Olivier Camille, CEO Reitzel Suisse SA, im Interview

Olivier Camille, CEO Reitzel Suisse SA, im Interview
Olivier Camille, CEO Reitzel Suisse SA. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Monsieur Camille, gerade in der Fondue- und Raclettezeit kommen Essiggurken und Cornichons in sehr vielen Schweizer Haushalten auf den Tisch. Was ist eigentlich abgesehen von der Grösse der Unterschied zwischen den beiden?

Olivier Camille: Es stimmt, dass das Hauptunterscheidungsmerkmal zwischen einer Gurke und einem Cornichon in der Grösse liegt. Bei einer Grösse von 2 bis 8 cm gilt die kleine Kürbisfrucht als Cornichon, bei einer Grösse von mehr als 6 cm wird sie als Gurke bezeichnet. Interessanterweise gibt es in der Schweiz einen deutlichen Unterschied im Konsum zwischen der Westschweiz und der Deutschschweiz. In der Deutschschweiz sind Gurken mit süss-saurer Rezeptur beliebt, in der Westschweiz dagegen die kleinen Essiggurken.

Wie viele Essiggurken und Cornichons verarbeiten Sie jährlich in Ihrer Fabrik in Aigle?

Jährlich verarbeiten wir rund 2500 Tonnen Gurken und Cornichons, die wir in unserer Fabrik in Aigle in die über 10 Millionen Gläser für den Schweizer Markt füllen.

Reitzel wurde 1909 gegründet und steht seit den 1930er Jahren für in Essig eingelegte Gemüse wie eben Gurken, Zucchetti oder Silberzwiebeln. Gibt es ein Erfolgsrezept?

Das Erfolgsrezept für den Fortbestand unseres Unternehmens besteht darin, die Arbeit der Vorfahren zu respektieren, indem wir nach ständiger Verbesserung streben, ohne jemals unsere Unternehmenswerte zu gefährden. Es ist notwendig, auf unserem Know-how aufzubauen, uns aber gleichzeitig immer wieder in Frage zu stellen, neu zu erfinden und innovativ zu bleiben. Das ist es, was ich als Wandel mit Kontinuität bezeichne.

Die Verbesserung der Lebensbedingungen der Landwirte ist Ihnen ein grosses Anliegen. Mit der Einführung der Senf- und Mayonnaiseprodukte HUGO wurden 2018 neue Kooperationen mit Schweizer Landwirten gegründet. Wie viele Anbaubetriebe produzieren mittlerweile für Reitzel?

2024 haben wir für die Produktion der Schweizer HUGO-Gurken und -Gewürze Kollaborationen mit 23 Schweizer Landwirtschaftspartnern. Um unser Angebot an lokalen Produkten zu erweitern, arbeiten wir auch mit Produzenten von Schweizer Zwiebeln, Waadtländer Senfkörnern und Eiern aus Freilandhaltung zusammen.

Wie hoch ist der Schweizer Anteil an der verkauften Menge mittlerweile?

Es ist eine echte Begeisterung der Konsumentinnen und Konsumenten für lokale Produkte spürbar. Die Marktanteile beweisen dies: Derzeit machen unsere Verkäufe von Schweizer Produkten 8,5% der Marktanteile von Gewürzgurken in den grossen Einzelhandelsketten aus.

«Es ist eine echte Begeisterung der Konsumentinnen und Konsumenten für lokale Produkte spürbar.»
Olivier Camille, CEO Reitzel Suisse SA

Ist die Schweiz auch Ihr wichtigster Absatzmarkt?

HUGO ist die echte Schweizer Gurke für die hiesige Bevölkerung. Wir konzentrieren uns daher auf den Schweizer Markt und hoffen, mit dieser Marke die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten für die Herkunft von Lebensmitteln zu sensibilisieren und aufzuklären. Unser Ziel ist es, die Schweizer und gleichzeitig lokale Landwirtschaft in den Vordergrund zu stellen.

Welches sind die wichtigsten Exportmärkte für Reitzel?

Unsere wichtigsten Exportmärkte sind Deutschland und Frankreich, gefolgt von England und, in einem geringeren Masse, auch Polen und die Niederlande. Wichtig zu erwähnen ist in diesem Kontext, dass diese Exporte von Reitzel International aus Indien erfolgen, während die Schweizer Produktion in Aigle für den Schweizer Markt bestimmt ist.

Mit den steigenden Temperaturen in den letzten Jahren steigt sicher auch der Ertrag der Produzenten, oder?

In der Schweiz hat die Klimaerwärmung das Wachstum unserer wärmeliebenden Kürbisgewächse begünstigt. Die grösste Herausforderung für die Landwirte besteht darin, ihre Arbeitskräfte gut einzuplanen, da die Ernte von Hand erfolgt und nicht mechanisiert werden kann. Dieses Gemüse wächst sehr schnell und kann seine Grösse an einem Tag verdreifachen. Wir müssen also jeden Tag besonders darauf achten, die richtigen Grössen zum richtigen Zeitpunkt zu pflücken, damit sie in unsere Gläser passen.

«Kürbisgewächse wachsen sehr schnell. Wir müssen also jeden Tag besonders darauf achten, die richtigen Grössen zum richtigen Zeitpunkt zu pflücken, damit sie in unsere Gläser passen.»

Was stellt das für Herausforderungen an die Landwirte?

Es zwingt unsere Partnerlandwirte zu einem hohen Mass an Organisation, viel Flexibilität und Aufmerksamkeit für das Wachstumstempo der Früchte. Trotzdem stossen wir immer noch auf eine grosse Anzahl überdimensionierter Gurken, die zu gross sind, um in die Gläser zu passen. Seit zwei Jahren und in Zusammenarbeit mit Too Good To Go starten wir jeden Sommer eine grosse Rettungsaktion, um die Verschwendung dieser knackigen Gurken zu verhindern. Für den symbolischen Betrag von 2 Franken kann jeder bis zu 10 kg frische Gurken in unserem HUGO-Shop in Aigle abholen. 2023 haben wir 15 Tonnen Material gerettet und 3000 Franken gesammelt, die an die Stiftung Schweizer Tafel gespendet wurden.

Welche Produkte aus heimischem Anbau beinhaltet die HUGO-Reihe mittlerweile und wer sind die Abnehmer?

Die Einführung von HUGO im Jahr 2017 hatte zum Ziel, die Schweizer Gurkenbranche wiederzubeleben. Heute wird eine ganze Palette von lokalen Schweizer Produkten angeboten: Mayonnaise mit Eiern aus Freilandhaltung, Senf mit Körnern aus der Region, süsses Ketchup mit Apfelsaftkonzentrat und vieles mehr. Und da unsere Liebe zum Lokalen grenzenlos ist, gibt es die HUGO-Produkte für Profis auch im Grossformat.

Sie haben im vergangenen Jahr die Nachhaltigkeitskampagne VIA lanciert. Was beinhaltet das Konzept, welches sind die langfristigen Ziele?

Unser ethisches und ökologisches Engagement war noch nie so stark wie im Rahmen unseres ehrgeizigen Nachhaltigkeitsprogramms VIA (Very Important Actions). Dieses ist das Ergebnis einer gemeinsamen Arbeit, um unseren Fahrplan für 2030 festzulegen, damit wir die Referenz für die leckersten und nachhaltigsten Gewürzgurken werden. VIA stützt sich auf drei grundlegende Pfeiler: «People» für den Respekt vor den Menschen; «Pickles» mit einer Strategie, die auf Agrarökologie, BIO und lokalen Produkten basiert; und «Planet» mit Klimaschutzmassnahmen, die auf eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 50% bis 2030 und eine nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen abzielen.

«Unser ethisches und ökologisches Engagement war noch nie so stark wie im Rahmen unseres ehrgeizigen Nachhaltigkeitsprogramms VIA.»

Können Sie diese Vorgaben auch in Indien einhalten?

Reitzel Schweiz versorgt sich hauptsächlich auf Schweizer Boden und im Sommer in Europa. Was unsere indische Filiale betrifft, so ist sie auf den Export nach Europa und Asien spezialisiert. Reitzel India ist vollständig in unser nachhaltiges Transformationsprojekt integriert und wir sind sehr stolz auf alle positiven Initiativen, die in dieser Region der Welt durchgeführt werden. Wir sind die ersten, die weltweit Fairtrade-zertifizierte Gurken herstellen, wobei insbesondere 100% unserer Maiskörner das Fairtrade-Siegel tragen.

Letzte Frage: Gibt es für den Essig, in denen Cornichons, Gurken etc. eingelagert werden, ein Geheimrezept?

Sie möchten alle unsere Geheimnisse kennen…. Ich verrate Ihnen ein letztes! Gurken sind «Schwämme» für Aromen. Die Magie entfaltet sich, wenn der Essig perfekt mit den Kräutern harmoniert. Der Erfolg einer schmackhaften Gurke hängt also vor allem von ihrem Rezept und ihrem Geschmack ab. Dieses Wissen wird von Generation zu Generation weitergegeben.

Reitzel

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