Martin Gröli, Leiter Consumer Products & Retail bei EY Schweiz, im Interview

Martin Gröli, Leiter Consumer Products & Retail bei EY Schweiz, im Interview
Martin Gröli, Leiter Consumer Products & Retail bei EY Schweiz. (Foto: EY)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Gröli, das Weihnachts-Geschäft ist in vollem Gang. Sie haben errechnet, dass jeder Schweizer im Schnitt knapp 300 Franken für Weihnachtsgeschenke ausgibt. 7% der Bevölkerung wollen mehr ausgeben als im Jahr zuvor. Worauf führen Sie die hohe Konsumlust zurück?

Martin Gröli: Viele Schweizer Konsumenten sind zuversichtlich und gehen aktuell von einer steten Konjunkturerholung aus. Das Weihnachtsgeschäft ist zudem etwas ganz Besonderes, auf das sich viele Menschen jährlich freuen. Das Einkaufsverhalten zum Jahresende hin weicht üblicherweise auch vom generellen Konsumverhalten ab.

Trump, Brexit, Syrien, die Türkei – das geht alles spurlos an den Konsumenten vorüber, wenn es ums Weihnachtsbudget geht?

Konsumenten und Unternehmen verfolgen natürlich die geopolitischen Geschehnisse weltweit. Trotz Unsicherheiten hat sich aber beispielsweise der Brexit-Entscheid nicht in der befürchteten Intensität auf die Finanzmärkte und die Wirtschaft ausgewirkt. Dies stimmt eine Mehrheit der Schweizer Konsumenten offensichtlich positiv.

Was legen Schweizerinnen und Schweizer ihren Liebsten besonders gern unter den Weihnachtsbaum?

Stets beliebt und gemäss unserer Umfrage auch in diesem Jahr die Top 3 der Weihnachtsgeschenke sind Bücher und E-Books, Geschenkgutscheine und Geld und Süsswaren aus dem Bereich Lebensmittel.

«Der Einkaufstourismus macht leider auch an Weihnachten keine Pause.»
Martin Gröli, Leiter Consumer Products & Retail bei EY Schweiz

Von welchen Faktoren lassen sich die Konsumenten beim Einkauf leiten?

Der Weihnachtseinkauf ist für viele Konsumenten ein sinnliches Erlebnis. Beim Kauf von Geschenken für Familie und Freunde spielt der eigentliche Einkauf eine grössere Rolle, als bei alltäglichen Besorgungen. Einerseits lässt man sich gern vor Ort inspirieren und nimmt häufig auch eine Beratung in Anspruch. Andererseits kann man die Ware persönlich in Augenschein nehmen und dann auch gleich einpacken lassen. Der Handel setzt zudem schon länger auf Multisensorik, das heisst der Konsument wird ganzheitlich über alle Sinne angesprochen. Das Weihnachtsgeschäft macht da natürlich keine Ausnahme und setzt auf Faktoren wie Haptik, also dass der Konsument das Geschenk anfassen und begutachten zu kann. Auch die visuelle Gestaltung und Präsentation der Waren ist wichtig, um die Menschen emotional anzusprechen. Und auch die olfaktorische Wahrnehmung, also was wir riechen, ist in der Weihnachtszeit natürlich von grosser Bedeutung. Vorweihnachtliche Stadtbummel wären ohne den Duft von Lebkuchen, frisch gerösteten Maronen oder Glühwein nur halb so schön.

«Der Weihnachtseinkauf ist für viele Konsumenten ein sinnliches Erlebnis. Beim Kauf von Geschenken für Familie und Freunde spielt der eigentliche Einkauf eine grössere Rolle, als bei alltäglichen Besorgungen.»

Der Einkaufstourismus ins benachbarte Ausland belastet den hiesigen Detailhandel seit Jahren stark. Wie sieht das speziell im Weihnachtsshopping aus?

Der Einkaufstourismus macht leider auch an Weihnachten keine Pause. In unserer Umfrage gaben 31 Prozent der Befragten an, ihre Weihnachtseinkäufe ganz oder teilweise im Ausland zu tätigen. Das ist ein hoher Wert, der am Schweizer Detailhandel nicht spurlos vorübergeht.

Wie kann der Schweizer Detailhandel aus ihrer Sicht dagegen halten?

Beim Weihnachtseinkauf legen viele Konsumenten Wert auf Beurteilbarkeit der Ware und auch auf gute Beratung. Wenn es der Detailhandel schafft, innovative und massgeschneiderte Angebote zu offerieren, ist dies ein Schritt in die richtige Richtung.

In den USA ist der Black Friday – und mit etwas weniger Tradition der Cyber Monday – die grosse Rabattschlacht und der eigentliche Auftakt zum Weihnachtsgeschäft. Diese Aktionen fassen nun auch hier immer stärker Fuss. Welche Entwicklung konnten Sie in diesem Jahr feststellen?

Black Friday findet jeweils am Tag nach dem grossen amerikanischen Feiertag Thanksgiving statt. Es bilden sich bereits in den frühen Morgenstunden immense Warteschlangen rund um die grossen Departments Stores wie Macy’s und Bloomingdales. Beliebt sind die sogenannten „Doorbusters“, einzelne Produkte mit Rabatten weit über 50%. Die Menge ist dabei beschränkt.

Die globalen e-commerce Händler brachten den Black Friday resp. Cyber Monday nach Europa. Die langen Warteschlangen vor den Einkaufstempeln auf der Jagd nach „Doorbusters“ sieht man in der Schweiz noch kaum, allerdings ging es in diesem Jahr auf einer Vielzahl von Internetportalen richtig zur Sache. Für sehr viele Händler wird dieser Tag fix in der Marketingstrategie eingeplant.

Wie nachhaltig ist diese Schnäppchenjagd? Wer kauft denn noch etwas, wenn er sich bereits am Black Friday oder Cyber Monday eingedeckt hat?

In erster Linie geht es bei den Aktionen wie Black Friday oder Cyber Monday darum, zusätzliche Kaufanreize zu setzen. Für die Detailhändler sind diese Tage sicher lukrativ, denn die Umsätze werden an solchen Tagen markant gesteigert. Um Kunden nachhaltig zu binden braucht es neben fairen Preisen auch ein emotionales Kundenerlebnis, individuelle Beratung, innovative Store-Formate und individuelle Angebote. Beim Black Friday oder Cyber Monday stehen die Rabattaktionen im Vordergrund. Ich sehe Rabattschlachten durchaus kritisch, vor allem dann, wenn die Vergünstigungen nicht clever dosiert und sinnvoll eingesetzt werden. Oder man setzt auf eine selektive Rabattgewährung nur für Inhaber einer Kundenkarte, als Anreiz für die Anmeldung. Aus Konsumentensicht wird sich zeigen, ob sich der Zeitpunkt von Weihnachtseinkäufen tatsächlich verlagern wird. In unserer diesjährigen Umfrage gab noch mehr als jeder Zweite an, die Geschenke erst im Dezember kaufen zu wollen.

Nach einem Einbruch 2015 legen die Online-Verkäufe im Weihnachtsgeschäft wieder deutlich zu. Dennoch ist der Marktanteil mit 17% relativ gering und deutlich tiefer als z.B. in den USA oder vielen asiatischen Ländern. Weshalb kann der Online-Verkauf trotz attraktiven Angeboten und schnellen Lieferungen nicht stärker zulegen?

Auch hier gilt, dass das Weihnachtsgeschäft traditionell mit einem Stadtbummel verbunden ist. Die Menschen gehen oft mit klaren Vorstellungen von einem Geschenk in den Fachhandel und lassen sich persönlich beraten. Der Mausklick ist schlicht weniger emotional, weshalb viele Konsumenten die Geschenke noch immer im Fachhandel einkaufen. Dieses Geschäft ist einmalig und ist mit dem generellen Einkaufsverhalten der Konsumentinnen und Konsumenten nicht vergleichbar.

«Der stationäre Handel wird sicher überleben. Aber nicht in der heutigen Form.»

Die Digitalisierung verändert das Kundenverhalten und stellt den Handel vor grosse Herausforderungen. Welches sind für Sie die entscheidenden Erfolgsfaktoren für den Handel?

Kassenlose Läden, virtuelle Warenkörbe oder Spiegel, die durch kognitive Systeme Stilberatungen vornehmen – dazu braucht es die richtigen Investitionen in Technologien. Diese Technologien werden die Zukunft des Handels kritisch beeinflussen. Es geht auch darum, aus einer gigantischen Datenmenge systematisch auszuwerten und zukünftige Kaufentscheide vorherzusehen. Wer das Spiel auf dieser Klaviatur beherrscht wird in der Lage sein, wirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen im Hinblick auf Sortiment, Lieferkette und Marketing zu treffen.

Im Digitalzeitalter machen kleine Start-ups, zum Teil auch branchenfremde Anbieter, den „Alteingesessenen“ die Marktanteile streitig. Diese Neuen sind oftmals agiler, schneller und innovativer als traditionelle Konsumgüter- und Handelsunternehmen. Neue und nachhaltige Geschäftsmodelle entstehen. Ein entscheidender Erfolgsfaktor für die etablierten Handelsunternehmen ist es, in dieser neuen Realität Schritt halten zu können. Es braucht auch Mut, um das Verhältnis zwischen heutigem Wachstum und zukünftigem Gewinn richtig einzupendeln.

Die Bedeutung des Online-Shoppings steigt rasant. Wie sieht es im Gegenzug für den stationären Handel aus? Überleben wird er bestimmt – aber sehen Sie auch Entwicklungschancen?

Ich stimme Ihnen zu: Der stationäre Handel wird sicher überleben. Aber nicht in der heutigen Form. Überall dort, wo ein emotionales Einkaufserlebnis kreiert wird und wo der Kunde als Individuum wahr- und ernstgenommen wird, bestehen für den stationären Handel grosse Entwicklungschancen.

Herr Gröli, herzlichen Dank für das Interview.

Zum Unternehmen:
Die globale EY-Organisation ist eine Marktführerin in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Transaktionsberatung und Rechtsberatung sowie in den Advisory Services. Wir fördern mit unserer Erfahrung, unserem Wissen und unseren Dienstleistungen weltweit die Zuversicht und die Vertrauensbildung in die Finanzmärkte und die Volkswirtschaften. Für diese Herausforderung sind wir dank gut ausgebildeter Mitarbeitender, starker Teams sowie ausgezeichneter Dienstleistungen und Kundenbeziehungen bestens gerüstet. Building a better working world: Unser globales Versprechen ist es, gewinnbringend den Fortschritt voranzutreiben – für unsere Mitarbeitenden, unsere Kunden und die Gesellschaft.

Die globale EY-Organisation besteht aus den Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited (EYG). Jedes EYG-Mitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen. Ernst & Young Global Limited ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht und erbringt keine Leistungen für Kunden.

Die EY-Organisation ist in der Schweiz durch die Ernst & Young AG, Basel, an zehn Standorten sowie in Liechtenstein durch die Ernst & Young AG, Vaduz, vertreten.

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