Marc von Waldkirch, CEO Sensirion, im Interview

Marc von Waldkirch, CEO Sensirion, im Interview
Sensirion-CEO Marc von Waldkirch. (Foto: Sensirion)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr von Waldkirch, Sensirion hat im ersten Halbjahr den Umsatz um fast 36 Prozent auf 114 Mio Franken steigern können. Rund zwei Drittel des Wachstums gehen auf das Konto von Gasflusssensoren, die bei der Herstellung von Beatmungsgeräten benötigt werden. Können Sie uns die Aufgabe dieser Sensoren erklären?

Marc von Waldkirch: Die Beatmung ist ein überaus komplexes und anspruchsvolles Feld in der modernen Medizin. Die Sensorlösungen von Sensirion messen dabei exakt und zeitaufgelöst, wieviel Atemluft in den Patienten hineinfliesst und wiederheraus. Mittels dieser Informationen kann das Beatmungsgerät die Atmungs-Unterstützung optimal den Bedürfnissen des Patienten anpassen.

Für wie viele Beatmungsgeräte konnten Sensoren ausgeliefert werden?

Dank dem grossartigen Einsatz zahlreicher Mitarbeitenden ist es uns gelungen, sehr kurzfristig die Kapazitäten für die Sensoren von Beatmungsgeräte um grob einen Faktor 10 zu steigern. Mit einem signifikanten Marktanteil bei Flusssensoren fühlten wir uns speziell verpflichtet, auf diese kurzfristigen Bestellungen möglichst agil zu reagieren und damit einen wichtigen Beitrag zur Milderung der negativen Folgen der Pandemie zu leisten.

Wie konnte die massiv höhere Nachfrage so kurzfristig bewältigt werden?

Die DNA von Sensirion besteht aus Innovation und einem sehr agilen und unternehmerischen Teamspirit. Dies und noch mehr zeichnet Sensirion seit der Gründung aus. Als anfangs März die Nachfrage nach Beatmungsgeräten explosionsartig zunahm, haben alle Mitarbeitenden die Dringlichkeit sofort erkannt und zahlreiche Extrameilen gemacht, um dies zu ermöglichen. Es war eine grossartige Teamleistung, vieler Beteiligter, aus allen Abteilungen weltweit.

«Als anfangs März die Nachfrage nach Beatmungsgeräten explosionsartig zunahm, haben alle Mitarbeitenden die Dringlichkeit sofort erkannt und zahlreiche Extrameilen gemacht, um dies zu ermöglichen.»
Marc von Waldkirch, CEO Sensirion

Bis wann rechnen Sie mit einer Normalisierung der Nachfrage in diesem Bereich?

Wir gehen aktuell davon aus, dass der Peak an Auslieferungen im Q2 und Q3 erfolgt und dass sich anschliessend die Situation bis Ende Jahr normalisiert. Die Lage bleibt aber weiterhin volatil und stark vom weiteren Verlauf der Pandemie abhängig.

Bereits im April hat Sensirion einen neuen, für Beatmungsanwendungen optimierten und in hohen Volumen verfügbaren Durchflusssensor zur Marktreife gebracht. Wie lässt sich die Innovationsfähigkeit während hohem Produktionsdruck und gleichzeitig strengen Sicherheits- und Hygienemassnahmen aufrechterhalten?

Dies war definitiv eine grosse Herausforderung! Glücklicherweise war ein solch neuartiges Produkt für Beatmungsgeräte bereits vor der Pandemie geplant. Wir haben jedoch die Fertigstellung des Projektes signifikant beschleunigt, sodass wir der hohen Nachfrage gerecht werden konnten. Auch dies ging nur dank unserer Firmenkultur und dem ausgeprägten Teamspirit.

Trotz einer weltweiten Wirtschaftskrise hat Sensirion auch ohne den Schub durch die Coronapandemie über 10 Prozent zugelegt. Was führte unter anderem zum Wachstum im sonst kriselnden Automobilmarkt?

Wir konnten besonders von einem Ramp-up mit der neuen Produktelinie «Feinstaubsensorik (PM2.5)» im koreanischen Markt profitieren. Dieses Modul überwacht die Feinstaubkonzentration in der Innenluft und optimiert die Lüftung so, dass eine ideale Luftqualität für die Passagiere sichergestellt wird. Dieser Ramp-up kompensierte die Covid-19-bedingte reduzierte Nachfrage im bestehenden Automotive-Business.

«Wir konnten besonders von einem Ramp-up mit der neuen Produktelinie «Feinstaubsensorik (PM2.5)» im koreanischen Markt profitieren.»

Entgegen der allgemeinen Entwicklung resultierte auch im Industriemarkt ein Plus von 5,4 Prozent. Was trieb hier das Geschäft an?

Das Neugeschäft mit CO2- und PM2.5-Sensoren für Anwendungen in Haushaltsgeräten waren die Haupttreiber der Umsatzsteigerung. Erfreulicherweise erwies sich zudem die allgemeine Nachfrage im breit diversifizierten Industriemarkt bislang als relativ robust gegenüber COVID-19-Einflüssen. Wir gehen aber davon aus, dass ein Teil der Nachfrage im ersten Halbjahr dem Lageraufbau in unsicheren Zeiten diente.

Die Industrie blickt mit Sorgen in die nächsten Monate. Rechnen auch Sie mit einem Rückgang Ihrer Absätze im Industriebereich?

Die Marktlage bleibt weiterhin sehr volatil und die Variabilität ist gering. Eine Prognose, wie sich die einzelnen Absatzmärkte entwickeln, ist aktuell «Kaffesatz-Lesen».

Projekte mit Feuchtigkeitssensoren trieben das Wachstum im Consumermarkt an. Wo speziell kommen diese Sensoren zum Einsatz?

Im Bereich Consumer drehen sich viele Anwendungen um das «Internet der Dinge». Intelligente Gebäude (engl. Smart Homes) werden immer vernetzter und automatisierter, wobei Sensoren eine tragende Rolle spielen. Unsere Feuchtigkeitssensoren werden beispielsweise in Luftüberwachungsgeräten oder sogenannten «Smart Thermostats» eingesetzt, welche ein optimales Raumklima für die Bewohner ermöglicht. Neben erhöhtem Komfort bietet diese sensorgesteuerte Automatisierung auch eine erhöhte Energieeffizienz.

Um die steigende Nachfrage bedienen zu können, errichtet Sensirion eine Niederlassung im ungarischen Debrecen. Was gab den Ausschlag für diesen Standort?

Die ausgezeichnete Infrastruktur Debrecens, insbesondere die vorhandenen Bildungseinrichtungen wie die Universität und das System der Berufsschulen, kombiniert mit einer etablierten industriellen Basis, war für Sensirion der entscheidende Faktor, um dort eine neue Produktionsstätte in Ungarn zu errichten

Bereits im Juni haben Sie die Umsatzerwartungen für das Gesamtjahr auf 210 bis 230 Mio Franken erhöht und dies im August bestätigt. Gleichzeitig steigen die Corona-Fallzahlen in Europa und vielen anderen Gebieten der Welt wieder stark an. Wie schwierig ist eine Einschätzung der Entwicklung derzeit?

Angesichts der sich derzeit schnell verändernden Situation ist es sehr schwierig, einen verlässlichen Ausblick zu geben. Die globale Wirtschaftslage bleibt weiterhin durch ein angespanntes geopolitisches Umfeld wie auch durch die ungelöste Coronavirus-Pandemie fragil und herausfordernd.

Herr von Waldkirch, besten Dank für das Interview.

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