Philipp Perren, VRP Air Zermatt AG, im Interview

Philipp Perren, VRP Air Zermatt AG, im Interview
Philipp Perren, VRP Air Zermatt AG. (Foto: zvg)

von Robert Jakob

Moneycab.com: Herr Perren, einem Luftikus wie mir kommt das Angebot der Air Zermatt wie ein Schlaraffenland vor. Welche Flugangebote sind bei den Kunden am beliebtesten?

Philipp Perren: Die meisten Flüge der Air Zermatt fallen in den need to have-, und nicht in den nice to have-Bereich. Sie sind quasi unumgänglich, weil es keine Alternative zum Lufttransport gibt oder weil jede andere Lösung aus finanziellen oder ökologischen Gründen nicht in Frage kommen. Dies sind auch die Flüge, die unsere Kunden am meisten schätzen. Wie, ausser per Helikopter, bringen Sie beispielweise ein Kreuz auf die Kirchturmspitze, ohne ein Gerüst zu machen? Wie die Bäume aus dem Bannwald, ohne eine Strasse zu bauen, die dann zu Erosionen führt? Oder wie die Lebensmittel in die Berghütte? Die Maultiere, welche diese Transporte früher machten, gibt es nämlich schon lange nicht mehr. Und oft können Sie sogar nur aus dem Helikopter Lawinen sprengen, ohne die Leute selbst in Gefahr zu bringen.

Aber wie sieht es mit der Umweltverträglichkeit aus? Helikoptertourismus hat nicht die beste Presse.

Auch wenn wir durch Investitionen in modernstes Fluggerät versuchen, den Fussabdruck so klein wie möglich zu halten, ist es so, dass Helikopter noch mit Erdölprodukten betrieben werden. «Sustainable Fuel» wird kommen, ist aber aktuell noch nicht erhältlich oder noch nicht zugelassen. So bleibt für die Touristen heute nur die Kompensation, beispielsweise über «my climate».

Allerdings muss man in diesem Zusammenhang gleich auch sehen, dass die Reise vom Wohnort in den Wintersportort erheblich mehr CO2-Ausstoss verursacht als ein Helikopterrundflug. Ebenso ist der Lufttransport, wenn Sie an die Beispiele oben denken, vielfach die günstigste Lösung – weil sie auch die ökologischste Lösung ist. Das Gerüst und noch viel mehr die neu zu erstellende Waldstrasse hinterliessen insgesamt einen viel grösseren Fussabdruck als der Helikoptertransport.

«Die meisten Flüge der Air Zermatt fallen in den need to have-, und nicht in den nice to have-Bereich.»
Philipp Perren, VRP Air Zermatt AG

Die rund 20 Prozent touristischen Flüge müssen in erster Linie die rund 20 Prozent Rettungsflüge quersubventionieren. Wie gut rentieren die Materialtransporte?

Die Rettungsflüge werden aus dem gesamten kommerziellen Bereich quersubventioniert, nicht nur durch die touristischen Flüge. Dabei ist die Marge bei den touristischen Flügen tendenziell eher höher, weil der Aufwand geringer ist als bei Transporten. Letztere benötigen eine umfangreiche Bodencrew und viel Material. Andererseits sind die Transporteinsätze oft umfangreich, zum Beispiel bei Grossbaustellen, oder repetitiv, wie bei Hüttenverproviantierungen, sodass trotz der geringeren Marge ein Deckungsbeitrag resultiert.

Die touristischen Flüge haben für die Walliser Helikopterunternehmen eine andere zentrale Bedeutung: In der Wintersaison sind sie – neben den Rettungen – oft die einzige Einnahmequelle und ermöglichen so den Unternehmen, den grössten Teil des Personals ganzjährig anzustellen. Auch die lokalen Bergführer erhalten dadurch im Winter eine Verdienstmöglichkeit. Und schliesslich können die Piloten und Mitarbeitenden ihr Training über die Wintersaison aktuell halten.

Was kostet so eine Helikopterstunde in etwa?

Bei den Helikoptern, welche die Air Zermatt aufgrund des Anforderungs- und Einsatzprofiles einsetzt beziehungsweise einsetzen muss, reicht der Preis von rund 2000 Franken pro Stunde bis zu deutlich über 6000 – je nachdem welcher Helikopter eingesetzt wird. Die günstigsten Helikopter mit zwei Plätzen, die aber in unseren Höhen faktisch nicht mehr eingesetzt werden können, kosten um die 600 pro Stunde.

Haben die Hütten des Schweizer Alpen Clubs Sonderkonditionen?

Wir versuchen immer faire und korrekte Preise anzubieten, egal ob ein Kunde unbedingt auf den Einsatz angewiesen ist, etwa bei einer Luftbrücke, oder ob wir uns wie bei grossen Baustellen in einem hart umkämpften Markt bewegen. Insofern haben auch die SAC-Hütten die gleichen fairen Konditionen wie unsere übrigen Kunden. Bereits seit Jahrzehnten fliegen wir den Abfall gratis zurück ins Tal. Vor allem aber versuchen wir immer da zu sein, wenn uns der Hüttenwart braucht.

«Das Wallis und die Walliser Helikopterunternehmen hatten und haben den Ehrgeiz, dass das ganze Kantonsgebiet mit einem Rettungshelikopter innert weniger als 15 Flugminuten erreichbar ist.»

Warum sind eigentlich die Heliports im Walliser Haupttal so nahe nebeneinander?

Das Wallis ist ein zweisprachiger Kanton – und da gibt es viele Infrastrukturen wie Schulen und Spitäler doppelt, die es in anderen Kantonen in dieser Distanz nur einmal gäbe. So gibt es auch zwei Helikopterunternehmen – eines im deutschsprachigen Oberwallis und eines im französischsprachigen Unterwallis. Wirklich nahe beieinander, sprich rund 10 Flugminuten, liegen nur Sion und Gampel. Die weiteren Heliports des Wallis sind nicht wesentlich näher beieinander als in anderen Kantonen. Das Wallis und die Walliser Helikopterunternehmen hatten und haben den Ehrgeiz, dass das ganze Kantonsgebiet mit einem Rettungshelikopter innert weniger als 15 Flugminuten erreichbar ist. Das haben wir mit Collombey, Sion, Gampel und Zermatt praktisch geschafft.

Zur Air Zermatt AG gehört auch Air-Glaciers mit Basen in Lauterbrunnen und Saanen, an denen man schon seit gut 50 Jahren präsent ist. Das Herzstück der beiden Gesellschaften ist aber klar das Wallis. Umgekehrt drängt jetzt die Rega über den Umweg der Héli-Alpes SA ins Wallis. Die Medien sprechen von «Luftschlacht». Das ist ja wohl etwas übertrieben?

Eine Luftschlacht ist das gewiss nicht. Es ist aber auch nicht gerade «gentlemen-like», wenn die REGA mit ihren Hunderten von Millionen Gönnergeldern nun ins Wallis kommen will und die lokalen Unternehmen, die jahrelang die Partner der REGA waren, an die Wand zu drängen versucht. Es gibt für diesen Schritt auch keinen rationalen Anlass: Das Wallis ist nicht nur die Wiege der modernen Helikopterrettung, sondern hat mit den vier Rettungsbasen und den vier zweimotorigen Rettungsmaschinen das dichteste Netz der ganzen Schweiz. In der Hochsaison stehen zu Spitzenzeiten bis zu sechs weitere, als Rettungsmaschine ausgerüstete einmotorige Helikopter, die aus dem kommerziellen Dienst abgezogen werden, auf Pikett. Im grösseren Kanton Graubünden gibt es gerade einmal zwei Rettungsbasen mit zwei Twins und ohne zusätzliche einmotorige Maschinen. Im Tessin gibt es eine einzige Basis mit einem Twin.

«Eine Luftschlacht ist das gewiss nicht. Es ist aber auch nicht gerade «gentlemen-like», wenn die REGA mit ihren Hunderten von Millionen Gönnergeldern nun ins Wallis kommen will und die lokalen Unternehmen, die jahrelang die Partner der REGA waren, an die Wand zu drängen versucht.»

Macht Ihnen die Neuausschreibung der Luftrettung nun im ersten Quartal 2022 Kopfzerbrechen? Sie bezeichneten die Bergrettung schon einmal als Ihr «Herzblut».

Ausschreibungen darf man nie auf die leichte Schulter nehmen und sie können immer auch arbiträre Elemente enthalten. Ich bin aber überzeugt, dass niemand anderes als die beiden lokal auch kommerziell tätigen Walliser Gesellschaften ein so dichtes Dispositiv anbieten würde und dass niemand anderes ein derart gutes Training und profunde Kenntnisse der Geographie, der Meteorologie und der anderen lokalen Verhältnisse ausweisen kann.

Während die Rega rund dreieinhalb Millionen Gönner zählt, sind es bei Air Zermatt und Air-Glaciers insgesamt rund 100’000. Macht Sie das finanziell anfälliger? Meinen Sie, dadurch ungleiche Spiesse zu haben, weil Sie vielleicht mehr Bergrettungen als die Rega fliegen?

Über die quasi unlimitierten finanziellen Mittel der REGA verfügen wir natürlich nicht. Darum kämen wir – wären wir ein externes Unternehmen – auch nie auf die Idee in den hervorragend abgedeckten Walliser Markt eindringen zu wollen. Insofern sind es tatsächlich ungleiche Spiesse: Die REGA kann dank der vielen Gönnergelder praktisch machen, was sie will – völlig losgelöst von jeglichen ökologischen Überlegungen. Ob das im Interesse der Gönner liegt, ist dann eine andere Frage, die nicht ich beantworten muss.

Ich weiss nicht, ob die Air-Glaciers und Air Zermatt zusammen mehr Bergrettungen fliegen als die REGA. Ich vermute, da liegen die Walliser und die REGA in etwa gleich auf. Was aber Fakt ist: Während ein REGA Pilot vielleicht hundert Windenrettungen pro Jahr fliegt, fliegen die auch im kommerziellen Bereich tätigen Piloten der Walliser Gesellschaften zwischen 4’000 und 8’000 Flüge mit Unterlasten – wo die genau gleichen Fähigkeiten verlangt und trainiert werden, wie bei Windeneinsätzen.

Wie könnten Ihrer Meinung nach denn Air Zermatt und Rega am besten oder ehesten am gleichen Strang ziehen?

Air Zermatt und REGA haben seit über 50 Jahren im Interesse der Verletzten und Kranken Hand in Hand gearbeitet und sich ausgeholfen, wo immer das nötig war. Die Air Zermatt und die Air-Glaciers im Wallis und die REGA im Rest der Schweiz. Das war gut und richtig so. Wie sagte die REGA immer: «Es braucht in einem Dorf keine zwei Feuerwehren» und «Der Aufbau von Parallelstrukturen im Bereich der Blaulichtorganisationen ist nicht zielführend». Das stimmt – nicht nur in Zürich, sondern auch im Wallis.

Wie viele Starts und Landungen muss ein Helikopterpilot gemacht haben, bevor er für die Air Zermatt AG arbeiten kann?

Bevor ein Pilot im Einsatzgebiet der Air Zermatt arbeiten darf, ist ein Berufspilotenbrevet mit einer Gebirgserweiterung verlangt. Dann hat er wohl rund 500 Stunden und 5000 Landungen absolviert. Das reicht aber noch nicht. Bis ein Pilot bei der Air Zermatt als Rettungspilot arbeiten kann, hat er eine Erfahrung von rund 2’000 Stunden und 20’000 Unterlasttransporten. Diese Erfahrung sammelt er in einem Zeitraum von fünf oder mehr Jahren. Wir führen die Piloten schrittweise ein. Zuerst macht ein Jungpilot nur Rundflüge mit Landungen auf Heliports und Flugplätzen. Die nächste Stufe sind die Gebirgslandungen auf den vordefinierten Gebirgslandeplätzen. Danach folgen Transportflüge mit kurzem Seil.

Die Seillänge wird dann immer weiter gesteigert. Die dritte Stufe sind Montagearbeiten mit Lasten. Dabei fliegt der Helikopter nicht ein Netz mit Lebensmittel zur Hütte, sondern montiert Seilbahnstützen oder fliegt Beton, der direkt in die Schalung gegossen wird. Und erst danach fliegt ein Pilot auch Rettungen. Oder auf einen einfachen Nenner gebracht: Ohne touristische Flüge keine Rettungspiloten. Das ist nicht nur bei uns so. Ausnahmslos alle Rettungspiloten haben ihre Sporen mit Passagierflügen abverdient. So hatte die Air Zermatt als Partnerunternehmen der REGA auch bei einem Ausbildungsprogramm für angehende REGA-Piloten mitgemacht.

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