Marc Stoffel, CEO Haufe-umantis AG, im Interview

Marc Stoffel, CEO Haufe-umantis AG, im Interview
Marc Stoffel, CEO Haufe-umantis AG. (Foto: pd)

Marc Stoffel, CEO Haufe-umantis AG. (Foto: pd)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Stoffel, Sie sind CEO der Haufe-umantis AG – wie die gesamte Geschäftsführung und das mittlere Management gewählt von den Mitarbeitern des Unternehmens. Warum tun Sie das?

Marc Stoffel: Wir glauben, dass ein Hebel für den Erfolg einer Unternehmung die Mitarbeitenden sind. Darum beziehen wir sie bei wichtigen Entscheiden mit ein. Dies nicht nur bei der Wahl des Managements, sondern auch bei der Definition von Strategie, Zielen und Massnahmen. Der Markt und die Anforderungen an Unternehmen verändern sich heute schnell. Unternehmen müssen agil sein, um darauf zeitnah reagieren zu können. Viele haben dafür jedoch zu starre, streng hierarchische Strukturen. Ideen von Mitarbeitenden an der Front gelangen oft gar nie bis zum Entscheider, der vier Hierarchiestufen höher ist. Wir sind überzeugt, dass solche Unternehmen ein agileres, also mehr mitarbeitereinbezogenes «Betriebssystem» benötigen, um künftig wettbewerbsfähig zu bleiben.

Darauf kommen wir zurück. Zunächst: Mit welchen Gefühlen stellt man sich so einer Wahl?

Die Idee der Wahl ist, die idealen Kandidaten für das Management zu finden, um die gemeinsam definierte Strategie umzusetzen. Wer die besten Voraussetzungen für eine solche Position mitbringt, wird gewählt. Ich bin in der Position des CEOs, weil die Mitarbeitenden bisher an mich glaubten und ich hoffe das Vertrauen auch künftig zu bekommen.

«Ich bereite vielmehr den Weg für meine Mitarbeitenden, als dass ich Befehle erteile und kontrolliere.»
Marc Stoffel, CEO Haufe-umantis AG

Lässt es sich dank demokratischer Legitimation einfacher führen?

Die Mitarbeitenden wählen das Management und stehen dazu. Das gibt eine gewisse Bestätigung. Hinzu kommt, dass bei uns viele Projekte von Mitarbeitenden verschiedener Stufen geleitet werden. Die Führungsrolle ist also eine andere als in klassisch geführten Unternehmen. Ich bereite vielmehr den Weg für meine Mitarbeitenden, als dass ich Befehle erteile und kontrolliere.

Haben denn alle Mitarbeitenden die nötige Kompetenz, um zu wissen, was für das Unternehmen das Beste ist?

Bestimmt variiert das von Unternehmen zu Unternehmen. Bei Haufe-umantis bin ich überzeugt, können die Mitarbeitenden das beurteilen. In Unternehmen mit einem grösseren Wissensgefälle kann ich mir vorstellen, dass Mitarbeitende zumindest ihren direkten Vorgesetzten wählen können und sollten. Denn eine Studie der Universität Bochum zeigt, dass 56 Prozent der befragten Angestellten den Chef als grössten Störfaktor ansehen und jeder Siebte seinen Boss am liebsten rauswerfen würde. Was das für Auswirkungen auf die Motivation und Leistung hat, ist selbsterklärend.

Wie viel Einbezug der Mitarbeitenden ist denn sinnvoll? Wo sind die Grenzen?

Das ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Es hängt ab von Rahmenbedingungen wie der Unternehmenskultur, Strukturen, Technologien etc.. Ein Beispiel: bei unserem Kunden Carglass, den wir im Prozess zu mehr Transparenz in der Personalführung, mehr Buttom-up-Prozessen und stärkerer Beteiligung der Mitarbeitenden beratend begleitet haben, wurden alle 2200 Mitarbeitenden in entwicklungsrelevante Personalprozesse eingebunden. Mitarbeitende sind heute aktiv an der Gestaltung ihrer Entwicklung im Unternehmen beteiligt. Und die Rollen-Ziele wie beispielsweise die des HR-Leiter sind für sein Team transparent und sollen zu Anregungen und Feedback einladen.

«Mitarbeitende sind wertvolle Wissenslieferanten und dazu oftmals näher am Kunden und am Marktgeschehen als ihre Vorgesetzten.» 

Welchen Wettbewerbsvorteil bringt der mitarbeiterzentrierte Führungsansatz?

Mitarbeitende sind wertvolle Wissenslieferanten und dazu oftmals näher am Kunden und am Marktgeschehen als ihre Vorgesetzten. Ihr Wissen zu nutzen ist ein Wettbewerbsvorteil gegenüber allen, die das nicht tun. Gerade beim Recruiting hilft die Weiterempfehlung der Mitarbeitenden beim Besetzen von offenen Stellen. Ein weiterer Vorteil kann entstehen, wenn Mitarbeitenden mehr Verantwortung abgegeben wird und sie ermächtigt werden, ein Projekt zu führen. Mitarbeitende die das wollen, sind motivierter und zeigen bessere Leistung als wenn sie nur ausführen.

Wahrscheinlich ist Haufe-umantis das einzige so stark mitarbeiterzentrierte Unternehmen in der Schweiz. Wie viele Unternehmen verfolgen Ihrer Erfahrung nach einen mitarbeiterzentrierten Führungsansatz?

Es gibt einige Unternehmen in der Schweiz, die einen mehr oder weniger ausgeprägten mitarbeiterzentrierten Führungsansatz verfolgen. Beim Gewinner des ersten Platz’ am Great Place to Work-Award, der Mundi Pharma Medical Company, wird gar auf den Chef verzichtet und alles gemeinsam entschieden. Mitarbeitende wollen heute tendenziell mehr mitentscheiden als früher und tun dies auch auf verschiedenen Ebenen. Das Problem ist, dass der Rahmen dafür oft noch nicht gegeben ist.

Zurück zu «Unternehmen benötigen ein neues Betriebssystem»: Wie schaffen Unternehmen den Wandel von der stark hierarchischen Struktur hin zur agileren mit mehr Mitarbeitereinbindung?

Zunächst braucht es die Erkenntnis, dass die Organisationsstruktur suboptimal ist und den Willen etwas zu verändern. Der nächste Schritt ist, geeignete Partner ins Boot zu holen, mit denen Zieldefinition, Strategie und Massnahmen definiert und in Stufen umgesetzt und verankert werden. Wichtig bei diesem Prozess ist, dass Mitarbeitende von Anfang an miteinbezogen werden und ihre Inputs einfliessen. Dies schafft die nötige Akzeptanz.

«Durch die Digitalisierung wurden Transparenz und Eigenverantwortung viel wichtiger.»

Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf neue Organisationsmodelle?

Durch die Digitalisierung wurden Transparenz und Eigenverantwortung viel wichtiger. Organisationen sollten entsprechend aufgebaut sein und diese Entwicklung in den Strukturen und Prozessen widerspiegeln. Besonders wichtig dabei ist, dass Führungskräfte den unterschiedlichen Mitarbeiter-Typologien gerecht werden und sie bei Entscheidungen mit einbeziehen. So wandeln sich Vorgesetzte vom Entscheider zum Moderator und Stimulator von Netzwerkstrukturen.

Wie stark sind die Talent Management Lösungen von Haufe-umantis von der mitarbeiterzentrierten Philosophie des Unternehmens geprägt?

Technologie und Tools wie Umantis Talent Management unterstützen und vereinfachen die Zusammenarbeit und Abläufe zwischen HR, Management und Mitarbeitern. Durch Themen wie Team-Recruiting oder eigenverantwortliche Zielvereinbarungen unterstützen wir mit unserer Software als einziger Anbieter weltweit mitarbeiterzentrierte Organisationsformen.

Herr Stoffel, besten Dank für das Interview.

Zur Person:
Marc Stoffel ist seit 2013 Geschäftsführer der Haufe-umantis AG – der CEO wird jährlich von seinen Mitarbeitenden gewählt. Unter der Leitung von Stoffel stieg die Kundenanzahl von 300 auf 1000, wodurch das Unternehmen zu einem der weltweit führenden Anbieter von Talent Management Software wurde. Den Grundstein seiner Karriere setzte Marc Stoffel mit dem Studium der Wirtschaftsinformatik an der Universität Liechtenstein und einem MBA in Entrepreneurship. Mit seiner Diplomarbeit gewann er 2007 den Hilti-Förderpreis für die innovativste MBA-Diplomarbeit.

Zum Unternehmen:
Im Jahr 2000 wurde die umantis AG, ein Spin-Off von HSG und ETH in St. Gallen gegründet. Seit März 2012 gehört sie zur deutschen Haufe Gruppe. Heute sind am Hauptsitz in St. Gallen und in Deutschland über 150 Mitarbeitende beschäftigt. Die Haufe-umantis AG zählt zu den führenden Anbietern von Talent Management Lösungen. Umantis Talent Management vereinfacht die Abläufe Mitarbeitergewinnung, -Gespräche und -Entwicklung sowie die Zusammenarbeit von HR, Management und Mitarbeitenden. Weltweit arbeiten über 1’000 Kunden damit. In der Schweiz u.a. Migros, PricewaterhouseCoopers und die Bundesverwaltungen.
Die Haufe Gruppe, im Jahr 1951 gegründet, mit Hauptsitz in Freiburg beschäftigt heute über 1’500 Mitarbeitende im In- und Ausland. Der ehemalige Fachverlag (95 Prozent Verlagsgeschäft) hat sich in den letzten Jahren erfolgreich gewandelt und bietet heute innovative Lösungen für das HR-Management: Beratung, Schulung, Softwares (u.a. umantis Talent Management) und Fachinhalte (nur noch 5 Prozent) rund um die Organisationsentwicklung. Haufe begleitet Unternehmen wie Infineon und Carl Zeiss im Wandel und stellt dabei nach dem Motto «Der grösste Hebel für wirtschaftlichen Erfolg sind Menschen, die das Richtige tun» den Menschen ins Zentrum des unternehmerischen Handelns. Rund 100’000 Unternehmen wie Airbus, BMW Group und Siemens arbeiten mit Lösungen von Haufe. Die Gruppe erzielte im Geschäftsjahr 2014 einen Umsatz von über 266 Mio. Euro.

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