie frühzeitig eingeleitet. Wir bauen dabei unsere GIIPS-Anleihen ab und konzentrieren uns gleichzeitig auf die Diversifikation unseres Portfolios.

Wie läuft denn die Restrukturierung in Belgien? Dort war ja die Schaden/Kosten-Quote auf 110 Prozent geradewegs explodiert. Sind Sie da vielleicht auch schon früher als geplant durch?

In Belgien sind wir mit Hochdruck daran, unser Geschäft zu restrukturieren, um künftig die Rentabilität wieder zu gewährleisten. Dies hatte zur Folge, dass wir gezwungen waren, dort den Mitarbeiterbestand zu reduzieren. Gleichzeitig sind wir daran, das Portfolio rigoros zu sanieren. So haben wir bereits verschiedene Tariferhöhungen durchgesetzt. Wir sind zuversichtlich, bereits 2012 eine deutlich verbesserte Combined Ratio für unsere belgischen Tochtergesellschaften ausweisen zu können.

Werden Sie die von vielen Versicherern angepeilte Eigenkapitalrendite von 15 Prozent packen?

Ein Ziel in Bezug auf unsere Eigenkapitalrendite kommunizieren wir nicht. Für Versicherungen ist es aus meiner Sicht vielmehr entscheidend, ob die technische Profitabilität des Versicherungsgeschäfts weiter verbessert und eine Schaden/Kosten-Quote von deutlich unter 100 Prozent erreicht werden kann.

Wie wird sich Ihr nicht ganz unproblematisches Nichtleben-Geschäft in Europa entwickeln? Stehen dort jetzt die Zeichen gar auf Sturm?

Mit unseren Tochtergesellschaften in Deutschland, Italien und Spanien sind wir auf Kurs. Dass wir unsere beiden Operationen in Belgien sanieren, habe ich hier bereits erwähnt. Unsere Positionierung in den verschiedenen Märkten hilft uns, unser Geschäft mithilfe unserer Differenzierungs- und Specialty-Lines-Strategie organisch auf- und auszubauen. Wir wollen unsere europäischen Gesellschaften in Zukunft noch stärker auf ertragsstarke Specialty-Lines-Geschäfte wie beispielsweise Engineering, Marine und Art fokussieren.

Zur Person:

Hans Künzle, Dr. iur. (Universität Zürich) geboren 1961, Schweizer Vorsitzender der Geschäftsleitung (CEO). Hans Künzle trat nach kurzer Tätigkeit am Bezirksgericht Bülach 1989 in die
Winterthur Versicherungen ein. Zwischen 1995 und 2004 übernahm er verschiedene leitende Funktionen in der Schweiz und in Europa. Unter anderem war er CEO der Winterthur-Operationen in der Tschechischen Republik und verantwortlich für den Bereich Mergers & Acquisitions auf Konzernstufe. Im Oktober 2004 trat er in die Dienste der Schweizerischen National-Versicherungs-Gesellschaft AG ein und übernahm per 1. Januar 2005 den Vorsitz der Geschäftsleitung.
Hans Künzle ist Präsident des Verwaltungsrates der Schweizerischen National Leben AG, Bottmingen, und der Europäischen Reiseversicherungs AG, Basel. Er ist ferner Mitglied des Vorstands des Schweizerischen Versicherungsverbands (SVV) und des Stiftungsrates der Behindertenstiftung MyHandicap.

Zum Unternehmen:
Nationale Suisse ist eine international tätige und unabhängige Schweizer Versicherungsgruppe, die attraktive Risiko- und Vorsorgelösungen in den Bereichen Nichtleben und Leben sowie zunehmend auch massgeschneiderte Spezial-Deckungen anbietet. Die Bruttoprämien belaufen sich konsolidiert auf 1.8 Milliarden Schweizer Franken (2010). Die Gruppe umfasst das Stammhaus und rund 20 Tochtergesellschaften und Niederlassungen, die mit fokussierten Produktlinien in den Versicherungsmärkten Schweiz, Italien, Spanien, Deutschland, Belgien, Liechtenstein, Malaysia, Lateinamerika und Türkei tätig sind. Der Hauptsitz der Schweizerischen National-Versicherungs-Gesellschaft AG ist in Basel. Die Aktie der Gesellschaft ist an der SIX Swiss Exchange kotiert (NATN). Am 30. Juni 2011 beschäftigte die Gruppe 1 932 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Vollzeitstellen).

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