Rino Borini, CEO und Co-Founder Scarossa, im Interview

Rino Borini, CEO und Co-Founder Scarossa, im Interview
Rino Borini, CEO und Co-Founder Scarossa. (Foto: zvg)

von Sandra Willmeroth

Moneycab.com: Rino, Du bezeichnest Dich als Brückenbauer zwischen der alten und neuen Finanzwelt – warum braucht es jemanden wie Dich?

Rino Borini: Damit die traditionellen Banken verstehen, dass ein fundamentaler Wandel stattfindet. Fintech, Open Finance, Embedded Finance, aber insbesondere ein verändertes Kundenverhalten sind die Treiber dieser Entwicklungen. Ebenso sind Kryptowährungen und digitale Assets keine kurze Nummer für Betrüger, sondern ein relevantes Geschäftsmodell für Banken. Damit eben diese Brücke auch stabil ist, braucht es sehr viel Education und deswegen haben wir vor drei Jahren beschlossen, dass wir mehr tun müssen als Konferenzen ausrichten, damit sich beispielsweise die Krypto- und Bankenszene untereinander vernetzen kann, sondern wir müssen die Leute auch ausbilden.

Das beste Riskmanagement für Banken ist, wenn alle Mitarbeitenden auf allen Stufen das nötige Wissen haben. Daher haben wir den Certified Crypto Finance Expert lanciert, der sehr erfolgreich ist und inzwischen führend ist in der Schweiz. Mit meiner Firma Scarossa bieten wir Trainings und Coaching für Finanzinstitute an, die das ganze Spektrum der digitalen Transformation abdecken und an der HWZ Zürich leite ich zwei CAS-Lehrgänge zu diesem Themenbereich.

Wer absolviert diese Lehrgänge?

Mitarbeitende aus der Finanzindustrie, die Lust haben, etwas Neues kennenzulernen und die verstehen wollen, wie diese neue Finanzwelt aussehen wird. Manche Teilnehmenden sind nach dem Intensivprogramm absolut fasziniert von dem, was da auf uns zukommt und sie haben es verstanden. Ihre Aufgabe ist es dann, dieses Wissen in ihre Unternehmen zu tragen. Da scheitern jedoch viele. Die Schweizer Banken schlafen gerne und wollen möglichst lange ausruhen – daher hinkt die Schweizer Bankbranche auch bei Themen wie dem Open Banking hinterher. Sogar soweit, dass der Bund Ende letzten Jahres die Banken dazu aufgefordert hat, in dieser Sache vorwärts zu machen. Im EU-Raum gibt es schon eine entsprechende Regelung zum Thema Open Finance. Nur die Schweizer Banken sehen hier deutlich mehr Gefahren als Chancen und blocken ab.

«Im EU-Raum gibt es schon eine entsprechende Regelung zum Thema Open Finance. Nur die Schweizer Banken sehen hier deutlich mehr Gefahren als Chancen und blocken ab.»
Rino Borini, CEO und Co-Founder Scarossa

Was fürchten die Banken genau?

Sie haben Angst, die Kundenschnittstellen zu verlieren und sehen darin eine grosse Gefahr für ihr Geschäftsmodell. Aber ich sehe in dem Thema Open Finance oder Embedded Finance mehr Chancen als Gefahren. Die Banken argumentieren mit fehlenden Use-Cases. Aber es muss ja erstmal getestet werden, wir wissen ja nicht, was kommen wird, weil uns die Vorstellungskraft fehlt. Als die ersten Handys aufkamen hätten wir auch nie gedacht, dass so ein Smartphone 15 Jahre später die Fernbedienung für unser Leben darstellen würde. Wir müssen wieder mehr gestalten statt verwalten. Das gilt auch beim Thema Kryptowährungen und der ganze Bereich der digitalen Assets und der Tokenisierung ist riesig. Da wird vieles fundamental verändert und man muss jetzt sich mit diesen Themen auseinandersetzen um zu verstehen, was passiert und das Ganze verfolgen.

«Wir müssen wieder mehr gestalten statt verwalten.»

Wo ist denn aktuell die Magie im Bereich Bitcoin und Blockchain?

Die ganze Thematik rund um den Bitcoin wird eine hohe Relevanz bekommen, nachdem jetzt auch Blackrock gesagt hat, sie wollen ein Bitcoin Spot ETF an die Börse bringen. Dem werden viele weitere Asset Manager folgen. Denn Bitcoin wird eine valable, alternative Spar-Technologie, eine eigene Asset Class, werden. Das allein eröffnet der Wirtschaft schon ganz viele Möglichkeiten. Einige KMU möchten das Thema genauer anschauen– sei es als Treasury, als internes Zahlungssystem oder sogar am Point of Sales. Insgesamt wird der Bitcoin auf breiter Ebene salonfähiger. Man hat verstanden, dass es keine Währung der Kriminellen dieser Welt ist.

Aufgrund seiner Struktur als digitale Währung sollte der Bitcoin mit den traditionellen Märkten nur gering bis gar nicht korrelieren. Warum war die Korrelation Ende letzten Jahres dennoch überraschend hoch?

Die Korrelation ist nicht statisch. Im letzten Jahr ist der Bitcoin tatsächlich im gleichen Masse gesunken wie die Technologieaktien. Langfristig wird der Korrelationseffekt aber einsetzen und stabil bleiben, weil der Bitcoin tatsächlich unabhängig von den anderen Anlageklassen und unabhängig von den Zentralbanken ist. Noch aber haben die Anleger nicht das notwendige Vertrauen, deswegen sind letztes Jahr viele aus risikoreichen Anlagen geflüchtet. Aber im aktuellen Jahr funktioniert der Korrelationsvorteil. Die Korrelation zwischen Bitcoin und dem S&P 500 ist auf den niedrigsten Stand seit rund zwei Jahren.

Abgesehen vom Bitcoin, welche anderen Kryptowährungen findest du persönlich interessant?

Wir haben inzwischen 25’000 verschiedene Coins und Token aber meine Prognose ist, dass 95 bis 99% nicht überleben werden. Einige davon würde ich der Kategorie „NichtsDahinterNurHeisseLuft“ zuordnen und andere lösen einfach kein Problem und der Use-Case ist damit nicht relevant. Was ja nicht schlimm ist, denn es ist wie bei in der Startup-Szene, wo nur ein oder zwei von zehn das Rennen machen und alle anderen nicht überleben. Ich verfolge daher nur die rund 50 grössten Coins enger, was schon schwierig genug ist, da man sich genau über einen Coin informieren muss – ähnlich wie beim Kauf einer Aktie, wo das Unternehmen und dessen Geschäftstätigkeit und Bewertung ebenfalls genau analysiert werden sollte.

Welche Rolle spielen die Tokenomics bei der Analyse?

Eine sehr wichtige. Wenn man investiert, sollte man sich tief damit auseinandersetzen – was im Übrigen eine ideale Aufgabe für die Banken wäre, denn die haben die Kapazitäten und das Knowhow, wenn es um die Analyse von Assets geht. Es wäre ein gutes Differenzierungsmerkmal für eine Bank, wenn sie von sich behaupten könnten, ein paar spezialisierte Researcher zu haben, die sich auf die Analyse und Bewertung von Tokens und Coins verstehen, die den Use-Case, die Community und den technischen Unterbau analysieren können. Bislang müssen wir Investoren und Interessiert das alles selber herausfinden oder gezielt nach seriösen Krypto-Researchhäuser suchen, was sehr schwierig ist.

Aber dürfte es nicht bald viel einfacher werden, da sich gerade sehr viele Startups zum Ziel gesetzt haben, diese Komplexität zu verringern und an kundenfreundlicheren Zugängen basteln?

Derzeit arbeiten viele daran, die Dinge zu vereinfachen. Bei allem, was auf einem Smart Contract basiert, sollte man verstehen, ob dieser Smart Contract richtig programmiert ist – da habe ich auch keine Chance, das mit meinen Skills zu analysieren. Hier könnte aber die traditionelle Finanzwelt wieder eine Rolle spielen, und diese Analysen durchführen und vielleicht ein Bewertungssystem für Protokolle entwickeln – analog zu einem Aktienrating von S&P.

Wie schätzt Du die ganze Entwicklung des Dezentralisierten Finanzmarktes (DeFi) sein? Wie hoch ist das disruptive Potenzial?

Der dezentralisierte Finanzmarkt ist heute vor allem in Ländern bedeutend, die keine Demokratie haben und stattdessen von korrupten Regimes geführt werden oder in Ländern, wo Menschen aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Religion vom regulären Finanzmarkt ausgeschlossen sind. Für diese Milliarden von Menschen werden der Bitcoin und die Lösungen im dezentralen Finanzmarkt – wo kein Staat und kein Intermediär zwischen einer Finanztransaktion geschaltet ist – eine wichtige Bereicherung für ihr Leben. Denn im DeFi kann sich eine Welt entwickeln, die parallel zur bestehenden Finanzwelt läuft. Die Innovation entsteht derzeit im DeFi aber ich glaube, die beiden Welten des dezentralisierten und des zentralisierten Finanzmarktes kommen irgendwann zusammen.

«Die Entwicklung geht sehr schnell, es findet eine hohe Innovationskraft im DeFi statt und das erhöht die Gefahr, dass traditionelle Banken völlig abgehängt werden.»

In welchem Zeithorizont wird das geschehen?

Ich habe aufgehört, zeitliche Prognosen zu machen! Aber die Entwicklung geht sehr schnell, es findet eine hohe Innovationskraft im DeFi statt und das erhöht die Gefahr, dass traditionelle Banken völlig abgehängt werden. Die rasante Entwicklung kann einem manchmal auch Angst machen, es erfordert sehr viel Aufmerksamkeit, immer up to date zu bleiben. Vieles wird sich aber in den kommenden fünf Jahren entschieden haben. Einerseits sollten wir bis dahin eine wirksame Regulierung haben und viele internationale Investoren, die ebenfalls Stabilität in die Kryptomärkte bringen.

Welchen Einfluss hat der neue EU-Regulierungsrahmen für Kryptowerte, MiCA (Markets in Crypto-Assets), auf die Schweizer Krypto Szene?

Erstaunlicherweise ist die MiCA gar nicht so schlecht, da kann man der Europäischen Union tatsächlich mal zu etwas Gutem gratulieren. Die Schweiz wird die MICA-Vorschriften genau analysieren und vermutlich auch das ein oder andere übernehmen. Insgesamt sind wir in Sachen Regulierung damit aber auf jeden Fall viel weiter als Amerika. Was ein riesiger Vorteil ist, denn auch die Akteure in der digitalen Finanzwelt begrüßen die Rechtssicherheit. Und letztlich gilt auch für die Kryptobranche dieselben Regeln. Hier schätze ich grundsätzlich die technologieneutrale Regulierung der Schweiz, die aber nicht immer wirklich technologieneutral ist, das sieht man beispielsweise bei den Krypto-Geldautomaten, bei denen gerade eine Verschärfung stattfindet.

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