Norbert Klapper, CEO Rieter, im Interview

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Klapper, wie bei vielen Herstellern von Investitionsgütern läuft bei Rieter das Komponenten- und Servicegeschäft zufriedenstellend, neue Maschinen werden aber nur zögernd bestellt. Was braucht es für die grosse Wende?

Norbert Rieter: Die verhaltene Nachfrage nach neuen Maschinen ist in erster Linie auf politische Unwägbarkeiten in wichtigen Märkten zurückzuführen. Dazu zählen beispielsweise der «Cash Crunch» in Indien und der Putsch in der Türkei. Wir rechnen damit, dass sich die Nachfrage im Laufe des Jahres beleben wird.

Wie kann man dem Laien das Wort «Spindeläquivalent» am schönsten erklären?

Die Produktionskapazität von Spinnereimaschinen wird in Spindeläquivalenten gemessen. Als Basis dient die Produktionskapazität einer Ringspindel. Die Spinnposition einer Rotorspinnmaschine entspricht der Produktivität von fünf bis sechs Ringspindeln, die Spinnposition einer Luftspinnmaschine der von 20 Ringspindeln. Durch die Umrechnung von Rotor- und Luftspinnpositionen auf Ringspindeln bringt man die Kapazität auf den gleichen Nenner – auf Spindeläquivalente.

«Die Spinnereien in der Türkei laufen zwar gut, die Investitionsneigung ist jedoch gering.»
Norbert Klapper, CEO Rieter

Eine Welt für sich. Von den drei grossen Textilnationen China, Indien und der Türkei macht vor allem letztere wirtschaftlich Sorgen. Kommen jetzt vielleicht politische Wehen hinzu?

In der Türkei lag die Nachfrage nach neuen Maschinen im ersten Halbjahr 2016 auf einem guten Niveau, im zweiten Halbjahr ging sie deutlich zurück; dagegen waren Ersatzteile und Komponenten gefragt. Die Unsicherheiten im türkischen Markt sind immer noch gross. Die Spinnereien laufen zwar gut, die Investitionsneigung ist jedoch gering. Wir gehen davon aus, dass dies so bleibt, solange die Unsicherheiten anhalten.

An der Textilmaschinenmesse in Mumbai zeigte Rieter die Kompaktspinnmaschine K 42. Spielt Miniaturisierung in der Textilmaschinenindustrie eine Rolle und wenn ja, warum?

In Spinnereien ist Flächenbedarf ein Thema, denn Fläche kostet Geld. Insofern ist es bei der Entwicklung neuer Maschinen ein Ziel, den Flächenbedarf für die Produktion zu verringern.

Die Schwankungen bei den Bestellungen waren je nach Land im letzten Jahr gigantisch. Welche logistischen Herausforderungen ergeben sich dadurch für Rieter?

Unsere «Supply Chain» ist global so aufgestellt, dass sie solche Schwankungen ausgleichen kann.

«Bezogen auf das Jahr 2014 soll der Geschäftsbereich After Sales bis 2018 um 30% wachsen.»

Rieter bietet im Service-Geschäft neben Technologie-Unterstützung, wie etwa Audits, auch Kundenschulungen an. Wie stark ist da die Wachstumsrate?

Bezogen auf das Jahr 2014 soll der Geschäftsbereich After Sales bis 2018 um 30% wachsen. Dieses Wachstum soll sowohl über das Ersatzteilgeschäft als auch mit Serviceleistungen erreicht werden.

Der Rieter-Marktanteil liegt seit drei Jahren bei konstant 30 Prozent. Kann in Zukunft der Markt stärker wachsen oder Rieter stärker als der Markt?

Das weltweite Marktvolumen von 3.2 Milliarden Schweizer Franken lag 2016 rund 8% unter dem Vorjahr. Rieter gelang es dank der globalen Aufstellung und des attraktiven Leistungsportfolios, einen Marktanteil von rund 30% zu erreichen, das entspricht in etwa dem Wert des Vorjahres. Wir gehen davon aus, dass das Marktvolumen mindestens stabil bleibt. Rieter versucht natürlich seinen Marktanteil zu halten – und nach Möglichkeit auszubauen.

Ihre Liquidität hat um ein Viertel zugenommen. Da stellt sich die Frage was damit geplant wird?

Wegen der Zyklizität des Maschinengeschäftes braucht Rieter eine starke Bilanz, und wir brauchen Mittel, um unsere Entwicklungs-Pipeline zu finanzieren. Ausserdem wollen wir eine attraktive Dividende zahlen und uns Akquisitionsmöglichkeiten offenlassen.

Die Bewirtschaftung Ihres Umlaufvermögens hat sich deutlich verbessert. Worauf ist dies in erster Linie zurückzuführen?

Wichtigster Treiber der Reduktion des Umlaufvermögens ist unser Bestreben, die Lagerbestände nachhaltig zu reduzieren. Das ist ein Projekt im Rahmen unseres Verbesserungsprogramms STEP UP, das wir im Oktober 2014 aufgelegt haben. Das Projektteam war sehr erfolgreich.

«Bei einem eigenen Marktanteil von rund 30% gehen wir davon aus, dass das Marktvolumen mindestens stabil bleibt.»

Wie werden sich die beiden Amerikas entwickeln?

Wir sehen seit der Auslieferung der Grossaufträge im Jahr 2016 keine grossen Bewegungen.

Rund fünf Prozent vom Umsatz betragen Ihre Forschungs- und Entwicklungsausgaben. Was bringt die technologische Zukunft?

Wir haben, wie Sie richtig sagen, 2016 gut 5% unseres Umsatzes in Forschung und Entwicklung investiert, das ist im Branchenvergleich ein guter Wert. Unsere Ausgaben dafür stiegen auf 48 Millionen Schweizer Franken und das in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten. Wir werden auch in Zukunft in Forschung und Entwicklung investieren, denn Rieter ist ein Systemanbieter, und das System ist nur so stark wie seine schwächste Maschine. Das gilt gerade auch für digitalisierte, verkettete Systeme. Da kann man sich Stillstand bei F&E nicht erlauben.

Zum Gesprächspartner:
Norbert Klapper, aus Deutschland, geb. 1963, liess sich zum Diplom-Wirtschaftsingenieur an der Technischen Universität Darmstadt ausbilden und promovierte zum Dr. oec. an der Technischen Universität München. Seit 2014 ist er CEO von Rieter. Davor leitete er den Geschäftsbereich Machines & Systems (2011 – 2013) von Voith Turbo, in Heidenheim. Bei Voith Industrial Services Holding GmbH, Heidenheim, war er von 2005 -2010 Geschäftsführer. Davor seit dem Jahr 2000 bei Dürr, Stuttgart, ebenfalls Geschäftsführer und Mitglied des Vorstands. Geschäftsführender Partner Deutschland, Österreich und Schweiz von Arthur D. Little, München von 1993 – 2000 und von 1989 – 1993 wissenschaftlicher Mitarbeiter an Universität Passau und TU München. Dr. Norber Klapper ist Vorstandsmitglied der Swissmem.

Zum Unternehmen:
Rieter ist der weltweit führende Anbieter von Systemen für die Kurzstapelfaser-Spinnerei. Das Unternehmen mit Sitz in Winterthur (Schweiz) entwickelt und fertigt Maschinen, Systeme und Komponenten für die Verarbeitung von Naturfasern und synthetischen Fasern sowie deren Mischungen zu Garnen. Rieter ist der einzige Anbieter weltweit, der sowohl die Prozesse für Spinnereivorbereitung als auch sämtliche vier am Markt etablierten Endspinnverfahren abdeckt. Das Unternehmen ist mit 15 Produktionsstandorten in neun Ländern vertreten und beschäftigt weltweit rund 5 022 Mitarbeitende, davon etwa 20% in der Schweiz. Rieter ist an der SIX Swiss Exchange unter dem Tickersymbol RIEN kotiert.

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