Paul Zumbühl, CEO Interroll, im Interview

Paul Zumbühl, CEO Interroll, im Interview
Interroll-CEO Paul Zumbühl. (Foto: Interroll)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Zumbühl, 10 Prozent Gewinnmarge und 100 Millionen Cashflow für 2019. Das sind für ein Jahr, welches bereits im Zeichen blockierter Wertschöpfungsketten steht, sehr gute Ergebnisse. Was passiert, wenn der Protektionismus weiter Urstände feiert?

Paul Zumbühl: Interroll hat mit dem Ziel einer höchstmöglichen Lieferfähigkeit seine Lieferketten in den vergangenen 20 Jahren sehr dezentral, nah an den Zielmärkten ausgerichtet. Dementsprechend ist unser «Lokaler Footprint» stark. Beim Handelskrieg zwischen den USA und China hat sich gezeigt, dass wir nur sehr geringfügig von Handelsbarrieren betroffen waren. Wir hoffen dennoch sehr darauf, dass wir und unsere Kunden vom Protektionismus weitgehend verschont bleiben.

Asien, wo Interroll ein Sechstel seines Umsatzes erzielt, wird sich nicht aufhalten lassen. Merken Sie ein erneutes Durchstarten von China nach der Zwangspause?

Für den Moment scheint China die Corona-Krise zumindest eingedämmt zu haben und zu einer gewissen wirtschaftlichen Normalität zurückzufinden. Wir sind auf das Wachstum in der Region vorbereitet: wir werden in Kürze 25 Millionen Franken in Suzhou für ein neues Werk investieren.

«Interroll wird in Kürze 25 Millionen Franken im chinesischen Suzhou für ein neues Werk investieren.»
Paul Zumbühl, CEO Interroll

Ist der neue Fertigungsstandort in Thailand ein besonderes Bekenntnis zu den Tigerstaaten südlich von China?

Sicher. Wir sehen aber auch weiterhin eine hohe Dynamik in den ASEAN-Staaten (aber auch Südkorea und Australien). Thailand spielt die zentrale Rolle in der ASEAN Region. Wir glauben an weiteres Wachstum in der Region. Die Basis an Konsumenten wächst dort sehr stark.

Wird Amerika, wo es letztes Jahr um 13,8 Prozent im Umsatz zurückging, jetzt kurzfristig die grösste Herausforderung?

Wie sich Corona jetzt weiterentwickelt, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Jedoch hat zum Beispiel Südkorea vorgemacht, wie die Epidemie zumindest eingedämmt werden kann. Wir glauben, dass sich die mittelfristige Nachfrage aus dem E-Commerce und bei Post- und Paketdienst-Kunden positiv entwickeln kann. Auch die Lebensmittelindustrie zeigt mittelfristiges Automatisierungspotenzial, dass aufgrund der Krise noch akzentuierter sein wird. Der bisherige Auftragseingang in Q1 stimmt uns vorsichtig optimistisch, allerdings waren die USA verglichen mit anderen Ländern bis vor kurzem eher geringfügig betroffen.

Wird sich die für April geplante Eröffnung Ihres neuen Werkes bei Atlanta/Georgia eventuell verzögern?

Derzeit halten wir an den Plänen fest.

«Die Lebensmittelindustrie zeigt mittelfristiges Automatisierungspotenzial, dass aufgrund der Coronakrise noch akzentuierter sein wird.»

Zum wechselseitigen Schutz hatte Interroll rund um den Hauptsitz in Sant’Antonino Grenzgänger aus Italien in Schweizer Hotels untergebracht. Was halten Sie nun von der Massnahme im benachbarten Italien und im Tessin quasi alle Nonfood-Fabriken zu schliessen?

Die Entscheidung der italienischen Regierung möchte ich nicht kommentieren, da wir nicht direkt mit einem Produktionsstandort vor Ort betroffen sind. Fürs Tessin: Wir sehen uns als systemrelevanter Zulieferer der Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Unsere Trommelmotoren werden in der hygienischen Lebensmittelverarbeitung eingesetzt. Bei der Distribution von Getränken vertrauen eine Vielzahl von Kunden aus der Branche auf Förder- und Lagerlösungen von Interroll. Für unsere Kunden, die dringend auf unsere Lieferungen warten, gerade weil in Krisenzeiten im Food-Bereich hochgefahren wird, wäre ein Lieferausfall ein massives Problem.

Viel händische und damit kontaminationsanfällige Arbeit braucht die Fabrik oder die Verteilzentrale der Zukunft doch kaum mehr. Robots und Cobots können das meiste übernehmen…

Das hängt immer vom jeweiligen Prozessschritt ab, aber die Notwendigkeit zur Automatisierung ist klar vorgezeichnet. Für das Zusammenspiel von Robotik und Fördertechnik haben wir bereits vorgesorgt. So haben wir mit der EC5000 einen RollerDrive im Angebot, die das Fördergut millimetergenau positioniert und damit dem Roboter die Arbeit erleichtert.

Die Digitalisierung wird gerade auch in der Logistik extrem weiter getrieben. Wo verorten Sie da die grössten Effizienzgewinne?

Digitalisierung wird überall dort forciert werden, wo Zeit eingespart werden kann, und Anlagenverfügbarkeit wird künftig noch wichtiger werden. Der Materialfluss wird in Zukunft sicher sehr viel digitalisierter ablaufen, auch hier haben wir mit der EC5000 eine Lösung am Markt, die rund 100 Datenparameter generiert. Wir sehen grosse Chancen, die Daten für Predictive Maintenance (vorausblickende Wartung) zu nutzen. Ausserdem bieten wir bereits für den Planungsprozess unser digitales Interroll Layouter Tool, mit dem Kunden ganze Förderanlagen ohne grossen Aufwand beim Engineering planen und gleich bestellen können. In der Produktionslogistik wird sich im Umfeld von Industrie 4.0 viel bewegen. Darauf bereiten wir uns gezielt vor.

«Für das Zusammenspiel von Robotik und Fördertechnik haben wir bereits vorgesorgt.»

Was im Geschäftsbericht 2019 auffällt, ist der um 14 Millionen gesunkene Materialaufwand. Werden Ihre Rollen etwa immer leichter?

Nein. Die Rollen werden genau nach Bedarf des Kunden gefertigt. Wir haben sicherlich in der Automatisierung unserer Produktion Fortschritte gemacht. Nicht alle unserer Produktgruppen sind in gleichem Masse materialintensiv, es kann also durchaus zu Schwankungen kommen.

Expansionsbedingt nahm der Personalaufwand um 6 Millionen zu. Nach dem Umsatzeinbruch 2009 haben Sie damals niemanden entlassen. Könnte das im schlimmsten Weltrezessionsszenario jetzt anders werden?

Die Situation ist volatil, das heisst für uns: Wir müssen natürlich auf alle Szenarien vorbereitet sein; derzeit sind wir aber zumindest für mittelfristiges Wachstum optimistisch und bereiten uns auch weiterhin unsere Kapazitätserweiterung mit Hochdruck vor.

In Ihrer mageren Dividendenerhöhung um 50 Rappen kommt aber eine gewisse Vorsicht zum Ausdruck…

In den letzten 20 Jahren haben wir mit Ausnahme 2009 jedes Jahr die Dividende kontinuierlich erhöht. Die Dividende umfasste jeweils 30-40% des jeweiligen Nettogewinnes. Diese Regelung ist auch fürs abgelaufene Geschäftsjahr gültig.

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