Marc Ritter, CEO AEW Energie AG, im Interview

Marc Ritter, CEO AEW Energie AG, im Interview
Marc Ritter, CEO AEW Energie AG. (Foto: zvg)

von Bob Buchheit

Moneycab: Herr Ritter: Die AEW Energie beteiligte sich auf Ende 2023 zu 50 Prozent an der GA-Werkstatt.ch (GAW). Damit soll ein landesweit führender Anbieter von ganzheitlichen Energielösungen im Gebäudemanagement für Geschäftskunden entstehen. Werden Sie damit auch wesentlich im Tessin und in der Romandie aktiv?

Marc Ritter: Grundsätzlich haben wir das Ziel, die GAW zu einem landesweiten Anbieter zu entwickeln. Kurz- und mittelfristig liegt der Fokus in der Deutschschweiz. Kunden mit einer nationalen Präsenz bedienen wir gerne auch in der ganzen Schweiz.

Die GAW soll künftig die Funktion eines Energie-Generalunternehmens übernehmen. Können die Lösungen auch für Stockwerkseigentümer interessant sein?

Grundsätzlich sollte ein Gebäude oder ein Areal ganzheitlich betrachtet werden, denn nur so kann technisch und wirtschaftlich eine optimale Lösung gefunden werden. Wenn aber eine Stockwerkeigentümerschaft gemeinsam das Thema Energie angehen möchte, stehen wir gerne mit unserem Know-how zur Verfügung. Grundsätzlich werden wir unser Angebot im Bereich Gebäudemanagement auf Geschäftskunden und Geschäftsliegenschaften ausrichten.

«Grundsätzlich werden wir unser Angebot im Bereich Gebäudemanagement auf Geschäftskunden und Geschäftsliegenschaften ausrichten.»
Marc Ritter, CEO AEW Energie AG, im Interview

Das energetisch vernetzte Gebäude (smart home) ist immer mehr im Kommen. Ist das alles so einfach, wie es auf dem Reissbrett erscheint?

Hier muss man sicherlich zwischen den Anforderungen von Geschäfts- und Wohnliegenschaften differenzieren. Je nach Gebäude ist es zwar anspruchsvoll, die geeigneten Massnahmen zu planen. Aber das heutige Angebot und die Fortschritte, etwa in der Digitalisierung, bieten für die meisten Anforderungen eine Lösung.

Wie wird bei der AEW Kälte geliefert?

Die Kälte wird genau gleich wie Wärme mit effizienten Anlagen, analog Wärmepumpen, zentral oder dezentral produziert. Ebenfalls betreibt die AEW-Anlagen mit freier Kühlung, dabei wird die Kälte nicht aktiv produziert, sondern aus Oberflächengewässer, Grundwasser oder der Erde gewonnen. Die Anlagen werden von unseren Technikern rund um die Uhr betreut. Störungen oder Ausfälle der Produktion werden sofort registriert und behoben. Bei Nah- oder Fernkälte wird die ökologisch produzierte Energie in ein Fernleitungsnetz eingespeist, welche unterirdisch bis ins Haus führt. Im Haus ist eine Übergabestation eingebaut.

Das Vorantreiben des Ausbaus der Fernwärmeversorgung gehört zu den energiepolitischen Zielen von AEW. Hilft Ihnen da die Topographie des Kantons?

Ausschlaggebend ist mehr noch die Bebauung des Kantons. Wir versorgen im Aargau und den angrenzenden Kantonen über 15’000 Haushalte mit erneuerbar erzeugter Wärme und Kälte. Das Portfolio reicht dabei vom Mehrfamilienhaus oder Gewerbefläche bis zu der Versorgung ganzer Gemeinden beziehungsweise Städte. Im Kanton Aargau ist die Fülle an Abwärme-produzierenden Industriebetrieben, Gewässern und gut erschlossenen Wäldern sowie Altstadtgebieten wie in Bremgarten, Rheinfelden oder Zurzach interessant. Der Bau der Leitungen in diesen Gemeindegebieten ist aber äusserst anspruchsvoll und teuer, unter anderem wegen der Dichte an anderen Gewerken und teuren Oberflächen, wie zum Beispiel Pflästerungen. Kleine Gemeinden mit geringer Bebauungsdichte sind hingegen für den Energieversorger kaum wirtschaftlich zu erschliessen.

«Mehr noch als die Topographie ist die Bebauung des Kantons für den Ausbau der Fernwärmeversorgung ausschlaggebend.»

Ab einer Dachfläche von tausend Quadratmetern bietet die AEW Photovoltaik-Contracting an, das heisst: Gebäudebesitzer werden für die Flächennutzung entschädigt. Wie viele dieser WIN-WIN-Kleinkraftwerke wurden bisher von Ihnen erstellt?

Die AEW betreibt Ende 2023 neunzig eigene PV-Anlagen mit einer Summenleistung von rund 30 MWp. 80 der bestehenden Anlagen werden im Photovoltaik-Contracting, die anderen Anlagen werden auf AEW-eigenen Gebäuden betrieben. Das Ziel ist der Zubau bis 2030 auf 98 MWp.

«Ziel ist ein Photovoltaik-Zubau der Zubau bis 2030 auf 98 MWp.»

Rund 70 Prozent des Aargauer Strombedarfs werden durch die 25 grossen und mittleren Wasserkraftwerke im Kanton gedeckt. Die Wasserstrompreise sind deutlich rückläufig. Vor- oder Nachteil?

Einen spezifischen Wasserstrompreis in diesem Sinne gibt es nicht. Für den Kunden in der Grundversorgung ist dies weder ein Vor- noch ein Nachteil, da die Gestehungskosten in die Berechnung anhand der Durchschnittspreismethode einfliessen. Bei der Durchschnittspreismethode ist die Kostenbasis ein anteiliges Verhältnis aus der Eigenproduktion und der externen Beschaffung am Grosshandelsmarkt.

Trotz des hohen Anteils an Wasserkraftwerken besteht der AEW-Strommix zu 40 Prozent aus Atomkraft. Ich nehme an, er wird bis auf weiteres stabil bleiben…

Aus Sicht Produktionsmix stimmt die Aussage. Der Stromliefermix setzt sich allerdings anders zusammen. Die Kunden bestimmen mit dem Kauf von Herkunftsnachweisen, welchen Qualitätsmix sie bestellen. Und dadurch macht Kernenergie zum Beispiel im Jahr 2022 noch 21,93% aus.

Auf Ihrer Homepage werben Sie stark für neue Mitarbeiter. Herrscht in Ihrer Branche Fachkräftemangel?

Der Fach- respektive Arbeitskräftemangel ist vermutlich in vielen Branchen zu spüren. Auch wir spüren den Fachkräftemangel. Nicht in allen Jobprofilen – es gibt Fachbereiche, bei denen Vakanzen sehr schnell wieder besetzt werden können. Aber gerade in technischen oder handwerklichen Berufen dauert es etwas länger, bis offene Stellen besetzt werden können. Die AEW gehört allerdings zu den gefragten Arbeitgebern. Wir wurden auf kununu, einem der beliebtesten Arbeitgeberportale, als Top Company 2024 ausgezeichnet. Es besteht daher zu keiner Zeit ein Fachkräftemangel bei der AEW, der die Stromversorgung respektive ihr Kerngeschäft gefährden würde.

Der Elektrikerberuf ist ja sehr abwechslungsreich. Wie sieht es auf der finanziellen Seite aus?

Die AEW bewegt sie sich in allen Bereichen leicht über dem Durchschnitt. Sie überprüft ihr Lohnsystem regelmässig und vergleicht die Löhne sowohl innerhalb der Branche als auch ausserhalb.

Was bedeuten die vielen Niederschläge im späten Herbst und frühen Winter für die Strommangellage?

Die Versorgung mit Strom ist gegenwärtig sichergestellt. Alle Schweizerischen Kernkraftwerke sind am Netz. Die Füllstände der Speicherseen der Schweiz befinden sich aktuell in der Grössenordnung des langjährigen Medians. Die Stromproduktion aus unseren Flusskraftwerken bewegt sich aufgrund der hohen Niederschläge nach wie vor deutlich oberhalb des langjährigen Durchschnitts.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert