Jens Vollmar, CEO Implenia, im Interview

Jens Vollmar, CEO Implenia, im Interview
Implenia-CEO Jens Vollmar: "Wir differenzieren uns mit unserem Angebot und wollen die Projekte nicht ausschliesslich über den Preis gewinnen." (Foto: Implenia)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Vollmar, Sie stehen seit 1. April an der Spitze von Implenia. Gab es einen speziellen Moment, an dem Sie gemerkt haben: Jetzt trage ich die volle Verantwortung?

Jens Vollmar: Es gab nicht den einen grossen Moment, sondern viele kleine besondere Momente seit dem Start. Einer war sicher, als ich Anfang April bei einem ersten Townhall Meeting zusammen mit der ganzen Geschäftsleitung vor den Mitarbeitenden stand. Dann sind es auch unzählige Begegnungen und Diskussionen mit unseren jungen Talenten und Experten bei Projektbesuchen in der Schweiz, Deutschland und in den weiteren europäischen Märkten. Ein weiterer spezieller Moment war natürlich auch, den Analysten und Medien kürzlich das erfreuliche Halbjahresergebnis zu präsentieren.

Welche Aufgaben standen für Sie in den ersten knapp fünf Monaten im Vordergrund?

Das Geschäft von Implenia, vor allem den Hochbau, kannte ich bereits sehr gut, ich war zuletzt ja Leiter der Division Buildings. In den ersten Monaten habe ich deshalb unter anderem Kunden, Projekte und Mitarbeitende der anderen beiden Divisionen – insbesondere dem Tiefbau – sowie Investoren und Analysten besser kennengelernt. Zudem war es mir wichtig, Schwerpunkte für die weitere Umsetzung unserer Strategie zu setzen. In der aktuellen Phase wollen wir vor allem mit einem differenzierten Angebot wachsen.

Sie haben die Führung von Implenia zu einem Zeitpunkt übernommen, an dem es prächtig läuft. Das EBIT legte in der ersten Jahreshälfte um 12,9% zu, die EBIT-Marge erreichte 3,1%, der Umsatz stieg um 6,6%. Das kommt viel Positives zusammen – welche Faktoren waren ausschlaggebend für dieses Wachstum?

Die guten Ergebnisse sind kein zufälliges Ergebnis oder ein Selbstläufer. Der Fokus von Implenia auf spezialisierte, margenstarke Bereiche zahlt sich aus. Wir konzentrieren uns auf Immobilien für das Gesundheitswesen, Forschung, Bildung, Rechen- und Logistikzentren sowie auf Infrastruktur für Mobilität und Energie. Das ermöglicht eine stabile und resiliente Auftrags- sowie Margenentwicklung. Das gute Geschäftsergebnis im ersten Halbjahr widerspiegelt zudem die ausgezeichnete Arbeit unserer Mitarbeitenden und das verbesserte Marktumfeld. Megatrends wie Bevölkerungswachstum und Urbanisierung, Energiewende und Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Industrialisierung, aber auch die makroökonomische Unsicherheit stimulieren die Nachfrage.

«Die guten Ergebnisse sind kein zufälliges Ergebnis oder ein Selbstläufer. Der Fokus von Implenia auf spezialisierte, margenstarke Bereiche zahlt sich aus.»
Jens Vollmar, CEO Implenia

Die Auftragsbücher sind prall gefüllt. Der Bestand legte um fast 10% auf einen Rekordwert von 7,78 Mrd. Franken zu. Welche Segmente sind dabei die wichtigsten Wachstumstreiber?

Die Erhöhung des Auftragsbestands und dessen gute Qualität sind geprägt durch unser differenziertes Angebot und die Anwendung unseres Value Assurance-Ansatzes. Sowohl im Tiefbau mit Tunnel- und Brückenprojekten als auch im Hochbau mit Datacenters, Gesundheits- und Bildungsbauten konnten wir attraktive neue Aufträge gewinnen. Wir arbeiten zudem derzeit an einem gezielten Aufbau unserer Aktivitäten für die Planung und Realisierung von Verteidigungsinfrastruktur in Europa.

Wie stark wirkt der Value Assurance-Ansatz und die Fokussierung auf margenstarke Projekte?

Wir differenzieren uns mit unserem Angebot und wollen die Projekte nicht ausschliesslich über den Preis gewinnen. Das Auftragsbuch konnten wir entsprechend vor allem in höhermargigen Bereichen steigern, für die Implenia spezialisiert ist. Der Value Assurance-Ansatz spielt eine wichtige Rolle bei der Auswahl der Projekte, im Angebotsprozess, bei Vertragsabschlüssen wie auch während der Realisation. Wir bieten nur bei Projekten an, bei denen wir unsere Expertise einsetzen und die wir profitabel realisieren können. Die vorkalkulierte Marge (Deckungsbeitrag der Projekte) hat sich seit der Einführung von Value Assurance stark verbessert.

«Der Value Assurance-Ansatz spielt eine wichtige Rolle bei der Auswahl der Projekte, im Angebotsprozess, bei Vertragsabschlüssen wie auch während der Realisation.»

Ein geologisches Tiefenlager für die langfristige Lagerung radioaktiver Abfälle in Schweden, ein neues Datacenter in Beringen oder das neue Forschungs- und Ausbildungszentrum auf dem Inselareal in Bern – gibt es gewonnene Aufträge, die Sie besonders stolz machen?

Jedes der genannten Projekte ist einzigartig. Es handelt sich bei allen um grosse, anspruchsvolle Projekte, die unserer Spezialisierung entsprechen. Das sind Immobilien in den Bereichen Gesundheit, Forschung, Bildung und Datacenter im Hochbau. Und Infrastruktur für die Mobilität auf Strassen und Schienen wie auch für die Energiegewinnung und -verteilung im Tiefbau. Das geologische Tiefenlager in Schweden ist sicher ein grosses Projekt, das wir in einem neuen Bereich – bei dem wir aber viel Erfahrung und Expertise einsetzen können – gewinnen konnten. Das macht besonders stolz.

Deutschland hat riesige Infrastrukturprogramme im Umfang von 500 Milliarden Euro angekündigt, besonders für Brücken, Tunnel und Verkehrsanlagen. Wie stark wird Implenia hier mitmischen?

Das im März angekündigte deutsche Infrastrukturprogramm, das sich über zwölf Jahre erstreckt, soll auch für Verkehrs- und Energieinfrastruktur sowie Bauten für Gesundheit, Forschung und Ausbildung eingesetzt werden. Das alles sind Bereiche, auf die sich Implenia spezialisiert hat. Wir bringen dafür umfassende Kompetenz und langjährige Erfahrung sowie die nötigen Kapazitäten mit. Entsprechend erwarten wir Aufträge aus dem Programm.

Durch die kritische Sicherheitslage in Europa sehen Sie Potenzial im Verteidigungsgeschäft und bauen eine entsprechende Organisation auf. An welche Art der Infrastruktur denken Sie dabei?

Das können spezialisierte Gebäude für Ausbildungs- oder Verwaltungszwecke aber auch Labore, Militärflugplätze, Logistikgebäude oder ganze Militärareale sein. Zudem wird auch die entsprechende Infrastruktur für den Verkehr und die Energieversorgung ausgebaut werden müssen. In allen diesen Bereichen sehen wir Potenzial für grosse und anspruchsvolle Projekte, die unserer Wachstumsstrategie entsprechen.

Die sinkenden Zinsen erhöhen die Investitionsbereitschaft im Schweizer Immobilienmarkt. Haben Sie Hoffnung, dass der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in absehbarer Zeit entschärft werden kann?

Als Bau- und Immobiliendienstleister wären wir bereit, mehr Wohnungen zu bauen. Die sinkenden Zinsen allein werden das Problem jedoch nicht lösen. Es gibt für Investoren und Eigentümer noch immer zu viele Hürden. Die Politik ist gefordert, Einsprachemöglichkeiten auf wirklich schutzwürdige Interessen zu begrenzen, Regulierungen zu lockern und Bewilligungsprozesse zu vereinfachen. Die Raumplanung muss zudem flexibler werden. Dies vor allem bezüglich Verdichtung und auch Umzonungen von Gewerbe oder Büros zu Wohnraum. Ebenso braucht es eine smarte, vernetzte Mobilität zwischen den urbanen Zentren und ihrer Peripherie.

«Als Bau- und Immobiliendienstleister wären wir bereit, mehr Wohnungen zu bauen. Die sinkenden Zinsen allein werden das Problem jedoch nicht lösen.»

Ihre Einflussmöglichkeiten auf Regulierung, Einsprachen etc. sind beschränkt. Sind hier neue standardisierte Immobilienprodukte für schnellen und nachhaltigen Wohnungsbau, wie Sie Implenia mit «Cabanne» und «Casitta» entwickelt, eine Antwort?

Standardisierte, industrialisierte Immobilienprodukte ermöglichen mehr Effizienz und dadurch Zeit- und Kosteneinsparungen während der Planungs- und Bauphase. Regulierung, langwierige Bewilligungsprozesse und Einsprachen verzögern aber auch solche Bauprojekte. Diese Herausforderungen können nur gemeinsam mit allen beteiligten Akteuren gelöst werden. Das sind Investoren und Eigentümer, Planer und Bauunternehmen, Nutzende, Verbände sowie Behörden und Politik.

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