Matthias Suhr, CEO EuroAirport, im Interview

Matthias Suhr, CEO EuroAirport, im Interview
Matthias Suhr, CEO EuroAirport. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Suhr, mit 8,1 Millionen Passagieren hat der wichtigste Geschäftsbereich des EuroAirport 2023 erfolgreich abgeschlossen, auch wenn noch 11 Prozent bis zu den Werten des Rekordjahres fehlen. Wann erwarten Sie wieder Zahlen wie 2019 – oder ist das gar nicht das angepeilte Ziel?

Matthias Suhr: Wir rechnen damit, dass wir die Zahlen von 2019 nicht vor 2025 wieder erreichen werden. Unser Auftrag ist es, die Luftverkehrsanbindung der trinationalen Region sicherzustellen. Das Flugangebot richtet sich nach der Nachfrage, wir streben keine bestimmte Anzahl Passagiere an.

Das Frachtvolumen reduzierte sich um 6,6 Prozent. Welches sind die Hauptgründe für das rückläufige Frachtgeschäft?

Das Frachtgeschäft ist derzeit weltweit rückläufig. Die am EuroAirport eingesetzten Vollfrachter stehen in Konkurrenz zu den wiederaufgenommenen Langstreckenpassagierflugzeugen, die ebenfalls Fracht aufnehmen können («Belly-Freight»); die weltwirtschaftliche Situation ist schwach und Aufgrund des starken Preiskampfs und vorhandener Überkapazitäten im Markt wurden teilweise Vollfrachtfrequenzen reduziert. Das Frachtvolumen am EuroAirport ist daher für 2023 tiefer als 2022, aber noch immer leicht höher als 2019.

Jet Aviation, AMAC Aerospace, Air Service Basel, Nomad Technics AG und seit 2023 Pilatus bilden das industrielle Kompetenzzentrum des EuroAirport. Rund ein Drittel der Arbeitsplätze entfallen auf das Segment «Industrie». Wie hat sich das Geschäft mit Wartung und Umbau von Flugzeugen entwickelt?

Es besteht eine stabile Auftragslage. Das Geschäftsfeld Industrie ist nach wie vor ein wichtiger Arbeitsplatzgenerator für die trinationale Region.

Der EuroAirport will seine Abhängigkeit vom Passagierverkehr verringern und neue Geschäftstätigkeiten entwickeln, die vorzugsweise einen Bezug zur Luftfahrt haben und neue Arbeitsplätze schaffen. Was stellen Sie sich dabei vor?

Zum einen soll das strategische Geschäftsfeld Industrie mit der Unterstützung von Projekten der bereits auf der Plattform präsenten Industrieunternehmen gestärkt werden. Neue Unternehmen, die einen Bezug zum Luftfahrtsektor aufweisen, sollen angesiedelt werden. Das kann im Bereich der aviatischen Ausbildung oder in neuen Technologien wie Drohnen sein. Zum anderen möchten wir die Entwicklung neuer Aktivitäten fördern. Hier ist zum Beispiel die Entwicklung neuer Geschäftstätigkeiten im Bereich der erneuerbaren Energien zu nennen.

«Wir wollen neue Unternehmen, die einen Bezug zum Luftfahrtsektor aufweisen, am EuroAirport ansiedeln.»
Matthias Suhr, CEO EuroAirport

Überall ist vom Personal- und Fachkräftemangel die Rede. Wir stark war der Betrieb am EuroAirport davon betroffen?

Der Betrieb verlief am EuroAirport auch im Jahr 2023 geordnet ab. Dies hatte im Wesentlichen damit zu tun, dass der EuroAirport sowie seine Partner grossmehrheitlich ausreichend Personal anstellen konnten. Während es andernorts infolge der Pandemie zu Massenentlassungen kam, so verzichtete beispielsweise der EuroAirport als Betreibergesellschaft des Flughafens auf Entlassungen und setzte stattdessen auf Kurzarbeit. So handhabten es auch die viele anderen Firmen auf Flughafenplattform. Als der Betrieb dann wieder hochgefahren wurde, war das Personal relativ rasch wieder einsatzbereit.

Auch ist der Arbeitsmarkt im Elsass ein anderer als etwa in der Region Genf oder Zürich; wir können hier einfacher Leute rekrutieren. Mitunter helfen sogar Leute von Swissport Basel in Zürich aus.

Heute kommt es zu Stosszeiten regelmässig zu Überlastungserscheinungen im Terminal. Die Verbesserung der Servicequalität für die Passagiere ist denn auch eines der strategischen Hauptanliegen des Flughafens. Welches sind die wichtigsten Schritte des Projekts EMT (Modulare Entwicklung des Terminals)?

Angesichts der Unsicherheiten in Bezug auf die Entwicklung der Luftfahrt im Allgemeinen und des EuroAirport im Besonderen hat der Flughafen entschieden, das Projekt «EMT» umzusetzen. Es ist in voneinander unabhängige Module aufgeteilt, die eine schrittweise und flexible Anpassung der Terminalinfrastruktur ermöglichen. In einem ersten Schritt soll der öffentlich zugängliche Bereich renoviert werden.

Die Strategie des Flughafens zielt unter anderem auf die Verbesserung der Servicequalität. Der Flughafen wird deshalb die Realisierung des ersten Moduls des EMT-Projekts an die Hand nehmen, einen Neubau von 14.000 m² an der öffentlich zugänglichen Ostfassade des Terminals. Dabei sollen die Sicherheitskontrollen für die Passagiere in einem neuen Gebäude konzentriert und die Wege der Passagiere damit einfacher und intuitiver gestaltet werden.

«Der Flughafen wird die Realisierung des ersten Moduls des EMT-Projekts an die Hand nehmen, einen Neubau von 14.000 m² an der öffentlich zugänglichen Ostfassade des Terminals.»

Gleichzeitig kann das gastronomische Angebot sowie der Duty-Free Bereich attraktiver gestaltet werden und im bestehenden Terminal auf rund 15.000 m² Renovierungsarbeiten durchgeführt werden. Im Zuge dieser Arbeiten wird auch die Zufahrt zum Terminal neu organisiert. Damit wird die Servicequalität bedeutend erhöht.

Von welchem Zeitrahmen sprechen wir hier?

Die Ausschreibung des Projektes läuft. Der Abschluss der Bauarbeiten ist gegen Ende des laufenden Jahrzehnts geplant.

Betrifft das Neubau-Projekt auch den seit Jahren diskutierten Bahnanschluss? Und bis wann könnte dieser nach den neusten Plänen Tatsache werden?

Das Neubauprojekt ist so konzipiert, dass sich der Bahnanschluss nahtlos einfügen könnte. Die technischen Vorarbeiten für den Bahnanschluss als Teil des überregionalen S-Bahnnetzes sind im Gang, die Finanzierung ist aber noch nicht definitiv gesichert. Mit der Eröffnung der neuen Strecke ist nicht vor 2035 zu rechnen.

Seit Februar 2022 werden keine Starts nach 23.00 Uhr mehr geplant. Seither hat die Lärmbelastung im Norden des Flughafens abgenommen, während sich die Lärmsituation im Süden des Flughafens zwischen 23.00 und 23.15 Uhr verschlechtert hat. Weshalb ist dies der Fall?

Der Hauptgrund hierfür liegt darin, dass einige Flüge weiterhin kurz vor 23.00 Uhr angesetzt werden. Das führt dazu, dass diese erst zwischen 23.00 und 23.15 Uhr von der Startbahn abheben. In der Zeit nach 23.15 Uhr konnte hingegen eine substanzielle Reduktion der Starts und damit der Lärmbelastung verzeichnet werden.

«Der EuroAirport setzt sich mit den französischen und schweizerischen Aufsichtsbehörden, mit den betroffenen Fluggesellschaften und mit zusätzlichen eigenen Infrastrukturanpassungen für Verbesserungen ein, um auch die vermehrten Überflüge kurz nach 23 Uhr wieder zu reduzieren.»

Mit welchen Massnahmen wollen Sie Gegensteuer geben?

Der EuroAirport setzt sich mit den französischen und schweizerischen Aufsichtsbehörden, mit den betroffenen Fluggesellschaften und mit zusätzlichen eigenen Infrastrukturanpassungen für Verbesserungen ein, um auch die vermehrten Überflüge kurz nach 23 Uhr wieder zu reduzieren. So wurde erreicht, dass einige Fluggesellschaften ihre letzten Starts nun früher planten. Zudem hat der Flughafen per 1. Januar 2024 die Lärmgebühren für die spätabendlichen Zeitfenster ab 22 Uhr drastisch erhöht. Die Bemühungen des Flughafens werden auch unterstützt durch die von der französischen Aufsichtsbehörde ACNUSA ausgesprochenen Bussen von über 1,4 Millionen Euro für Airlines, die verschuldeter Weise Starts nach 23 Uhr durchführen.

Ein weiterer Fokus wird auf die erste Nachtstunde zwischen 22 und 23 Uhr gelegt. Dabei geht es darum, dass die durch das Verbot von geplanten Starts verursachte Vorverlegung von Starts aus der Zeit von 23 bis 24 Uhr auf die Zeit vor 23 Uhr keine übermässigen Lärmerhöhungen verursacht werden. Dafür braucht es rechtzeitig korrigierende Massnahmen. Auch bei diesem Projekt arbeitet der Flughafen eng mit den französischen und schweizerischen Aufsichtsbehörden zusammen.

Neben dem Lärm steht auch die Verringerung der CO2-Emissionen im Fokus. Welche Ziele hat sich der EuroAirport hier gesetzt?

Der Flughafen handelt hier auf zwei Ebenen: Er setzt sich zum einen dafür ein, seine eigenen CO2-Emissionen zu reduzieren. Zum anderen will er in Zusammenarbeit mit den Akteuren der Flughafenplattform die Gesamtemissionen des Flughafens verringern. Für die CO2-Emissionen, die der Flughafen selbst verantwortet und damit auch direkt beeinflussen kann, hat sich der EuroAirport im Herbst 2021 das freiwillige Ziel von «Netto-Null-Emissionen» für spätestens 2030 gesetzt.

Zusätzlich zu den bereits umgesetzten Massnahmen wie der Umstellung auf grünem Strom und den Anschluss an die Fernwärmeanlage von St. Louis sind zur Erreichung dieses Ziels der Bau einer Biomasse-Heizzentrale auf dem Gelände des EAP, die Installation von Photovoltaikanlagen und der Ersatz des bestehenden Fuhrparks durch Elektroautos vorgesehen.

Im Hinblick auf die Gesamtemissionen des Flughafens werden verschiedene Massnahmen im CO2-Bereich in Zusammenarbeit mit den Akteuren der Flughafenplattform umgesetzt. Dies vor allem Rahmen eines umfassenden Mobilitätskonzepts. Dabei werden alle Flughafenpartner einbezogen, um die landseitige Erreichbarkeit des Flughafens fossilfreier zu gestalten. Hierzu gehört unter anderem der Ersatz der bisherigen Busse der Basler Verkehrsbetriebe mit neuen, elektrisch betriebenen Doppelgelenkbussen.

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