Marco Feusi, CEO HIAG, im Interview

von Robert Jakob
Moneycab.com: Herr Feusi, in Ihrem Halbjahresabschluss heben Sie besonders den Neubewertungserfolg in Höhe von 26,6 Millionen Franken hervor. Kennt der Schweizer Immobilienmarkt nur eine Richtung?
Marco Feusi: Von den 26,6 Millionen Franken an Aufwertungen entfiel mit 17,2 Millionen der Grossteil auf unsere Entwicklungsliegenschaften, weil wir wiederum sehr gute Fortschritte bei den Immobilienprojekten erzielen konnten. Hier rechnen wir zudem mit weiteren positiven Bewertungseffekten. Das Bestandportfolio wurde mit 9,4 Millionen respektive um 0.8% des Portfoliowertes aufgewertet. Die Wertänderung folgte dem aktuellen Markt, was man auch bei anderen Immobiliengesellschaften beobachten konnte und primär den gesunkenen Zinsen und Renditeerwartungen der Investoren geschuldet ist. Der aktuelle Transaktionsmarkt bestätigt diese Tendenz. Die Liegenschaften, welche wir im 1. Semester verkauft oder bereits beurkundet haben, wurden zu Preisen verkauft werden, die mehr als ein Viertel über den vom externen Bewerter geschätzten Marktwert liegen.
Der Halbjahresgewinn von 44,6 Millionen Franken (Vorjahreszeitraum: 36,2) lässt sich sehen. Das verführt zur Frage nach der Dividenden-Zielgrösse?
Wir halten an unserer bisherigen Dividendenpolitik fest und streben eine kontinuierlich steigende Ausschüttung an. Die letzte Dividende wurde um 20 Rappen, von CHF 3,10 auf CHF 3,30 Franken pro Titel erhöht. Im Rahmen der geschärften Strategie haben wir kommuniziert, dass wir über die Jahre eine Dividendenrendite von über 3,5 Prozent im Verhältnis zum Net Asset Value avisieren.
«Die Liegenschaften, welche wir im 1. Semester verkauft oder bereits beurkundet haben, wurden zu Preisen verkauft werden, die mehr als ein Viertel über den vom externen Bewerter geschätzten Marktwert liegen.»
Marco Feusi, CEO HIAG
Was sind die wichtigsten Elemente der geschärften Strategie?
Wir waren in den letzten Monaten nicht nur operativ erfolgreich, sondern wir haben aus einer Position der Stärke die gute Ausgangslage genutzt, eine Strategieschärfung von HIAG vorzunehmen. Im Grundsatz behalten wir das bewährte und wertschöpfungsstarke 3-Säulen-Geschäftsmodell mit den drei Geschäftsfeldern Projektentwicklung, Portfolio-/ Assetmanagement und Transaktionen. Diese werden aber neu gewichtet. Wir beabsichtigen einen beschleunigten Ausbau des Renditeportfolios und damit eine substanzielle Stärkung der Ertrags- und Dividendenbasis aus dem Bestandsportfolio.
Projektentwicklungen und Transaktion bleiben dabei starke Wachstums- und Ertragspfeiler und bringen attraktive Zusatzrenditen zum Bestandsgeschäft. In fünf Jahren streben wir einen Portfoliowert von rund 2,5 Milliarden Franken und einen jährlichen Mietertrag von 95 bis 100 Millionen an. Die Eigenkapitalrendite soll weiterhin durchschnittlich über sechs Prozent betragen.
Rund 40 Prozent der zwei Milliarden Ihres Portfolios sind Entwicklungsliegenschaften. Dennoch schafft HIAG eine Eigenkapitalrendite von 7,7 Prozent und das bei einer EKQ von 54,3 Prozent. Das ist sehr gut. Eigentlich könnten Sie ja den «Hebel» erhöhen oder ist mit dem anfangs Jahr aufgelegten Greenbond Ihr Finanzierungsbedarf erst einmal gedeckt?
Unsere Strategie basiert auf einer grundsoliden Bilanz mit hoher Finanzierungsflexibilität und Finanzierungssicherheit. Das können wir nur sicherstellen, wenn wir einen hohen Eigenfinanzierungs- und tiefen Verschuldungsgrad sicherstellen. Deshalb halten wir an unseren selbstdefinierten konservativen Grenzen mit minimal 50 Prozent Eigenkapitalquote und 45 Prozent Netto-LTV fest. Wir sind derzeit noch weit von diesen Schwellenwerten entfernt. Unser Capital-Recycling, in dem wir die Mittel aus dem Verkauf von nicht mehr strategiekonformen Liegenschaften wieder reinvestieren, zahlt sich aus. Wir erzielen einerseits beim Verkauf einen Gewinn und können durch die Reinvestition in unsere Entwicklungen erneut einen Gewinn in Form von Entwicklungsgewinnen erzielen. Anderseits schonen wir die Bilanz, da wir mit dieser Strategie weniger Fremdmittel aufnehmen müssen.
«Unser Capital-Recycling, in dem wir die Mittel aus dem Verkauf von nicht mehr strategiekonformen Liegenschaften wieder reinvestieren, zahlt sich aus.»
Mit «Chama» – Miet- und Eigentumswohnungen in Cham/Kanton Zug – bauen Sie ein Objekt in einem «Hotspot». Eine Wohnung kostet im Schnitt zwei Millionen. Ist da eine soziale Durchmischung noch möglich?
Wir bieten auf unserem Areal in Cham verschiedene Arten und Grössen von Wohnungen und entsprechend mit unterschiedlichen Preisen an. Die avisierten Verkaufspreise der Eigentumswohnungen und die Mieten der Mietwohnungen müssen sich grundsätzlich im marktüblichen Preissegment bewegen. Bereits in der ersten Bauetappe haben wir freiwillig einen wesentlichen Anteil der neu realisierten Wohnungen zu Kostenmiete nach dem Wohnraumfördergesetz des Kantons Zug zur Verfügung gestellt. Die Durchmischung des gesamten Quartiers wird dadurch gefördert. Das hat sich auch an unserem Arealfest gezeigt, welches wir vor ein paar Wochen organisierten und das bei den Bewohnerinnen und Bewohnern sowie den etlichen Gewebetreibenden auf dem Areal auf reges Interesse stiess.
Die sechs Gebäude von der zweiten Etappe «Chama» bestehen je aus Miet- und Eigentumswohnungen im Verhältnis 67 zu 73 Einheiten. Kann sich denn diese Aufteilung je nach Marktlage ändern?
Nein, wir halten an dieser Aufteilung fest. Diese wurde bereits Monate vor Baubeginn auf Basis von Marktanalysen und den Erfahrungen aus der ersten Bauetappe definiert. Damit stellen wir auch sicher, dass entsprechend den Produktvorgaben die Bauleistungen verlässlich eingekauft werden können und es zu keinen Überraschungen einer rollenden Planung kommen kann. Die Eigentumswohnungen stossen übrigens auf reges Interesse, was die derzeitige Reservationsquote von über 40 Prozent zeigt. Die Vermarktung der Mietwohnungen erfolgt Anfangs nächstes Jahr. Der Bezug aller Wohnungen ist im nächsten Herbst.
Sie sind ja dem Gewerbesektor gegenüber etwas vorsichtiger geworden. Hängt das auch mit dem Zollhammer zusammen?
Wir sind gegenüber dem Industriesektor vorsichtiger geworden. Einige Mieter aus diesem Sektor werden von den US-Zöllen betroffen sein, wie stark, ist schwierig zu sagen. Es sind aber nicht nur die US-Zölle, die einigen Unternehmen zusetzen, sondern bspw. auch die schwächelnde Automobilindustrie in Deutschland oder die Wirtschaftslage in China. Die Vergangenheit mit dem Frankenshock und der Corona-Krise hat jedoch gezeigt, dass die Schweizer Industrieunternehmen agil und innovativ sind. Der Anteil der Miete an den gesamten Betriebsaufwendungen ist bei Industrieunternehmen zudem vergleichsweise gering, üblicherweise bestehen auch langfristig laufende Mietverträge und daher sind die Möglichkeiten für Kostenoptimierungen limitiert.
«Einige Mieter aus dem Industriesektor werden von den US-Zöllen betroffen sein, wie stark, ist schwierig zu sagen.»
In Niederhasli, Kanton Zürich, entsteht eine gemischte Nutzung aus rund 250 Miet- und Eigentumswohnungen sowie grosszügige Gewerbe- und Dienstleistungsflächen. Nach Zürich-City sind es rund 15 Autokilometer. Wird das in Zukunft der neue Perimeter der Wirtschaftsmetropole der Schweiz sein?
HIAG investiert grundsätzlich nur an zukunftsfähige Standorte in den Agglomerationen von Gross- und Mittelzentren sowie für Gewerbe- und Logistiknutzungen entlang der Autobahnen. Unser Areal in Niederhasli stammt noch vom ursprünglichen Holzhandelsgeschäft der HIAG und liegt unmittelbar neben dem S-Bahnhof. Mit dem Zug erreicht man den Hauptbahnhof in etwas mehr als 20 Minuten. Wir sind überzeugt, dass sich die Region Furttal und insbesondere Niederhasli auch zukünftig durch den Wachstumsmotor des Flughafens und durch die Nähe zu Zürich positiv entwickeln wird.
Der Leerstand ist in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken, wobei die leichte Erhöhung per Jahresmitte 2025 auf 4.4 Prozent durch den Anfangsleerstand des im Mai fertiggestellten Gewerbegebäudes «Fahrwerk» in Winterthur verursacht wurde. Wie schreitet die Vermietung voran?
Das befahrbare Gewerbehaus «Fahrwerk» wurde vor wenigen Monaten fertiggestellt. Die Vermietung ist anspruchsvoll. Es ist aber auch nicht unüblich, dass bei einem neuartigen Nutzungskonzept wie diesem nicht alle Flächen bei Fertigstellung vermietet sind. Um den Interessentenkreis zur erweitern, haben wir das Vermarktungskonzept angepasst und können dadurch nun auch kleinere Flächen anbieten, was zu einem deutlichen Anstieg an Mietinteressenten führte. Sollten die laufenden Vertragsverhandlungen mit den Mietinteressenten erfolgreich sein, so würde die Vermietungsquote per Ende Jahr auf knapp 60 Prozent steigen.
Bis zum Geschäftsjahr 2029 soll das HIAG-Immobilienportfolio insgesamt auf über CHF 2,5 Milliarden Franken und bis 2034 auf über 3,5 Milliarden ausgebaut werden. Wo und wie finden Sie die Objekte?
Das angestrebte Wachstum des Portfolios in den nächsten fünf Jahren erfolgt nach wie vor durch die Realisierung unserer Entwicklungsprojekte und durch Zukäufe von Renditeliegenschaften von rund 80 Mio. pro Jahr. Wir suchen dazu sehr gezielt nach Gewerbe- und Logistikliegenschaften in den uns bekannten Regionen sowie mit Anlagegrössen ab 10 Millionen. Erfahrungsgemäss bestehen in diesem Markt nicht viele Mitbewerber, dies im Gegensatz zum Wohnsegment. In der Auswahl der Immobilien sind wir aber sehr selektiv, was einerseits einen grossen Pool an potenziellen Kaufobjekten und andererseits professionelles und schnelles Agieren von uns voraussetzt. Für unsere Devestitionen und Akquisitionen haben wir ein professionelles Transaktionsteam, das nahe am Markt ist und jederzeit auf erfahrene und gut vernetzte interne und externe Spezialisten zurückgreifen kann.
Komfortable freistehende Häuser in Zug oder Zürich sind bald nur noch ab fünf Millionen Franken zu haben. Werden wir bald alle nur noch in Stockwerkeigentum wohnen?
Die Eigenheimpreise haben sich sowohl für Einfamilienhäuser als auch für Eigentumswohnungen in den letzten Jahren in beinahe allen Regionen der Schweiz deutlich erhöht. Die Preise, die Sie nennen, betreffen vorwiegend sehr luxuriöse Objekte in steuergünstigen Kantonen und Gemeinden sowie in ausgewählten Tourismusstandorten. Die Preise für Wohneigentum variieren in der Schweiz aber je nach Lage sehr stark. Unweit dieser Regionen finden sich aber nach wie vor deutlich preiswertere Angebote. Ein durchschnittliches Einfamilienhaus in der Schweiz kostet zurzeit knapp CHF 1,5 Millionen. In Niederhasli findet man beispielsweise ein grösseres und gut unterhaltenes Einfamilienhaus im Bereich von zwei Millionen Franken.