Paolo Corredig, Country Head Schweiz bei T. Rowe Price, im Interview

Paolo Corredig, Country Head Schweiz bei T. Rowe Price, im Interview
Paolo Corredig, Country Head T. Rowe Price

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Corredig, wie haben Sie die letzten sehr turbulenten Monate an den Märkten persönlich erlebt?

Paolo Corredig: Wir haben sehr schnell auf Homeoffice umgestellt und gleichzeitig die Kommunikation mit unseren Kunden intensiviert. In solchen Zeiten ist der Informationsbedarf sehr hoch. Soweit ich das beurteilen kann, haben die Investoren aber sehr besonnen reagiert. Mittlerweile haben sich die Kurse ja bereits wieder deutlich von den Tiefs gelöst. Mit Schwankungen ist aber vorderhand weiter zu rechnen.

«Jetzt geht es darum, Firmen zu finden, die zu stark abgestraft wurden und überdurchschnittliches Upside-Potenzial haben.» Paolo Corredig, Country Head Schweiz bei T. Rowe Price

Solche Verwerfungen an den Märkten sind für uns nicht grundsätzlich neu – auch wenn jede Krise ihre eigene Charakteristik hat. In der Vergangenheit konnten unsere Kunden von solchen Situationen auf mittlere bis langfristige Sicht immer profitieren. Wir haben eine Heerschar an Analysten, die rund um die Uhr die Märkte beobachten, um daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Jetzt geht es darum, Firmen zu finden, die zu stark abgestraft wurden und überdurchschnittliches Upside-Potenzial haben.

London war bis anhin in Europa das Zentrum zum Thema Asset Management. Wie wird der Brexit sich auf diese Position auswirken, welche Chancen könnten sich dadurch für die Schweiz ergeben?

London ist innerhalb Europas noch immer ein Spitzen-Standort für Asset Management. Die Mehrheit der globalen Player ist in London vertreten und leitet von dort aus das europäische Geschäft. Für Unternehmen ist die britische Hauptstadt insbesondere in Bezug auf Kapital für Börsengänge oder Emissionen gefragt. Der Brexit dürfte mittelfristig nicht viel daran ändern, wenngleich die genauen Verhandlungen zwischen den Parteien noch nicht geklärt sind.

Die Tatsache dass Schweizer Asset Manager noch immer nicht gleich lange Spiesse wie ihre Pendants in der EU haben, muss ebenfalls berücksichtigt werden. Um zu ermöglichen, dass Schweizer Vermögensverwalter ihre Produkte und Mandate in Europa anbieten und vertreiben können muss eine rechtliche Rahmenbedingung geschaffen werden. Hilfreich hierfür könnte ein institutionelles Rahmenabkommen mit der EU sein, wie es seit geraumer Zeit bereits diskutiert wird.

Auch im Asset Management spielen Skaleneffekte eine wichtige Rolle: Wer ein grosses Vermögen verwaltet, kann die Kosten tiefer halten und hat mehr Investitionsspielraum. Was bedeutet das für die Zukunft der Schweizer Asset Manager?

Grosse Asset Manager mit globalem Business haben tatsächlich einen Kostenvorteil, da sie verhältnismässig geringere Verwaltungs- und Managementkosten zu tragen haben. Die bessere Kostenstruktur erlaubt es ihnen auch, umfassend und nachhaltig in Talente und Infrastruktur zu investieren. Folglich ist Grösse sicherlich ein Vorteil.

«Menschen, nicht Computer und Algorithmen, stehen im Mittelpunkt unseres Investitionsprozesses.»

Es gibt aber auch andere Erfolgsfaktoren. Mehrere Studien, beispielsweise der Universität von Kalifornien, konnten belegen, dass es stabilen Managementteams eher gelingt Überrendite zu erzielen. Insbesondere dann, wenn das Team seit längerem zusammenarbeitet und gemeinsam unterschiedliche Zyklen erlebt hat. Hier spielt eine klare Verteilung der Verantwortlichkeit ebenfalls eine wichtige Rolle. Beides gilt natürlich auch für Schweizer Asset Manager.

Welche Innovationen könnten das Asset Management in naher Zukunft massgeblich beeinflussen?

Grosses Potenzial für unsere Branche sehen wir im Bereich Artificial Intelligence. Wir nennen den Bereich AI Augmentation. Vor zwei Jahren haben wir in New York eine spezialisierte Einheit gegründet. Das Technology Development Center unter der Leitung von Jordan Vinarub zielt darauf ab, die Automatisierung sowie Generierung von Erkenntnissen aus Datensätzen voranzutreiben.

«Wissenschaftliche Studien zeigen auf, dass aktiv agierende Vermögensverwalter im Vorteil sind, wenn die Märkte intensiver schwanken, wie es derzeit der Fall ist.»

Cloudbasierte Softwarelösungen, fallende Kosten für die Datenspeicherung und weitere Neuerungen haben das Sammeln riesiger Datenmengen günstig und einfach gemacht. Unser Team in New York hat beispielsweise ein Modell für die Analysten entwickelt, das eine theoretische Bewertung für jede Aktie im Russell 1000 Index liefert. Analysten können anhand des Tools simulieren, wie bestimmte Fundamentaldaten zum Beispiel die Beschleunigung der Wachstumsrate den theoretischen Wert des Unternehmens verändern.

Robo-Advisor, Künstliche Intelligenz, selbstlernende Algorithmen können schneller viel mehr Informationen verarbeiten und Entscheidungen treffen. Wann sehen wir den letzten menschlichen Asset Manager?

Bei allem technischen Fortschritt, der uns in vielerlei Hinsicht voranbringen wird, sind es vielfach andere Faktoren, die den Erfolg eines Unternehmens ausmachen. Sie lassen sich nicht durch Zahlen und Excelsheets zusammenfassen. Aus diesem Grund sind unsere Analysten und Portfolio Manager direkt mit dem Management der Firma in Kontakt, um sich einen Überblick über den Betrieb und die Kunden des Unternehmens zu verschaffen.

Menschen, nicht Computer und Algorithmen, stehen im Mittelpunkt unseres Investitionsprozesses. Das unterscheidet uns wahrscheinlich von vielen anderen Asset Managern, die sich zunehmend automatisierter Ansätze zuwenden, um Investitionsentscheidungen zu treffen. Eine Welt ohne menschliche Asset Manager werden wir daher in absehbarer Zeit definitiv nicht erleben.

Die nun schon lange anhaltende Tiefzinsphase mindert das Vorsorgevermögen einer ganzen Generation signifikant. Welchen Beitrag könnte die Vermögensverwaltung hier zu einer Verbesserung der Situation leisten, weshalb werden Asset Manager bei dieser Frage kaum als aktive Gestalter wahrgenommen?

Da Asset Manager im B2B-Bereich tätig sind, werden sie von der breiten Masse weniger wahrgenommen. Wir arbeiten mit Banken, Versicherungen oder Pensionskassen zusammen und liefern ihnen die gewünschten Anlagelösungen in Form von Fonds oder Mandaten. Es darf zudem nicht vergessen werden, dass viele Innovationen auf der Anlageseite von Asset Managern stammen.

«Trotz staatlicher Rahmenbedingungen und steuerlicher Anreize ist de facto der Versicherte für seine Altersvorsorge zunehmend selbst verantwortlich.»

Angesichts der Überalterung der Bevölkerung müssen sich insbesondere Pensionskassen grossen Herausforderungen stellen. Trotz staatlicher Rahmenbedingungen und steuerlicher Anreize ist de facto der Versicherte für seine Altersvorsorge zunehmend selbst verantwortlich. Hier kommen Asset Manager wieder ins Spiel, denn sie verfügen über das notwendige Know-how der Geldanlage zur Altersvorsorge.

Wo stehen wir bei der wiederkehrenden Frage von aktiver oder passiver Vermögensverwaltung, wie vergleichen sich die beiden Ansätze bezüglich Performance und Anteil bei den verwalteten Vermögen?

Passive Komponenten haben in der Asset-Allokation durchaus ihre Berechtigung, über einen längeren Zeitraum hinweg kann ein qualifizierter aktiver Investmentansatz den Unterschied ausmachen. Denn aktive Vermögensverwaltung ist insbesondere in einem Tiefzinsumfeld relevant: Die Renditen fallen niedriger aus und das Alpha hat relativ gesehen eine höhere Bedeutung.

Wissenschaftliche Studien zeigen zudem auf, dass aktiv agierende Vermögensverwalter im Vorteil sind, wenn die Märkte intensiver schwanken, wie es derzeit der Fall ist. Wenn die Korrelation der Renditen innerhalb der Benchmark gering ist, haben aktive Anlagestrategien einen grösseren Spielraum.

Bei vielen Menschen gewinnt auch durch die aktuelle gesellschaftliche Debatte Impact Investing an Bedeutung. Wie wird das reflektiert durch Ihre Kundschaft und Ihre Anlagestrategie?

In der Tat spüren wir eine steigende Nachfrage im Bereich Responsible Investing bei unseren Kunden. Eine Vorreiterrolle beim Impact Investing spielen beispielsweise nordische Pensionskassen. Die Schweiz ist im institutionellen Bereich derzeit zwar noch traditioneller unterwegs, aber der Trend zeigt auch hier in Richtung nachhaltiges Investieren.

«Wir spüren eine steigende Nachfrage im Bereich Responsible Investing bei unseren Kunden.»

Innerhalb unserer eigenen Anlagestrategie haben wir ein eigenes Analyse-Tool namens Responsible Investing Indicator Model – kurz RIIM – entwickelt. Sein Hauptzweck besteht darin, dass es bei Investitionen auf erhöhte ESG-Risiken hinweist. Es kann aber auch Unternehmen identifizieren, die besonders gut in dieser Hinsicht sind. Unsere Portfolio Manager erhalten dabei eine wichtige Grundlage, die sie unterstützt bessere Investmententscheidungen zu treffen.

In den USA haben sich die an der Börse kotierten Unternehmen in den letzten 20 Jahren halbiert. Welchen Einfluss hat diese Entwicklung auf die Strategien von Vermögensverwaltern, wie sehen Sie die weitere Entwicklung und Bedeutung der grossen Börsenplätze?

Es ist richtig, dass sich die Anzahl an investierbaren Unternehmen in den entwickelten Ländern, insbesondere in den USA, reduziert hat. Auf der anderen Seite ergeben sich in den Schwellenländern sowie in innovativen Branchen wie Cloud Computing und E-Commerce neue Opportunitäten für Investoren, welche dies kompensieren. Letztere profitieren sicher von der aktuellen Corona-Krise. Zudem bieten sich in den USA insbesondere im Private Equity spannende Möglichkeiten.

Zwei der grossen Themenbereich des Schweizer Finanzplatzes, Private Banking und Asset Management, beschäftigen sich vor allem mit den Anliegen des vermögendsten Teils der Gesellschaft. Sehen Sie hier in Zukunft, vor allem auch hinsichtlich der immer wichtiger werdenden Vorsorge, eine Kursänderung der Vermögensverwalter?

Schweizer und internationale Asset Manager legen seit jeher ein starkes Augenmerk auf die berufliche Vorsorge. Pensionskassen zählen zu den wichtigsten Kunden. Zu Beginn unserer Tätigkeit in der Schweiz vor gut 10 Jahren haben wir uns auf die Gelder in der 2. Säule konzentriert. Der Intermediäre Markt, d.h. die Geschäftsbeziehung zu Banken und unabhängigen Wealth Managern, ist aber stärker am Wachsen. Dahinter stehen wiederum Privatkunden mit ganz unterschiedlicher Portfoliogrösse und Ansprüche.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?

Wünsche sind immer eine gute Sache, tatsächlich habe ich etwas auf dem Herzen. Ich wünsche mir eine ausgeprägtere Aktienkultur in der Schweiz. Damit diese entstehen kann, sollten Kinder und Jugendliche den Umgang mit Geld spielerisch erlernen, idealerweise im Rahmen eines eigenen Schulfachs. Nur so kann Interesse und wichtiges Verständnis geweckt werden.

Denn in Anbetracht des demografischen Wandels und der Sorge vor Altersarmut profitieren alle davon, wenn jeder einzelne über finanzielle Kompetenz verfügt. Über lange Zeit führt nämlich kein Weg an Aktieninvestments vorbei. Auch heftige Korrekturen an den Aktienmärkten wie wir sie gerade gesehen haben, ändern nichts daran.


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