Michele Blasucci, CEO und Gründer Startups.ch, im Interview

Michele Blasucci, CEO und Gründer Startups.ch, im Interview
Michele Blasucci, CEO und Gründer STARTUPS.CH. (Foto: zvg)

von Sandra Willmeroth

Moneycab.com: Herr Blasucci, Sie sind seit 15 Jahren mit der Gründerplattform Startups.ch am Markt. Wie viele Unternehmen, denen Sie respektive Startups.ch zur Gründung verholfen haben, sind noch existent? Wissen Sie das oder können Sie das abschätzen?

Michele Blasucci: Ganz genau wissen wir es nicht. Wir schätzen aber, dass nach 3 Jahren jeweils 50% der Firmen wieder aufgeben.

In den 15 Jahren war die Start-up-Szene der Schweiz bereits diverse Male am Boden und auf dem Gipfel. Wo befindet sich die Szene jetzt, im Corona-Kater?

Die aktuellsten Zahlen sind erstaunlich. Im ersten Semester wurden lediglich 3% weniger Firmen gegründet als im letzten Jahr. Das hat uns doch sehr erstaunt. Die Deutschschweiz war beispielsweise gar nicht betroffen und die Westschweiz verzeichnete ein Minus von 8%. Lediglich das Tessin wurde mit einem Minus von 21% in Mitleidenschaft gezogen.

Stellt die Corona-Pandemie eine existentielle Krise für Start-ups dar?

Dies kann man nicht verallgemeinern. Wer vor der Pandemie schon knapp dran war, dem hat diese sicher nicht geholfen. Erfolgreiche Start-ups werden aber sicher nicht durch die Pandemie in ihrer Existenz gefährdet, allenfalls gebremst.

Einer Umfrage zur Folge fürchten 50% der Start-ups um ihre Existenz. Waren die Überbrückungskredite des Bundes nicht genug? Was kann man noch tun?

Die Überbrückungskredite waren eine gute, kurzfristige Massnahme. Dank dieser Kredite blieben die Start-ups zahlungsfähig, was essenziell war. Viele Start-ups sind aber auf immer wiederkehrende Finanzierungsrunden angewiesen. Wenn die Unternehmensziele nicht erreicht werden können – und dies ist für gewisse Start-ups in der Pandemie schwieriger als für andere- dann gibt es auch kein frisches Geld. Das schnürt natürlich entsprechende Ängste.

«Im April und Mai hat sich die Lage beruhigt und im Juni hatten wir wieder Rekordwerte. Wir konnten also die schlechten Monate bereits wieder aufholen.»
Michele Blasucci, CEO und Gründer Startups.ch

Ist es für ein Start-up, dass noch keine nennenswerten Umsätze erzielt, überhaupt ratsam, sich zu verschulden – ob nun Überbrückungskredit genannt oder Firmenkredit?

Um die laufenden Rechnungen bezahlen zu können ist es durchaus ratsam. Wenn die laufenden Rechnungen nicht bezahlt werden können, läuft man Gefahr betrieben zu werden oder gar Konkurs zu gehen – dann ist alles verloren.

Mit der Corona-Krise wurde der Markteintritt vieler Start-ups verschoben. Können Sie das bestätigen und mit Zahlen von Anfragen auf Startups.ch belegen?

Unsere Auswertungen haben gezeigt, dass im März ein klarer Rückgang erfolgte. Im April und Mai hat sich die Lage jedoch beruhigt und im Juni hatten wir wieder Rekordwerte. Wir konnten also die schlechten Monate bereits wieder aufholen.

«In der Pandemie stellte man «auf die harte Tour» fest, was alles fehlt: e-learning, e-voting, e-Generalversammlungen, e-shops für jedes KMU, etc.»

Was ist mit Firmengründungen in den Branchen, die gemäss Start-up Barometer von EY von der Pandemie profitieren können, wie Bio- und Medtech sowie aus dem Bereich Digitalisierung? Gab es hier einen Schub?

Im Bereich Bio- und Medetch hatten wir weniger Anfragen; hingegen gab es einen Schub bei Digitalisierungsprojekten. In der Pandemie stellte man «auf die harte Tour» fest, was alles fehlt: e-learning, e-voting, e-Generalversammlungen, e-shops für jedes KMU, Versandapotheken etc. Das wird jetzt alles nachgeholt, schon alleine, weil eine zweite Welle befürchtet wird und alle diesmal vorbereitet sein wollen.

Wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, um ein Start-up zu gründen?

Kommt ganz drauf an: wenn man vor einer längeren Entwicklungsphase steht, bei der kein Kundenkontakt oder persönlicher Vertrieb erforderlich ist, dann ja. Hier zu nennen sind vor allem alle IT und Digitalisierungsprojekte. Wenn man aber darauf angewiesen ist, sofort Kunden akquirieren und somit viele Leute treffen zu müssen, dann ist es schwierig, weil man zurzeit nur sehr schwer an persönliche Termine gelangt.

Rechnen auch Sie in diesem Jahr mit einem massiven Einbruch bei den Start-up Finanzierungen nach dem Finanzierungsrekord im Jahr 2019?

Nein, wir gehen davon aus, dass wir einen grossen Teil bis Ende Jahr aufholen werden und vielleicht sogar die gleichen Zahlen wie im 2019 erreichen – wenn nicht mehr. Aufgrund der tiefen Zinsen ist viel Liquidität im Markt und diese will angelegt werden.

Wird es zu einem Engpass auf der Finanzierungsseite kommen, weil viele private Förderer und Investoren in der Corona-Baisse Kapital verloren haben?

Das glaube ich nicht. Hängt aber natürlich ganz von den Projekten ab. Wer beispielsweise kürzlich eine online Lösung für eine «analoge» Veranstaltung entwickelt hat, der hatte alle Hände voll zu tun und sicher auch eine ordentliches Wachstum und Gewinn erwirtschaftet. Denken Sie nur an alle Generalversammlungen, welche dieses Jahr online abgehalten wurden …

Kürzlich wurde die parlamentarische Gruppe Start-ups und Unternehmertum gegründet. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Finde ich eine gute Sache. So erhalten auch die kleinen Start-ups Gehör im Parlament und genau diese Start-ups werden die Schweiz künftig vorantreiben.

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