Michael Tojner, CEO und VRP Montana Tech Components AG, im Interview

Michael Tojner, CEO und VRP Montana Tech Components AG, im Interview
Michael Tojner, CEO und VRP Montana Tech Components AG. (Foto: zvg)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Tojner, Insidern ist Ihre grosse Industriegruppe wohl bekannt, dem breiten Publikum weniger. Ist das Vor- oder Nachteil?

Michael Tojner: 2007 habe ich begonnen die Montana Tech Components als Industriegruppe zu entwickeln, nachdem ich meine Venture Capital und Private Equity Aktivitäten eingestellt hatte. Dabei haben wir uns auf Nischen in grossen Wachstumsmärkten konzentriert und in diesen drei Weltmarktführer geschaffen. Nachdem die Investitionen in allen Bereichen relativ hoch waren, haben wir uns dazu entschieden, die Unternehmen minderheitlich an der Börse zu notieren. Und seither sind Varta, Montana Aerospace und die Aluflexpack nach ihren erfolgreichen Börsengängen einem breiteren Publikum sehr bekannt. Wobei sicher Varta als das Unternehmen mit dem grössten Bekanntheitsgrad gilt.

Varta machte in den letzten Jahren vor allem an der Börse viel Furore gemacht, ganz im Gegensatz zur Schweizerischen Leclanché…

Seit über 130 Jahren schreibt Varta Industriegeschichte und zählt zu den 30 bekanntesten Industriemarken in Deutschland. In der Kommunikation haben wir nie die Montana Tech Components in den Vordergrund gestellt, sondern den Fokus auf die Unternehmenskommunikation der Varta, Aluflexpack und Montana Aerospace gelegt. Damit konnten wir deren Bekanntheit erhöhen – bisher vor allem bei Investoren, aber wir arbeiten daran, dass wir auch bei möglichen zukünftigen Mitarbeitern als attraktiver, innovativer Arbeitgeber noch stärker wahrgenommen werden.

Varta ist in Deutschland wegen der Batterien fast jedem Kind bekannt. Die produziert aber nicht nur Haushaltsbatterien, sondern auch jede Menge Hightech-Anwendungen. Was ist State-of-the-Art bei Energiespeichern?

Am bekanntesten sind unsere Haushaltsbatterien, die sich unter anderem in Spielzeugen oder Fernbedienungen Verwendung finden. Aber die grosse Spezialisierung der Varta auf die kleinen wiederaufladbaren Lithium-Ionen-Zellen für eine Vielzahl von Anwendungen sowie die Zink-Luft Batterien für Hörgeräte haben das Unternehmen zum Weltmarktführer gemacht, worauf wir heute sehr stolz sind. Darüber hinaus produzieren wir Zellen für medizinische Anwendungen wie Herzschrittmacher, Akkus für Powertools, Energiespeicher für Haushalte und Industrieunternehmen und forschen stets an neuen Formen von Batteriezellen.

«Unsere grosse Batterie-Zelle ist für eine Vielzahl von Anwendungen geeignet ist – vom E-Auto bis zum Agrarroboter.»
Michael Tojner, CEO und VRP Montana Tech Components AG

Bei all unseren Produkten sind Sicherheit und Qualität die oberste Priorität. Bei Akkus für E-Autos geht es sehr stark um die Performance – sprich, schnelle Lade- und Entladezeiten, um die Lebensdauer der Akkus und darum, auch im Winter eine hohe Reichweite erzielen zu können. Bei unseren grossen Speicheranlagen sind Energiekonzepte Trumpf, die smarte Form des Energieverbrauchs, die Kompatibilität mit dem Smart Home und vieles mehr. Ein genereller Trend ist Miniaturisierung. Je kleiner und leistungsfähiger die Batterie, desto kleiner können die technischen Geräte sein und desto unabhängiger damit der Mensch, der sie nutzt.

Welche Wachstumsraten erwarten Sie für die Lithium-Ionen-Rundzelle?

Wir erwarten sehr hohe Wachstumszahlen im zweistelligen Bereich. Der Bedarf an Energiespeicherlösungen für eine Vielzahl von Anwendungen wächst stetig, ob fürs E-Auto, die Heimspeicheranlage oder für mobile Applikationen.

Gerade die Energiebranche ist im Dauerumbruch. Welche Rolle werden dabei die grossen Energiespeicherlösungen spielen?

Die Energiespeicherlösungen von Varta sowie der Gesamtmarkt werden wie gesagt sehr hohe Wachstumsraten aufweisen. Eine grosse Anwendungsbreite haben hier auch Speicheranlagen für private Haushalte und Industriebetriebe, die über eine Solaranlage mit Energie versorgt werden können. Auch hier wollen wir vor allem in Europa wachsen. In Europa schaffen wir die Energiewende meiner Meinung nach nur mit europäischen Lösungen, die uns unabhängiger von Rohstoffen und Importen machen. Die IPCEI Förderungen („Important Projects of Common European Interest = strategische Förderprojekte der EU-Kommission zur Innovation in ressourcenintensiven Kernmarktsegmenten, Anmerkung der Red.) aus der sogenannten Altmeier-Milliarde für die Industrialisierung der «grossen Zelle» in unseren Standorten in Deutschland sowie die IPCEI-Förderung für unseren Forschungsstandort in Graz/Österreich zeigen das grosse Vertrauen der Politik in unsere Kompetenzen und dass die EU auf Lösungen „made in Europe“ setzt.

Also sind Sie Klimawandelprofiteur?

Wir gestalten mit unseren Produkten den Kampf gegen den Klimawandel aktiv mit. Nicht nur, dass unsere grosse Zelle für eine Vielzahl von Anwendungen geeignet ist – vom E-Auto bis zum Agrarroboter – sondern auch dadurch, dass wir sie in CO2-neutralen Produktionsstätten bauen wollen und unsere Produkte in Zukunft zu knapp 100% recyclebar sind. Auch bei unserer Division Aluflexpack sehen wir den Trend zur Nachhaltigkeit als einen Wachstumstreiber – weg von Plastik hin zu recycling-fähigem Aluminium. Hier wollen wir uns in Zukunft besonders auf das Pharmageschäft konzentrieren, wo wir ein hohes Wachstumspotenzial sehen.

Aluflexpack ist sehr konjunkturresistent. Der Nettoumsatz stieg in den ersten sechs Monaten 2021 von 115,5 Millionen gegenüber derselben Vorjahresperiode weiter um fast zehn Prozent auf 126,5 Millionen Euro. Das Wachstum im dritten Quartal war 11,4 %, beschleunigte sich also nochmals ein wenig. Ist diese Division Ihr ausgleichender Puffer?

Lösungen der Aluflexpack finden sich in vielen Konsumgütern wieder. Das macht das Geschäft in Krisenzeiten natürlich sicherer und hat in unserem Fall dazu geführt, dass wir weiteres Wachstum sicherstellen konnten. Aber der Erfolg stellt sich auch dort nicht automatisch ein – wir haben neue Produkte entwickelt und damit unser Angebot erweitert und in der Krise auch 65 Millionen Euro in ein neues Werk investiert.

«Trotz der Covid-19-Krise konnten wir einen deutlichen Anstieg bei unseren Vertragsabschlüssen im Luftfahrtsektor erzielen.»

Die Montana Aerospace presst Aluminium, Titan, Superlegierungen, Sonderstähle, Kupfer und Verbundwerkstoffe in die richtige Form. Flugzeugbauer leiden aber jetzt unter der Krise in der Tourismusbranche. Erwarten Sie Auswirkungen auf die Montana Gruppe?

Covid-19 hat natürlich die Luftfahrtindustrie besonders hart getroffen. Die Zeiten sind nach wie vor turbulent, und die Auswirkungen der Pandemie spiegeln sich noch immer in der finanziellen Leistung und den operativen Fähigkeiten der meisten Unternehmen wider. Allerdings hat die Krise etablierten Akteuren wie uns, die über eine solide finanzielle Basis verfügen, die Möglichkeit geboten, ihre Positionierung weiter zu verbessern. Wir haben in neue Werke investiert und unsere aktive M&A-Politik unter Verfolgung unserer langfristigen Ziele weiter vorangetrieben. Damit konnten wir uns in unserer Peergroup an die Spitze der Branche arbeiten. Steigende Impfraten in den wichtigsten Märkten veranlassen trotz Omikron weiter zu einem positiven langfristigen Ausblick. Trotz der Covid-19-Krise konnten wir einen deutlichen Anstieg bei unseren Vertragsabschlüssen im Luftfahrtsektor erzielen.

Mit rund 20% Kursgewinn seit dem Börsengang im Mai hat sich sogar ein Kauf der Montana Aerospace für Anleger in dieser schwierigen Branche gelohnt. Es fällt auf, dass alle drei Montana-Divisionen Börsenhighflyer sind. Wie sehr ist Ihnen das jetzt Verpflichtung für die Zukunft?

Wir haben uns in all unseren Divisionen auf Schlüsseltechnologien in Zukunftsmärkten fokussiert, die zu den Markttreibern zählen. Die Führungsposition sichern wir durch kontinuierliche Weiterentwicklung der einzelnen Konzerngesellschaften ab. Durch Innovationen und einen guten Mix aus organischem und anorganischem Wachstum. Das hat uns bisher zu einer erfolgreichen Unternehmensgruppe gemacht, und diesen Weg werden wir auch in Zukunft gehen und uns im kompetitiven Umfeld weiterhin als verlässlicher Partner und Innovations- und Technologieführer behaupten. Es geht darum, auf Basis von nachhaltig robusten Ergebnissen die Stabilität der Gruppe zu sichern. Ebenso ist die Performance der drei Aktien für uns, wie Sie sagen, eine Verpflichtung für die Zukunft, wo wir uns bemühen, diese auch für unsere Aktionäre zu erfüllen.

Selbst im schlimmen ersten Coronahalbjahr 2020 war die EBITDA-Marge von Montana Tech nur wenig unter Druck. Ich nehme an, dass Omikron Sie jetzt auch recht kalt lässt?

Eine weltweite Pandemie mit viel menschlichem Leid und gewaltigen volkswirtschaftlichen und sozialen Folgen lässt niemanden kalt. Wir sind dank gutgreifender Covid-Konzepte und Massnahmen in all unseren Standorten bisher gut
durch die Pandemie gekommen. Dass durch die schnelle Verbreitung der neuen Virus-Variante viele Mitarbeiter gleichzeitig ausfallen können, ist natürlich ein Thema, das wir lösen müssen und werden. Hier ist aber auch die Politik gefordert, die richtigen Massnahmen zu setzen.

«Wir haben im letzten Jahr in der Gesamtgruppe mehr als 700 Millionen Euro investiert.»

Ein forschungs- und entwicklungsbasiertes Unternehmen wie das Ihre ist auf einen dauernden Geldumschlag angewiesen. Nutzen Sie die Gunst der Stunde des noch billigen Geldes?

Unsere Industriegruppe war immer sehr investitionsstark. Wir wollen wachsen, wir wollen unseren Kunden neue Lösungen bieten und das geht natürlich einher mit hohen Investitionen, vor allem für das organische Wachstum. Wir haben im letzten Jahr in der Gesamtgruppe mehr als 700 Millionen Euro investiert und haben hier auch den Vorteil, dass die Fremdkapitalkosten derzeit relativ gering sind. Das unterstützt investitionsstarke Unternehmen.

Sie sind ein überzeugter Venture Capitalist. Sollten unsere serbelnden Alterssicherungssysteme mehr in Start-ups investieren?

Mit 22 Jahren habe ich meine Dissertation über Venture Capital in Wien verfasst und einen Vergleich zwischen den USA und Europa gezogen. Ich habe mein erstes Unternehmen mit 19 Jahren gegründet und relativ früh, in den Jahren 1998 bis 2007 in über 50 Unternehmen investiert. Als ein überzeugter Venture Capitalist glaube ich, dass man durch ein starkes Team, Managementbeteiligungen, einer starken Vision und einer guten Finanzierung viel bewegen kann. Ich habe mich immer dafür stark gemacht, dass Venture Capital, und dann auch später die Börsenfinanzierung, ein wesentlicher volkswirtschaftlicher Vorteil für ein Land sein können.

«Als ein überzeugter Venture Capitalist glaube ich, dass man durch ein starkes Team, Managementbeteiligungen, einer starken Vision und einer guten Finanzierung viel bewegen kann.»

Hinkt hier Europa anderen Ländern hinterher?

Schon seit über 30 Jahren. Mittlerweile können sich selbst asiatische Player relativ günstig über die Börse finanzieren. Man muss einfach verstehen, dass eine Risikokapital-Finanzierungsmöglichkeit für viele Unternehmen einen grossen
Startvorteil darstellt. Deswegen würde ich es sehr unterstützen, wenn die Alterssicherungssysteme mehr im Venture Capital und mehr in Private Equity investieren würden. Die Harvard Universität hat über 20% ihres gesamten Veranlagungsvolumens seit über 30 Jahren in Risikokapital investiert. Diesen Unternehmer-Spirit brauchen wir auch in Europa, und deswegen müssen wir mit Venture Capital und Risikokapital Unternehmensgründer aus jedem möglichen Winkel fördern. Ich bin ein überzeugter Europäer und würde mich freuen, wenn wir zeigen könnten, dass wir mit unserer Ausbildung und unseren Technologielösungen mit Amerika mithalten, ja es auch übertreffen können.

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