Monika Ribar, CEO Panalpina

Monika Ribar, CEO Panalpina

Monika Ribar, CEO Panalpina

Interview aus dem SMG Magazin “management”
Text: Dave Hertig, Fotos: Andrés Lejona

Sie sind ständig auf Achse. Existiert in Ihrem Leben die viel zitierte Work-Life-Balance?

Ja, ich brauche sie. Leute, die sich über Ihre Anwesenheit in Stunden definieren, sind nicht effizient. Effizient kann nur bleiben, wer regelmässig aus dem Ganzen heraus tritt und sich Erholung gönnt. Je höher ich auf der Karriereleiter stieg, desto mehr Urlaub habe ich gemacht. Inzwischen sind es sechs Wochen pro Jahr. Kommt hinzu, dass mein Mann in Deutschland lebt und ich in der Schweiz. Wir sehen uns normalerweise nur am Wochenende und deshalb mag ich das Büro auch am Freitagabend nicht nach Hause mitschleppen.

Einen grossen Teil Ihrer Arbeitszeit verbringen Sie unterwegs. Weshalb reisen Sie so viel?

Unser Geschäft findet in erster Linie in den 500 Business Units auf der ganzen Welt statt, nicht hier in Basel. Dort sind unsere Kunden und unsere Mitarbeiter. Ich muss wissen, was abgeht. Sonst treffe ich nicht die richtigen Entscheidungen.

«Beim Börsengang waren wir 14-fach überzeichnet. Unser tiefster Börsenkurs lag um die 36 Franken, da waren wir auch nicht so viel schlechter. Deswegen hadere ich manchmal mit dem Kurs.» Monika Ribar, CEO Panalpina

Direkt unterstellt sind Ihnen die vier Geschäftsleitungsmitglieder in Basel und die 21 Regionalverantwortlichen, die auf alle Kontinente verteilt sind.

Ja, und in den ersten sechs Wochen des Jahres habe ich alle persönlich getroffen, um aus erster Hand zu erfahren, was ansteht. Ich könnte niemals so viel lesen, wie ich erfahre, wenn ich diese Gespräche führe. Deswegen ist es gut investierte Zeit.

Panalpina hat 15 000 Angestellte. Wie vielen davon gelingt es, die erwartete Leistung zu erbringen?

Den allermeisten, doch natürlich gibt es auch bei unserem Personal Abstufungen: vom soliden Performer bis zum High Flyer. Wir richten unseren Fokus darauf, die Stars zu finden und mit ihnen das Richtige zu tun, damit sie im Unternehmen bleiben.

Sind die Stars nicht oft einfach jene Menschen, die einen sehr hohen Aufwand betreiben?

Nein.

Was macht den Star aus?

Das sind Leute die sich dank ihrer Energie, ihrem Intellekt, ihrem Know-how und ihrer Persönlichkeit in verschiedensten Umfeldern zurechtfinden und immer wieder eine Top-Performance bringen. Es gibt ja diese Manager die zu jedem neuen Job den immer gleichen «Tross» mitnehmen. Ich bevorzuge jene, die in der Lage sind, mit den Leuten vor Ort zu arbeiten, egal wo. Daran zeigt sich, ob jemand mit Menschen umgehen und sie managen kann.

Haben Sie jederzeit Leute auf dem Radar, die für die obersten Posten in Frage kommen?

Wir arbeiten an einer Nachfolgeplanung. Unser Ziel ist, für jeden im Unternehmen – angefangen bei mir – zwei potenzielle Nachfolger zu haben. Zwar lässt sich das wohl nie perfekt umsetzen. Doch wenn Sie sich das zum Ziel setzen, wird es Thema. Darum geht es.

Um den Leitgedanken?

Genau. Er führt dazu, dass wir über Leute immer wieder reden und sie ständig neu beurteilen. Das hilft, Menschen zu entwickeln und zu fördern.

Sie haben es selbst bis ganz nach oben geschafft. Welches sind Ihre Starqualitäten?

Als ich CEO wurde, mussten wir einen Generationenwechsel durchziehen. Wir haben in den letzten Jahren grosse Schwierigkeiten durchlebt, die ich geerbt hatte.

Sie sprechen von den Korruptionsfällen und Preisabsprachen, in die Panalpina verwickelt war?

Ja. Irgendwann musste ich mir sagen, dass ich die Vergangenheit nicht ändern kann. Hingegen ist es mir möglich, die Zukunft zu beeinflussen, und das wollte ich tun. In dieser Phase braucht es Führungsqualitäten, wie ich sie habe. Durchsetzungskraft und Durchhaltewillen. Ich bin seit 20 Jahren bei Panalpina und wusste deshalb immer, dass da eine extrem solide Basis vorhanden ist. Das hat mir stets die Kraft gegeben, weiter zu machen und die schwierigen Zeiten mit dem Unternehmen durchzustehen. Ich bin die richtige Person für die Phase, in der wir uns befinden. Was nachher kommt, werden wir sehen. Vielleicht gibt es dann einen besseren «Star» als mich.

Ihnen ist das sachliche Kritisieren wichtig. Wie leben Sie das im Alltag?

Wenn ich finde, dass etwas anders läuft, als ich es gerne hätte, dann nehme ich das sofort auf. Ich kann auch ziemlich ungehalten werden, aber nur dann, wenn die Regeln wirklich klar waren. Ich mache den Leuten nichts vor und gebe klare Feedbacks.

Wie kommt das in Ihrem Umfeld an?

Es wird geschätzt. Gut, es gab in meiner Laufbahn immer auch Leute, die Angst vor mir hatten. Das begann schon in der Kindheit bei Schulkameraden. Doch ich bin heute ja nicht dafür bezahlt, es jedem recht zu machen und zu jedem lieb zu sein. Hingegen will ich die Leute fair behandeln und auch selbst fair behandelt werden.

Schon in der Schule gab es Kinder, die Angst vor Ihnen hatten. Worauf führen Sie das zurück?

Wahrscheinlich darauf, dass ich immer weiss, wo ich hin will, dass ich klare Zielsetzungen habe, mich verständlich ausdrücke und die Dinge dann auch umsetze. Viele Leute können damit nicht umgehen.

«Ich bin die richtige Person für die Phase, in der wir uns befinden. Was nachher kommt, werden wir sehen. Vielleicht gibt es dann einen besseren ‹Star› als mich.»

Wer kritisiert eigentlich Sie? Kommt das nur vom Verwaltungsrat oder auch von unten?

Vom Verwaltungsrat und von der Aussenwelt – von Finanzanalysten und Investoren zum Beispiel. Intern, da müssen wir uns nichts vormachen, ist Kritik relativ dünn gesät. Ich hätte theoretisch die Macht, jeden hier zu entlassen. Das schüchtert ein, ob ich es will oder nicht. Wir haben eine Mitarbeiterin, die nun wirklich kein Mauerblümchen ist, sondern sich durchzusetzen weiss. Wir kennen uns schon lange, sie hat früher an mich rapportiert. Wir haben uns damals gegenseitig kritisiert, oft gestritten und sehr gut zusammengearbeitet. Als ich CEO wurde und sie das erste Mal in mein Büro kam, sagte sie: «Weisst du was? Ich bin nervös.»

Warum denn das?

Ich bin zwar die gleiche Person, aber der Titel und die damit einhergehende Macht verändern viel. Da braucht man sich nichts vormachen.

Dann warten Sie auch gar nicht erst darauf, von der Basis ein ehrliches Feedback zu erhalten?

Nein, aber ich schätze es, wenn mal ein solches kommt.

Was Sie an Ihrem Beruf als Managerin weniger schätzen, sind der Börsenkurs und die Quartalsergebnisse, nicht?

Stimmt.

Was hat es damit auf sich?

Ich habe 2005 den Börsengang als CFO selbst mitgemacht und es war eine wahnsinnig spannende Aufgabe, Investoren vom Unternehmen zu überzeugen. Das Problem für mich ist jedoch, dass dieser Aspekt immer mehr verloren geht. Es dreht sich alles nur um den Börsenkurs und weniger um die Entwicklung des Unternehmens.

In den viereinhalb Jahren Ihrer Tätigkeit als CEO ging der Panalpina-Börsenkurs einmal durch die Decke, dann fiel er ins Bodenlose und jetzt steht er bei 113 Franken – etwa dort, wo er bei Ihrem Amtsantritt war. Ist das nun gut oder schlecht?

Das ist genau das Thema. Als wir im September 2005 an die Börse gingen, hatten wir einen Kurs von 80 Franken. Im Juli 2007 standen wir bei rund 270 Franken. Glauben Sie, Panalpina sei in der kurzen Zeit dreimal besser geworden?

Was ist passiert?

Ein Hype. In unserer Industrie gibt es nur wenige börsenkotierte Unternehmen. Viele Investoren nutzten die Gelegenheit, um zu diversifizieren. Beim Börsengang waren wir 14-fach überzeichnet. Unser tiefster Börsenkurs lag um die 36 Franken, da waren wir auch nicht so viel schlechter. Deswegen hadere ich manchmal mit dem Kurs, aus dem völlig selbstverständlich der Unternehmenswert abgeleitet wird. Mit diesen extremen Wellenbewegungen habe ich Mühe.

Und die Quartalsergebnisse?

Gut, in der Schweiz müssen Sie ja nach wie vor keine Quartalsergebnisse bekannt geben. Halbjahresresultate reichen.

Davon haben Sie persönlich herzlich wenig, denn Sie rapportieren pro Quartal.

Als wir an die Börse gingen, sagten wir: Okay, so muss es wohl sein. Heute wären mir Halbjahresresultate lieber. Die Investoren möchten regelmässig informiert werden. Das ist ein Must und für mich in bester Ordnung. Die Frage ist nur, ob die hohe Kadenz mit den Quartalsergebnissen wirklich mehr Transparenz bringt oder nicht vielleicht doch vor allem höhere Volatilität und teilweise Verunsicherung.

Investieren Sie Ihr privates Vermögen in Einzeltitel oder Fonds?

Direkt in Einzelunternehmen, in denen ich engagiert bin: Panalpina, Logitech und Julius Bär, wo ich ebenfalls Verwaltungsrätin war. Ansonsten investiere ich ausschliesslich via Fonds. Ich möchte gut schlafen können.

Zurück zur Frage nach dem Panalpina-Börsenkurs während Ihrer CEO-Zeit. Ein Nuller in viereinhalb Jahren, während deren der Swiss Performance Index ein paar Prozent verloren hat, ist das für Sie nun Erfolg oder Misserfolg?

Die Entwicklung des Unternehmens ist ein Erfolg, aber nicht am Börsenkurs gemessen.

Eine Frage zum Schluss: Sie sagen über sich, dass Sie kein kreativer Mensch seien. Ist nicht jeder Mensch in irgendeiner Form kreativ?

Für mich ist Malerei, Kunst etwas ganz ganz Tolles. Ich finde es sehr spannend, mich mit Leuten auseinanderzusetzen, die auf diese Weise kreativ tätig sind. Ich selbst bin anders strukturiert. Ein Beispiel: Ich gelte als gute Köchin, doch ich koche nach Rezept. Ich bewundere Menschen, die keine Anleitung zur Hand nehmen, doch es ist für mich in Ordnung, dass ich selbst mich an Rezepte halte.

Und was ist Ihre Form der Kreativität?

Problemlösungen zu finden. Wir wollen nie zweimal den gleichen Fehler begehen. Mein Job lässt sich nicht nach Kochrezept machen. Vielmehr ist mein Ziel, für andere Rezepte zu erstellen, damit sie das Rad nicht jedes Mal neu zu erfinden brauchen.

Monika Ribar
Die «Financial Times» zählt die in Binningen wohnhafte Toggenburgerin zur weltweiten Top 50 der Wirtschaftsfrauen. Ribar (geboren 1959) studierte Betriebswirtschaft an der HSG und absolvierte 1999 ein Führungsprogramm an der Stanford University im kalifornischen Palo Alto. 1991 war sie in Basel zu Panalpina gestossen. Sie wurde 2000 Chief Information Officer und 2005 CFO. 2006 ernannte der Verwaltungsrat sie zum CEO. Panalpina beschäftigt 15 000 Angestellte und gehört zu den führenden Unternehmen im weltweiten Logistikgeschäft. Monika Ribar sitzt auch im Verwaltungsrat der Logitech.

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