Jörg Wolle, CEO DKSH im Interview

Jörg Wolle, CEO DKSH im Interview
DKSH-Präsident Jörg Wolle. (Foto: DKSH)

DKSH-CEO Jörg Wolle. (Foto: DKSH)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Wolle, trotz den Widrigkeiten in den Hauptmärkten hat DKSH seinen Umsatz um 2,7 % auf einen Rekordwert von 9,8 Mrd Franken gesteigert. Auf Basis konstanter Wechselkurse hätte der Umsatz um 7,1 % angezogen. Nach Steuern und Liegenschaftsverkäufen resultierte ein Gewinn von knapp 200 Mio Franken. Wie werten Sie das Resultat?

Jörg Wolle: 2014 war für DKSH ein Jahr, in dem wir in vielerlei Hinsicht mit einem sehr widrigen Marktumfeld konfrontiert waren. Wohl hatten wir ein schwieriges Umfeld erwartet, jedoch nicht, dass 2014 ‒ in meiner ganz persönlichen Beurteilung ‒ zum anspruchsvollsten Jahr seit der Fusion 2002 werden würde. Dennoch konnten wir Wachstum und Marktanteilsgewinne realisieren, was einmal mehr die Robustheit des DKSH-Geschäftsmodells unterstreicht.

Für Gegenwind sorgte vor allem die wirtschaftliche Krise im DKSH-Hauptmarkt Thailand, wo das BIP nur um 0,7 % zuzulegen vermochte. Sind die dortigen Schwierigkeiten einzig auf die politische Krise zurückzuführen?

In erster Linie ja: die lang anhaltenden politischen Unruhen in Thailand führten zu Reisewarnungen verschiedener Länder an ihre Bürger und damit zu merklich weniger Touristen. Zusätzlich resultierte aus einer für mehr als sechs Monate gelähmten Übergangsregierung ein Rückgang des Konsumentenvertrauens und damit der Konsumausgaben, der Exporte sowie der ausländischen und inländischen Investitionen. Unser Geschäft wurde somit vor allem durch die geringere Nachfrage nach margenstarken Luxusgütern und Lifestyle-Produkten sowie Konsumgütern und auch tieferen Investitionen im Industriesektor beeinträchtigt.

«Ganz grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Wachstumsperspektiven in unseren Märkten und die Attraktivität unseres Geschäftsmodells weiterhin gut sind.»
Jörg Wolle, CEO DKSH 

DKSH geht davon aus, dass die Krise in Thailand nun überwunden ist. Ist die Entwicklung angesichts der tief verankerten gesellschaftlich-politischen Probleme aber nicht nach wie vor sehr ungewiss?

Vor dem Hintergrund der erwarteten steigenden Konsumausgaben und Touristenzahlen, erhöhter Infrastrukturinvestitionen und zunehmender Exporte, sagen führende Finanzinstitutionen für Thailand wieder ein Wirtschaftswachstum im mittleren einstelligen Bereich für 2015 voraus. Dies sollte sich positiv auf unser Geschäft auswirken.

Die Abschwächung des Yen, politische Unruhen in Hongkong, sinkende Nachfrage nach Luxusgütern in China – es war kein leichtes Jahr für DKSH. Welche Entwicklungen machen Ihnen im Gegenzug Mut auf ein weiterhin hohes Marktwachstum?

Aus heutiger Sicht gehen wir davon aus, dass sich unsere wichtigsten Märkte – nicht nur Thailand – 2015 besser als im Vorjahr entwickeln werden. Ganz grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Wachstumsperspektiven in unseren Märkten und die Attraktivität unseres Geschäftsmodells weiterhin gut sind. Wir profitieren von drei wichtigen Wachstumstreibern: Erstens von der anhaltenden wirtschaftlichen Dynamik in unseren Kernmärkten, getrieben durch die rasch an Bedeutung gewinnende Mittelschicht. Zweitens vom stark zunehmenden innerasiatischen Handel und drittens von der zunehmenden Fokussierung grosser wie kleiner Unternehmen auf ihre Kernkompetenzen und damit von der steigenden Nachfrage nach Outsourcing. DKSH wird daher den Kurs des langfristig nachhaltig profitablen Wachstums beibehalten.

Welche Produkte und Dienstleistungen Ihrer Geschäftseinheiten Konsumgüter, Healthcare, Spezialrohstoffe und Technologie wurden im vergangenen Jahr mehr, welche weniger nachgefragt?

Gut entwickelt hat sich die Geschäftseinheit Healthcare. Sie erzielte mit einem Anstieg des Nettoumsatzes auf 4.7 Milliarden Franken das höchste Wachstum innerhalb der DKSH Gruppe im Jahr 2014. Schwieriger war das Jahr für die Geschäftseinheit Technologie. Obwohl wir auch dort in den meisten Kernmärkten eine positive Nettoumsatzentwicklung verzeichnen konnten, wurde das Geschäft ausgebremst von der Situation in Thailand, wo staatliche und privatwirtschaftliche Ausgaben in Neuprojekte für Investitionsgüter zum Stillstand kamen.

«Wenn sogar asiatische Unternehmen für den Vertrieb und Distribution ihrer Produkte im Heimatmarkt auf DKSH setzen, ist das für uns die höchste Auszeichnung.»

Erwarten Sie in den verschiedenen Bereichen in den nächsten Jahren grössere Verschiebungen?

Unser nachhaltiger Erfolg ist auf eine klare Strategie und deren konsequente Umsetzung zurückzuführen. Unser Ziel ist es, in allen Regionen und Geschäftseinheiten profitabel und in erster Linie organisch zu wachsen – durch den Ausbau des Geschäfts mit bestehenden Herstellern und Kunden, durch die Multiplikation von Erfolgsgeschichten über Länder hinweg und durch die Gewinnung neuer Geschäftspartner. Wir ergänzen das organische Wachstum durch kleinere Arrondierungsakquisitionen –  im vergangenen Jahr beispielsweise haben wir zwei solcher Akquisitionen getätigt, mit denen wir die kontinuierliche Konsolidierung der schnell wachsenden, jedoch stark fragmentierten Branche der Marktexpansionsdienstleister weiter vorantreiben konnten.

Wie präsentiert sich die geographische Herkunft Ihrer Kunden?

Wir sind stolz, dass mittlerweile rund 30% unserer wichtigsten Hersteller aus Asien kommen. Aus Europa stammen rund 40% und aus den USA die restlichen 30%. Insgesamt hat der innerasiatische Handel für DKSH in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Wenn sogar asiatische Unternehmen für den Vertrieb und Distribution ihrer Produkte im Heimatmarkt auf DKSH setzen, ist das für uns die höchste Auszeichnung.

Nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses wurden erneut Stimmen laut, dass sich die hiesige Wirtschaft u.a. stärker auf Asien ausrichten sollte. Was würden Sie Schweizer KMU raten, die sich mit entsprechenden Plänen befassen?

Viele Leute denken zuerst an China oder Indien, wenn sie Asien hören. Die Wichtigkeit der ASEAN-Staaten – der Verbund der südostasiatischen Länder wie Thailand, Singapur, Malaysia, Vietnam, Kambodscha oder Myanmar – wird dabei oft unterschätzt. Bereits heute wäre ASEAN als Staat die siebtstärkste Wirtschaft der Welt. Führende Institute prognostizieren, dass ASEAN bis 2030 an dritter Stelle weltweit sein wird. Diese Länder entwickeln sich gerade von den sogenannten verlängerten Werkbänken des Westens zu eigenen, starken Binnenmärkten. Und das ist erst der Anfang: Ende 2015 werden mit der Gründung der ASEAN Economic Community die Weichen für einen gemeinsamen Markt gestellt. Das ist ein Potential, das viele Schweizer und westliche Firmen noch nicht ausgeschöpft haben. Wir bei DKSH können ihnen dabei helfen.

«Die Wichtigkeit der ASEAN-Staaten – der Verbund der südostasiatischen Länder wie Thailand, Singapur, Malaysia, Vietnam, Kambodscha oder Myanmar – wird oft unterschätzt.» 

Gerade für KMUs ist die Expansion nach Asien eine riesige Herausforderung. Wie kann DKSH diese Unternehmen unterstützen?

DKSH fungiert als „Türöffner“ in Asien. Wir unterstützen und begleiten Unternehmen beim Markteintritt und Ausbau der Marktanteile in anspruchsvollen asiatischen Märkten. Dazu stellen wir ihnen unsere Marktkenntnisse, Erfahrung und Beziehungen vor Ort zur Verfügung und bieten ein umfangreiches Portfolio an Dienstleistungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette an. Unser Angebot ist massgeschneidert auf die Bedürfnisse von Herstellern und Kunden, aber zugleich voll integriert aus einer Hand: Von der Beschaffung von Rohmaterialien, Marketing, Vertrieb, flächendeckende Distribution und Feinverteilung bis hin zu Inkasso und Kundendienst.

Gemäss einer neuen Studie kann Ihre Branche bis 2019 mit einer jährlichen Wachstumsrate von 7,4 % rechnen. Von welcher Entwicklung gehen Sie für DKSH im laufenden und im nächsten Jahr aus?

Auf Basis konstanter Wechselkurse erwarten wir im Jahr 2015 weiterhin ein dynamisches Nettoumsatzwachstum und ein zweistelliges EBIT-Wachstum.

«Wir haben die Globalisierung mitgeprägt – lange bevor der Begriff erfunden wurde.»

DKSH feiert 2015 das 150-Jahr-Jubiläum: 1865 gründete Hermann Siber mit Caspar Brennwald in Yokohama/Japan die Handelsgesellschaft Siber & Brennwald. Was hat DKSH heute noch für Gemeinsamkeiten mit dem damaligen Handelshaus?

Seit der Fusion der beiden Traditionshäuser Diethelm Keller und SiberHegner zu DKSH im Jahr 2002 haben wir das Geschäftsmodell des Handelshauses komplett überarbeitet und sind heute der führende Dienstleister für Marktexpansion in Asien. Unsere lange Geschichte ist dabei ein grosser Vorteil: DKSH ist heute das ausländische Unternehmen mit der längsten ununterbrochenen Präsenz in Japan. Auch in anderen asiatischen Märkten – beispielsweise in Singapur oder Thailand – sind wir seit weit über hundert Jahren aktiv und haben unsere Marktstellung mit der Zeit erfolgreich ausgebaut. Die Geschichte von DKSH – vom Ursprung 1865 in Yokohama zum heutigen führenden Marktexpansionsdienstleister in Asien – ist somit Sinnbild für eine erfolgreiche Globalisierung „Swiss Made“. Wir haben die Globalisierung mitgeprägt – lange bevor der Begriff erfunden wurde.

Herr Wolle, herzlichen Dank für das Interview.

Das SibnerHegner-Building in Yokohama um 1865, der erste Firmensitz der heutigen DKSH. (Foto: DKSH)
Das SibnerHegner-Building in Yokohama um 1865, der erste Firmensitz der heutigen DKSH. (Foto: DKSH)

Persönliche Daten
Dr. Jörg Wolle wurde 1957 in Sachsen, Deutschland, geboren. Er hat die deutsche und Schweizer Staatsbürgerschaft und lebt seit 1995 in der Schweiz.

Berufliche Laufbahn
Dr. Jörg Wolle stiess 1988 als Manager International Projects zur schwedischen SKF-Gruppe, dem weltweit führenden Kugellagerhersteller. Er rekrutierte und leitete eine vielseitige und kulturübergreifende Projektgruppe, die gegründet wurde, um das Unternehmen in Ländern mit hohen politischen, ökonomischen und kulturellen Markteintrittsbarrieren wie Russland, China, Indien, Pakistan, Iran und Jugoslawien zu etablieren. 1991 wechselte Dr. Jörg Wolle als Director Marketing & Sales zu SiberHegner Co. Ltd. in Hongkong. Von 1991 bis 1994 war er mit der Erweiterung des Netzwerks in den Bereichen Marketing, Verkauf, Dienstleistung und Anwendungsentwicklung in China und Vietnam sowie dem Umbau des Handelshauses in den Philippinen betraut. 1995 wurde Dr. Jörg Wolle zum Mitglied des Verwaltungsrats von SiberHegner ernannt und verlegte seinen Wohnsitz in die Schweiz. Anfang 2000 wurde er CEO und Delegierter des Verwaltungsrats der SiberHegnerGruppe. Er verantwortete die Reorganisation und einen schnellen, beachtlichen Turnaround des Schweizer Handelshauses, der zum Zusammenschluss mit der Diethelm Keller Services Asia zur DKSH-Gruppe führte.

Seit Juni 2002 ist Dr. Jörg Wolle CEO und Delegierter des Verwaltungsrats der DKSH-Gruppe.

Weitere Tätigkeiten und Mandate
Dr. Jörg Wolle ist Honorar-Professor für Intercultural Communication an der Westsächsischen Hochschule Zwickau. Er ist Vize-Präsident des Verwaltungsrates der Kühne + Nagel International AG, Schweiz, und Mitglied des Verwaltungsrats der Diethelm Keller Holding AG, Schweiz. Dr. Jörg Wolle ist ebenfalls Mitglied des Aufsichtsrats von Louis Dreyfus Commodities BV in Amsterdam. Von 2006 bis 2009 war er Mitglied des Verwaltungsrats der UBS AG in der Schweiz, von 2007 bis 2014 im Präsidium des Ostasiatischen Vereins.

Ausbildung
Dr. Jörg Wolle schloss sein Maschinenbaustudium an der Technischen Universität Chemnitz 1983 mit dem MSc ab und promovierte 1987 zum Dr. Ing. Von 1993 bis 1994 absolvierte Wolle das Program for Executive Development an der privaten Wirtschaftshochschule IMD (International Institute for Management Development) in Lausanne und besuchte 1998 das Stanford Executive Program der Stanford University in Palo Alto, Kalifornien (USA).

2 thoughts on “Jörg Wolle, CEO DKSH im Interview

  1. was für Möglichkeiten gäbe es,mit Herrn Wolle persönlich zu korrespondieren?Schriftlich oder auch telefonisch wären sicherlich zwei Optionen!Über eine Antwort wäre ich sehr glücklich.

    Mit freundlichen Grüßen
    H.Gürtler

    Tel.-Nr. 0049 15157784996

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