Noah Lorenz, Co-Founder mementor GmbH, im Interview

Noah Lorenz, Co-Founder mementor GmbH, im Interview

Noah Lorenz, Co-Founder mementor GmbH. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Lorenz, darf ich Sie fragen, wie gut Sie zuletzt geschlafen haben?

Noah Lorenz: Die letzte Nacht war gut, obwohl es recht warm war in meinem Hotelzimmer. Zu warme Temperaturen können den Schlaf negativ beeinflussen.

Mit dem Startup-Unternehmen mementor haben Sie eine innovative Lösung gegen Schlafstörungen entwickelt. Lassen Sie uns aber zuerst über die Schlafstörungen sprechen. Wie werden Schlafstörungen definiert?

Eine Schlafstörung, oder genauer gesagt, eine Insomnie ist durch drei Hauptsymptome definiert: Erstens Einschlafschwierigkeiten, zweitens Durchschlafschwierigkeiten und drittens ein zu frühes Erwachen am Morgen. Wenn eines oder mehrere dieser Symptome mindestens drei Nächte pro Woche bestehen und zu einem Leidensdruck oder zu Einschränkungen am Tag wie z.B. Konzentrationsschwierigkeiten führen, dann sprechen Experten von einer Insomnie.

Es ist dann noch wichtig zu prüfen, ob eine andere Form von Schlafstörung vorliegt. Es gibt z.B. spezielle Schlafstörungen, die eine klare medizinisch, organische Ursache haben. Als Beispiel ist hier die Schlafapnoe zu nennen, bei welcher Betroffene unter nächtlichen Atemaussetzern leiden, die durch eine Versperrung der Atemwege ausgelöst werden. Diese spezielle Form der Schlafstörung muss ganz anders behandelt werden, als die Insomnie. Unser Angebot richtig sich an den sehr grossen Teil von Personen, die unter einer Insomnie ohne unmittelbare organische Ursache leiden.

Welches sind denn die häufigsten Ursachen für Schlafstörungen?

Meistens hatte die Insomnie einen bestimmten Auslöser in der Vergangenheit. Dies kann Stress im Beruf, ein Problem im Sozialleben oder ein ungünstiger Umgang mit dem Schlaf sein. In der Regel verschwinden diese Auslöser irgendwann aber von selbst wieder. Die Insomnie kann aber bestehen bleiben. Für die Behandlung ist es dann wichtig zu erkennen, was dazu führt, dass die Insomnie bestehen bleibt. Es gibt ganz typische Faktoren, die eine Insomnie aufrechterhalten. Dies können z.B. negative Erwartungen an den Schlaf oder Grübelkreisläufe am Abend sein. Betroffene befinden sich oft in einer Art Teufelskreis von sich selbst bestätigenden Gedanken und Ängsten, die sich auf den Schlaf beziehen.

«Langfristig kann eine Schlafstörung auch das Risiko für Herzkreislauferkrankungen erhöhen und führt dazu, dass andere psychische Störungen wie Depressionen vermehrt auftreten.»
Noah Lorenz, Co-Founder mementor GmbH

Und welches sind die Folgen?

Die Folgen können ganz unterschiedlich sein. Typischerweise berichten Betroffene von Müdigkeit, Energielosigkeit oder Konzentrationsschwierigkeiten am Tag. Dies kann äusserst unangenehm sein und so weit gehen, dass Betroffene erhebliche Einschränkungen auf sich nehmen müssen. Langfristig kann eine Schlafstörung auch das Risiko für Herzkreislauferkrankungen erhöhen und führt dazu, dass andere psychische Störungen wie Depressionen vermehrt auftreten.

Wie erkennt man, ob man lediglich Schlafprobleme hat oder wirkliche Schlafstörungen?

Das ist wie so oft ein fliessender Übergang und meistens ein schleichender Prozess. Experten würden allerdings erst dann von einer Schlafstörung sprechen, wenn die vorhin erläuterten Kriterien erfüllt sind: Mehrmals pro Woche eines oder mehrere der drei Hauptsymptome der Insomnie zusammen mit den negativen Auswirkungen am Tag oder einem subjektiven Leidensdruck.

«Mein subjektiver Eindruck ist auch, dass vielen gar nicht bewusst ist, wie gut eine Insomnie ohne Medikamente behandelbar ist.»

Schlafstörungen sind ein weit verbreitetes Phänomen, allerdings lassen sich nur die wenigsten Betroffenen professionell behandeln. Welche Erklärung haben Sie dafür?

Die Gründe sind meines Wissens noch gar nicht so genau geklärt. Ich vermute aber, dass es vor allem der Aufwand ist, der mit dem Besuch eines Schlafexperten verbunden ist. Mein subjektiver Eindruck ist auch, dass vielen gar nicht bewusst ist, wie gut eine Insomnie ohne Medikamente behandelbar ist. In einigen Ländern wie z.B. Deutschland besteht zudem eine Unterversorgung, woraus eine Wartezeit auf eine Therapie von durchschnittlich drei Monaten resultiert.

Mit mementor somnium haben Sie und Ihr Team nun ein digitales und immer verfügbares Schlaftraining entwickelt. Wie kamen Sie auf die Idee?

Während meines Psychologiestudiums sprachen mich immer wieder Personen an, die unter Schlafproblemen oder sogar einer Schlafstörung litten und Rat suchten. Zu dieser Zeit beschäftigte ich mich im Rahmen einer Studienarbeit recht intensiv mit dem Thema Schlaf. Dies stiess die Überlegungen an, wie man die vielen Betroffenen unterstützen kann. So entstand die Idee einer innovativen, digitalen Lösung.

Wie können wir uns das Programm vorstellen?

Teilnehmer können sich auf unserer Website www.mementor.ch für das Programm registrieren und bekommen einen Zugang zum Schlaftraining. Das Training besteht aus sechs verschiedenen Sitzungen, die man nacheinander durchläuft. In den Sitzungen trifft man einen animierten Schlafcoach, der einen durch die verschiedenen Sitzungen begleitet. Er stellt Fragen, erklärt Grafiken und gibt dem Nutzer Rückmeldung zu seinen Fortschritten. Zu Beginn geht es darum, wichtige Informationen über den Schlaf, über Schlafstörungen und über die Behandlung dieser zu bekommen. Ausserdem beginnt man, ein Schlaftagebuch zu führen und somit eigene wichtige Schlafdaten zu sammeln.

Basierend auf diesen Daten werden einem in den folgenden Sitzungen passende, wissenschaftlich fundierte Techniken vermittelt, die den Schlaf verbessern. In einer von diesen Techniken geht es beispielweise darum, die Schlafzeiten anzupassen, um Stück für Stück seine optimale Schlaflänge herauszufinden und sein Schlafrhythmus danach anzupassen. Der Aufbau und der Inhalt des Programms ähnelt somit stark einer gewöhnlichen face-to-face Therapie.

«In den Sitzungen trifft man einen animierten Schlafcoach, der einen durch die verschiedenen Sitzungen begleitet. Er stellt Fragen, erklärt Grafiken und gibt dem Nutzer Rückmeldung zu seinen Fortschritten.»

Wie individuell ist das Training anwendbar?

Die Beschwerden einer Insomnie können recht individuell ausfallen. Wie bereits erwähnt, klagen die Betroffenen über Einschlafschwierigkeiten, Durchschlafschwierigkeiten, zu frühes Erwachen am Morgen oder einer Kombination der Symptome. Das Programm erkennt anhand der Schlafdaten den Typ der Insomnie und passt sich über dies hinaus an viele individuelle Details der Teilnehmer an. Z.B. legt jeder Teilnehmer seine individuellen Ziele fest und bekommt automatisiert für sein Ziel angepasste Rückmeldungen. Ein weiteres Beispiel betrifft verschiedene Abschnitte der Sitzungen: Teilweise sind nicht alle Informationen und Übungen gleichbedeutend für alle Teilnehmer. Darauf kann das Programm automatisiert eingehen, indem nur die relevanten Abschnitte geschaltet werden.

Es gibt verschiedenste Ansätze, eine Schlafstörung zu behandeln. Welchen Ansatz haben Sie gewählt?

Ja, die gibt es. Die Deutsche Gesellschaft für Schlafmedizin (DGSM) gibt alle paar Jahre Leitlinien zur Behandlung von Schlafstörungen heraus, die auf einem Konsens von Schlafexperten und vielen wissenschaftlichen Studien beruhen. Bei der Insomnie empfehlen diese Leitlinien die Kognitive Verhaltenstherapie für eine kurz- und langfristige Therapie. Diese Empfehlung gilt auch für eine Insomnie mit chronischem Verlauf. Nur für den kurzfristigen Einsatz wird eine medikamentöse Therapie mit den typischen Schlafmitteln (Benzodiazepine) empfohlen. Dies liegt vor allem an deren Nebenwirkungen. Wir setzten in unserem Programm ersteres, die Methoden der Kognitiven Verhaltenstherapie, ein.

Mit welchen Partnern arbeitet mementor zusammen?

Bei der Entwicklung haben wir schon in einer sehr frühen Phase mit der Seeklinik Brunnen, einer Schlaf- und Burnout-Klinik zusammengearbeitet. Ausserdem arbeiten wir für die Durchführung einer Klinischen Studie zur Testung des Programms eng mit dem Psychologischen Institut der Universität Zürich zusammen. Finanziert wurden wir durch einen Seed-Capital-Fond des Kantons Fribourg.

Sie haben Anfang Januar eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Wie erfolgreich ist diese verlaufen?

Ja genau, die Crowdfunding Kampagne haben wir gestartet, um erste Reaktionen auf das Programm zu bekommen und um die letzten Entwicklungsschritte finanzieren zu können. Die Kampagne läuft sehr gut. Die Finanzierungsschwelle von knapp 11’000 Franken hatten wir vor allem dank der St. Antonius Klinik in Hörstel (DE) bereits nach drei Tagen erreicht. Die Klinik ist spezialisiert auf die Behandlung von Suchterkrankungen und möchte Ihren Patienten ein Programm zur Bewältigung der Schlafprobleme an die Hand geben, die häufig mit einer Sucherkrankung einhergehen.

Welches waren bis zum heutigen Punkt die grössten Herausforderungen für das Startup mementor?

Die grösste Herausforderung betraf bisher die Entwicklung des Programms. Wir haben vieles ausprobiert, getestet, wieder verworfen und neu gestaltet. Dies war ein langwieriger Prozess. Momentan stehen wir vor der Herausforderung, das Programm für alle Geräte, also Laptops, Smartphones, Tablets und alle gängigen Internetbrowser wie Safari, Internet Explorer, Chrome und Firefox zu optimieren. Dies ist ein recht grosser Aufwand, den wir unterschätzt hatten.

Welches sind Ihre nächsten Ziele?

Das Wichtigste steht uns noch bevor. In den kommenden Monaten wird sich zeigen, ob das Programm marktfähig ist. Um das Programm und das dahinterstehende Startup mementor eigenständig finanzieren können, brauchen wir eine grosse Anzahl von Usern. Auch ein erfolgreicher Abschluss der klinischen Studie ist ein weiterer uns bevorstehender Milestone.

Dazu wünschen wir Ihnen viel Glück. Besten Dank für das Interview.

Zur Person:
Noah Lorenz wuchs in Lübeck in Norddeutschland auf. Nach der Schule lebte er eine Jahr in Johannesburg (Südafrika) und leistete Freiwilligendienst. Zurück in der Schweiz machte er einen Bachelor in Psychologie an der Universität Fribourg, ehe er für eine Studie der Uni Konstanz und Uni Kapstadt (Evaluation einer Therapie zur Behandlung von Posttraumtischen Belastungsstörungen) wieder für ein halbes Jahr nach Südafrika reiste. In der Schweiz nahm er den Master in „Kognitive Psychologie und Kognitive Neurowissenschaften“ an der Universität Zürich in Angriff und am 29. August 2014 kam es zur Gründung von mementor. Sein Studium und die Unternehmensleitung zusammen mit  Alexander Rötger erfolgt parallel zum Master. Der Masterabschluss ist für Juli 2016 vorgesehen.

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