René Kohler, CEO Contovista, im Interview

René Kohler, CEO Contovista, im Interview
René Kohler, CEO Contovista (Bild: Contovista)

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Kohler, neun Jahre nach dem Start und dem Proof-of-Concept, hat Finnova 2022 Contovista von Aduno (heute Viseca) übernommen. Wie hat das die Strategie von Contovista beeinflusst, was waren die wichtigsten Änderungen durch die neue Besitzerin?

René Kohler: Contovista kombiniert Design, Technologie und Data Analytics, um einzigartige Banking-Erlebnisse für Bankkunden und für Banken zu schaffen. Dies war von Beginn an die Intention und der Treiber und hat sich mit der Übernahme durch Finnova nicht geändert. Contovista entwickelt weiterhin data-driven Finance Management Lösungen, in deren Kern die Anreicherung und Verarbeitung von Transaktionsdaten steht. Und integriert diese mit Banken-Plattformen von diversen Herstellern – also bleibt die Unabhängigkeit vom Kernbanken-System erhalten.

Nicht-Finnova Banken, bzw. andere Kernbankensystem Anbieter bleiben weiterhin genauso integrierbar wie bereits heute. Mit der Übernahme gibt es auf der einen Seite sicher eine bestimmte Erwartungshaltung von Finnova-Banken (diese machen heute ca. 35% unserer Kunden aus) – diesen verfolgen wir durch eine bessere Integration in die bestehenden Finnova-Lösungen. Auf der anderen Seite, durch neue Leistungsangebote von data-driven Banking für alle Banken. Wir wollen die Finanz-Landschaft von morgen durch datengestützte Innovationen weiter stärken. Dies bedeutet, dass wir noch stärker in Eco-Netzwerken zusammenarbeiten werden. Als Open Banking Pionier setzen wir auch in Zukunft auf Open Banking und Open Data.

«Wir wollen die Finanz-Landschaft von morgen durch datengestützte Innovationen weiter stärken. Dies bedeutet, dass wir noch stärker in Eco-Netzwerken zusammenarbeiten werden.» René Kohler, CEO Contovista

Sie kamen im Mai 2023 als CEO zu Contovista, zuvor waren Sie 6.5 Jahre Leiter Informatik bei der Valiant Bank. CIO und CEO sind zwei sehr unterschiedliche Rollen. Wo orten Sie selbst noch Lernbedarf und wie decken Sie diesen?

Auf meinem beruflichen Weg durfte ich vielfach an der interessanten Schnittstelle zwischen Business und IT wirken. Es galt IT-Business-Lösungen bereit zu stellen, welche das Business und die Kunden optimal unterstützen und auch eine gute Balance zwischen Nutzen und Kosten zu erreichen. Da ist der Unterschied zwischen einem CIO einer Bank und einem CEO eines Software-Lösungsanbieters nicht so gross. Die CEO-Rolle ist jedoch deutlich breiter gefasst. Es gilt das Gesamtunternehmen auf die strategischen Ziele auszurichten und dies umfasst nicht nur Business-Alignement, Entwicklung und Projektmanagement, sondern auch Sales, Marketing und Produktmanagement.

In unserer Grösse ist eine Alignierung der Kompetenzen entscheidend für ein schlagkräftiges Team. Hierzu tausche ich mich mit anderen Firmen und FinTechs aus, um zu lernen, wie dies an anderen Orten erfolgreich gemacht wird. Auch der Austausch mit Kunden ist absolut wichtig, um noch besser zu verstehen, welche Herausforderungen anstehen – und wo wir einen Beitrag liefern können.

Contovista entwickelt seit Beginn datenbasierte Analyse-Lösungen, um den Benutzerinnen ein vertieftes Verständnis ihrer finanziellen Situation zu vermitteln (data-driven Banking, DDB). Wie können die Bankkundinnen und Bankkunden heute von diesen Lösungen profitieren?

Unser Leistungsangebot wie Personal Finance Management (PFM) und personalisierte Insights bringt den Kundinnen mehr Transparenz und ein besseres Verständnis der jeweiligen finanziellen Situation. Multibanking bringt eine Bank übergreifende konsolidierte Sicht aller Finanzen in Echtzeit, unser Modul “Intelligente Steuerabzüge» identifiziert und kategorisiert automatisch steuerrelevante Positionen und Bewegungen.

«Unser Leistungsangebot wie Personal Finance Management (PFM) und personalisierte Insights bringt den Kundinnen mehr Transparenz und ein besseres Verständnis der jeweiligen finanziellen Situation.»

Der Carbon Footprint Manager, den wir im Sommer 2022 lanciert haben, hilft, den persönlichen konsumbedingten CO2-Ausstoss zu verstehen. Zudem informieren Tipps über Verbesserungsmöglichkeiten oder zeigen relevante Produktempfehlungen auf. Das alles führt zu mehr Kontrolle über die eigenen Finanzen der Bankkunden und damit zu einer verbesserten finanziellen Gesundheit.

Wo liegen die grössten Chancen und Risiken des data-driven Bankings für die Finanzinstitute?

Rund um das “finanzielle Leben” von Menschen entstehen sehr viele Daten, welche natürlich treffend das Verhalten und die Entwicklung festhalten. Data-driven Banking liefert daraus ein breites Spektrum an Erkenntnissen und Wissen. Das hilft den Banken, ihre Kundinnen individuell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten zu beraten oder auch personalisierte Angebote direkt im Digital-Banking zu offerieren. Darüber hinaus unterstützt data-driven Banking Banken dabei, fundierte Entscheidungen zu treffen, ihre Dienstleistungen zu verbessern und ihre Abläufe insgesamt effizienter zu gestalten.

Data-driven Banking hilft, den Kundenservice zu verbessern, die Effizienz zu steigern und Risiken zu minimieren, indem z.B. Fraud erkannt wird, Kreditrisiken beurteilt werden, etc. Data-driven Banking bietet also vielfältige Vorteile und hilft operative Risiken der Banken zu managen. Den Risiken aus der Nutzung von Daten begegnen wir mit entsprechender Sicherheit, konsequentem Handling von CID (Customer Identifying Data)  und der Einhaltung der gesetzlichen Regelungen.

Künstliche Intelligenz und grosse Sprachmodelle (LLM) haben dank Anwendungen wie ChatGPT enormes Interesse bei der breiteren Bevölkerung geweckt. Wo setzen Sie diese Techniken bei Contovista ein, welche nächsten technologischen Entwicklungen sehen Sie als prägend für den Finanzsektor?

Das Potential der Technologie ist länger bekannt. Ich selbst bin sehr positiv überrascht, über die revolutionäre Ausbreitung dieser “KI”-Anwendungen und wie einfach sie unterstützend eingesetzt werden können – und dies ist nur der Anfang der Reise.

Mit öffentlich zugänglichen LLMs (Large Language Models), dediziert trainierten und eingesetzten LLMs und darauf basierten Applikationen entsteht ein sehr grosses Potential. Insbesondere um aus den “unendlichen” und vielfältigen Datenströmen gezielt und nutzbringend Informationen herauszuholen.
Mit der Verarbeitung von monatlich über 400 Mio Transaktionen, braucht es hoch effiziente und performante Algorithmen. Bei der Datenanreicherung setzen wir Machine Learning ein, um die Datenbearbeitung effizient ausführen zu können.

«Mit öffentlich zugänglichen LLMs (Large Language Models), dediziert trainierten und eingesetzten LLMs und darauf basierten Applikationen entsteht ein sehr grosses Potential.»

KI wird den Finanzsektor weiterhin stark prägen und auch verändern. Für uns als Contovista ist es daher wichtig, vorne mit dabei zu sein, die Lösungen genau zu analysieren und neueste Erkenntnisse zu berücksichtigen. Ziel dabei: unser Know-How sicherzustellen und unseren Vorsprung weiter auszubauen.

Analyse von Kundendaten, vor allem, wenn sie sparten- oder sogar bankenübergreifend stattfinden, unterliegen strengen Datenschutzauflagen. Wie gehen Sie damit um, welche Ansätze gibt es, damit Governance und Datenschutz nicht zu Innovationsverzögerern werden?

Für gezielte und nutzbringende Analysen ist die breite Nutzung von Daten (sparten- und bankübergreifend) von grosser Bedeutung. Demzufolge ist der Schutz der Daten und Verarbeitungsprozesse entscheidend.

Ein Ansatz ist, den technologischen und prozessualen Schutz von Anfang an sicherzustellen – Datenschutz by design. Ein anderer Ansatz ist die klare Trennung von CI-Daten und Transaktionsdaten sowie der Einsatz von Datenanonymisierung und Datenverschlüsselung. Die Herausforderung ist immer noch das Bereitstellen der Daten durch die Kundinnen und durch die Banken. Data-Analytics benötigt nun mal einen Zugriff auf die Daten.

Da die meisten Kundinnen mehr als nur eine Bankbeziehung haben, ist die Multibankfähigkeit, welche unter anderem stark von offenen Schnittstellen abhängt, entscheidend, um einen Gesamtüberblick über die eigene finanzielle Situation zu bekommen. Während die EU das Thema mit PSD2 weitgehend regelt, ist dies in der Schweiz noch freiwillig. Wo steht die Schweiz im internationalen Wettbewerb, wo besteht Handlungsbedarf?

Die Schweiz geht dieses Thema sehr pragmatisch an. Das kann man auslegen, als situativ angepasst, einen Schritt nach dem Anderen oder als mutlos und nicht kundenorientiert.

Die schweizer Finanzbranche muss sich nicht verstecken, wir haben viele innovative FinTechs. Bieten ihnen aber nicht immer ein ideales Umfeld, um Lösungen auch breit einzusetzen. Der Nutzen für Finanzinstitute und deren Kundinnen scheint noch nicht bei allen Playern am Markt verstanden zu sein – auch in Hinblick auf «Beyond-Banking Offerings».

«Ich würde mir wünschen, dass wir in der Schweiz proaktiver wären und die Themen Öffnung, Open Banking und Zusammenarbeit mit Anderen mit mehr Mut angehen.»

Daher würde ich mir wünschen, dass wir in der Schweiz proaktiver wären und die Themen Öffnung, Open Banking und Zusammenarbeit mit Anderen mit mehr Mut angehen. Es braucht nicht immer die drohende Hand einer Regulation – schon gar nicht, um innovativ und kundenorientiert zu sein.

Data-driven Banking ist als technologischer Ansatz abhängig von der Technologiereife der Banken und deren Kunden. Wo steht die Schweiz hier im internationalen Vergleich?

Die technologische Entwicklung in den letzten Jahren war enorm und der Trend zeigt eine weitere Beschleunigung. Die Schweiz steht hier grundsätzlich hervorragend da. Wir haben ein gutes Umfeld für Fintechs und ausgezeichnete Hochschulen, die technologisch in der Top-Liga mitspielen. Dies zeigt sich auch durch die grosse Anziehungskraft für die vielen grossen internationalen Unternehmen.

User nutzen heute, über alle Altersgruppen hinweg, bereits viele neue Technologien, nämlich Smartphones und Apps mit grossartiger UX. So erwarten auch Bankkunden, Top User-Erfahrung (UX) und den Einsatz dieser neuen Technologien.

«Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit sollten die Schweizer Finanzinstitute Innovationen und FinTech-Lösungen fördern.»

Beim konkreten Einsatz bei Banken nehmen wir dann doch noch Zurückhaltung wahr. Dabei bieten die neuen Technologien grosses Potenzial, Kundinnen in den verschiedenen Segmenten effizient zu bedienen. Seien es die beratungsintensiven Kunden mit spezifischen Insights und Empfehlungen und die Kunden mit wenig oder keiner Beratung mit effizienter und doch individueller Ansprache.

Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit sollten die Schweizer Finanzinstitute Innovationen und FinTech-Lösungen fördern. Dies beinhaltet für mich auch die Zusammenarbeit mit FinTechs und Startups. Die Entwicklung innovativer Finanzprodukte und Dienstleistungen, die Forcierung von Open Banking und die Integration von KI-Lösungen.

Fintechs versuchen primär, mit Funktionen zu punkten, die Kunden begeistern dank einfacher Verständlichkeit und datenbasierten Insights. Dazu braucht es vor allem neue Technologien und weniger traditionelle Kundenberater. Wie nehmen Sie die Rolle der traditionellen Banken bei dieser Entwicklung wahr, wie wird sie den Bankenplatz der Schweiz verändern?

Ich sehe hier nicht das Eine oder das Andere. Beide haben ihre berechtigte Bedeutung. FinTechs brauchen häufig einen Bank bezogenen Rahmen und die traditionellen Banken einen Impulsgeber für Innovationen. Trotz aller KI-Funktionen wird es auch in Zukunft qualifizierte Beratung brauchen. Diese Berater werden aber – teilweise zusammen mit den Kunden – modernste digitale, verständliche und datenbasierte Tool nutzen können. Insbesondere bietet die neue Technologie grosses Potenzial, gerade Kundensegmente die keine individuelle Beratung wünschen, effizient zu bedienen und dennoch “optimal” zu betreuen.

Idealerweise ist es eine Kombination aus qualifizierter Beratung und moderner Technologie, welche das künftige Banking prägt. Das wird auch die Kooperationen und das Wirken in Eco-Systemen verstärken. Dies ermöglicht es Banken, auf das technologische Know-how, die Innovationskraft und die Agilität von FinTechs zuzugreifen und Lösungen schneller auf den Markt zu bringen. Und hilft kleinen Startups von den Kundenbeziehungen und dem “regulatorischen Know- how» der Banken zu profitieren.

Ein zunehmend wichtiges Thema für Anlegerinnen ist, was sie mit ihren Investments bezüglich Umwelt oder sozialen Lebensbedingungen verändern können (Impact Investing). Wie findet diese Dimension Eingang in das datengetriebene Banking und die Lösungen von Contovista? 

Ich finde es gut, dass sich die Menschen immer mehr Gedanken über Nachhaltigkeit und ihr eigenes Verhalten in diesem Bereich machen. Es gibt bereits Banken mit Modellen für Green Investing, die mit KI arbeiten, um diesen neuen Anforderungen der Investment Community verstärkt Rechnung zu tragen. Das Potential ist hier aber noch lange nicht ausgeschöpft. Auch in diesem Bereich sind Daten ein wichtiger Faktor. Die Förderung von Impact Investing in data-driven Banking erfordert den Zugriff auf relevante Datenquellen, einschliesslich den Anbietern von ESG-Daten.

Wir bieten im ersten Schritt mit unserem Offering, Banken die Möglichkeit, ihre Kundinnen schon heute niederschwellig abzuholen. Dazu haben wir mit dem Carbon Footprint Manager, den wir mit unserem Partner Deedster lanciert haben, unsere Lösungen für Banken erweitert, um deren Kunden umfassende Einblicke in ihr Konsumverhalten und deren Auswirkungen auf die Umwelt zu bieten. Kunden haben somit einen transparenten Überblick (direkt im Banking, ohne zusätzliche Drittanbieter-Tools) über den CO2-Impact, den sie aufgrund ihres Konsumverhaltens verursachen. Dadurch steigt ihr Verständnis, und sie erhalten eine solide Basis für ihre Entscheidungen, z.B. zum Verhalten oder auch wo sie ihr Kapital einsetzen.

«Die Förderung von Impact Investing in data-driven Banking erfordert den Zugriff auf relevante Datenquellen, einschliesslich den Anbietern von ESG-Daten.»

Vor allem mittlere und kleinere Finanzinstitute setzen auf externe Anbieter von Banking-Plattformen. Wie gross ist die Bereitschaft dieser Anbieter, Contovista-Lösungen in die eigenen Plattformen einzubinden?

Der Einsatz von Banking-Plattformen als SaaS- oder Cloud-Lösungen wird weiter zunehmen. Dies macht ökonomisch auch Sinn. Was die entsprechenden Provider von Banking-Plattformen den Finanzinstituten anbieten, hängt stark davon ab, wie innovativ sich diese Anbieter selbst aufstellen.

Auch mittlere und kleinere Finanzinstitute spüren, dass die Bank-Kundinnen immer mehr erwarten. Wenn Banken das nicht intern abbilden können, weil das Know-How oder die Ressourcen fehlen, ist ihnen mit Offerings wie unseren sehr geholfen.

Der Erfolg gibt uns zum Glück recht – wir sehen nicht nur im Bestand, als auch bei Neukunden, das Finanzinstitute zu uns kommen, einerseits um von laufender Innovation zu profitieren, andererseits, «schnell und wendig» zu bleiben und ihre Angebote und Dienstleistung für Kunden weiter zu optimieren.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?

Gerne, hier sind meine zwei Wünsche – obwohl es mit den Wünschen immer so eine Sache ist – sie helfen aber mindestens, Awareness zu schaffen:

Mir liegt Open Banking und Open Finance am Herzen – daher ist mein erster Wunsch, dass Banken «mehr Gas geben» und somit die Entwicklung weiter voranschreitet. Ich würde erwarten, dass dadurch weitere Angebote Dritter in den Markt finden, die Banken wieder Wettbewerbsvorteile bringen können und den Kundinnen – sprich uns allen – einen Mehrwert bieten.

Ich glaube an die Innovationskraft von Eco-Systemen – mein zweiter Wunsch ist, dass Finanzinstitute, FinTechs und Technologieanbieter enger zusammenarbeiten, um gesamtheitliche Finanzlösungen zu entwickeln und damit dazu beitragen, die Bedürfnisse von Kundinnen besser zu erfüllen. Ich hoffe, dass meine Wünsche zur Förderung einer innovativen und kundenorientierten Finanzbranche beitragen.


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