Silvan Leibacher, CEO EggField (Field Food AG), im Interview

von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Leibacher, EggField produziert seit 2019 pflanzliche Ei-Alternativen für Lebensmittel- und Gastronomie-Betriebe. Wie kam es dazu?
Silvan Leibacher: Die Idee entstand 2019 aus einem konkreten Bedürfnis: In unserer Familienbäckerei, der Leibacher Biber-Manufaktur, wollten wir aus ökologischen Gründen wo immer möglich auf tierische Produkte verzichten – fanden aber keine funktionale Ei-Alternative ohne Zusatzstoffe, die uns geschmacklich und technologisch überzeugte. Erste Versuche mit Hülsenfrüchten zeigten Potenzial: Das Kochwasser, auch Aquafaba genannt, kann aufschäumen, emulgieren und binden. Da wir wenig Erfahrung mit pflanzlichen Proteinen hatten, kam ich über einen Freund mit dem Lebensmitteltechnologen David Ebneter in Kontakt, der an der ZHAW zu Pflanzenextrakten forschte. Er entwickelte in seiner Freizeit erste funktionierende Rezepturen. Bald war klar: Nicht nur wir, sondern auch andere Hersteller suchten genau das. 2022 gründeten wir die Field Food AG – mit dem Ziel, eine natürliche, funktionale Ei-Alternative für Gastronomie und Lebensmittelproduktion anzubieten.
Geht es um Umweltprobleme durch tierische Produkte, steht meist Fleisch im Fokus. Wie gross ist das Bewusstsein für die Folgen der Eierproduktion?
Das Bewusstsein nimmt zwar zu, ist aber bei weitem nicht auf dem Level wie bei Fleisch. Dabei verursacht gerade die industrielle Eierproduktion erhebliche ökologische Schäden – etwa durch Futterimporte, CO₂-Emissionen, Wasserverbrauch und Überdüngung. Hinzu kommen ethische Probleme wie die Haltung in engen Systemen, der Einsatz von Antibiotika und die Vernichtung ganzer Legebestände bei Vogelgrippe-Ausbrüchen. Wenn man bedenkt, dass rund 50% aller Eier in Produkten verarbeitet werden, also oft so genutzt werden, dass die meisten Konsument*innen das nicht einmal bemerken, ist das sehr bedenklich. Besser wäre es deshalb, das Ei in der Verarbeitung zu reduzieren und dafür zu einem besseren Frühstücksei aus der Region zu greifen.
«Die industrielle Eierproduktion erhebliche ökologische Schäden – etwa durch Futterimporte, CO₂-Emissionen, Wasserverbrauch und Überdüngung. Hinzu kommen ethische Probleme.»
Silvan Leibacher, CEO EggField (Field Food AG)
Welches sind die wichtigsten pflanzlichen Rohstoffe in Ihren Ei-Alternativen – und warum gerade diese?
Wir nutzen primär Hülsenfruchtwasser – auch Aquafaba genannt – insbesondere aus Kichererbsen und Gelberbsen. Diese Flüssigkeit enthält natürliche Emulgatoren, Proteine und Stärkeverbindungen, die ähnliche funktionale Eigenschaften wie Ei aufweisen. Ergänzt wird dies durch pflanzliche Protein- und Stärkekombinationen, die gezielt für Gelierung und Struktur sorgen. Die Kombination erlaubt es uns, verschiedene Ei-Funktionen mit wenigen, clean-label-konformen Zutaten abzudecken.
Woher beziehen Sie diese Rohstoffe?
Einen Grossteil von unserem Aquafaba beziehen wir als Nebenstrom aus der Hülsenfruchtverarbeitung. Konkret arbeiten wir mit Partnern zusammen, bei denen beim Kochen von Hülsenfrüchten Prozesswasser entsteht. Dieses wird von uns qualifiziert, mikrobiologisch stabilisiert und weiterverarbeitet. So schaffen wir aus einem bisher ungenutzten Reststoff einen hochwertigen Rohstoff – und reduzieren gleichzeitig Food Waste.
In welcher Form bieten Sie die Ei-Alternativen an?
EggField Aquafaba bieten wir als Flüssigprodukt in Gebinden von 1 kg, 10 kg oder neu auch als 1.000 kg-IBC für Industrieanwendungen an. Ergänzend dazu führen wir EggField Protein Plus als Pulver, das z. B. für gelierende Anwendungen zum Einsatz kommt. Für die Gastronomie haben wir zudem einen ready-to-use Wähenguss für süsse und salzige Tartes entwickelt. Unsere Produkte lassen sich relativ einfach in bestehende Rezepturen integrieren – ohne komplizierte Anpassungen.
Wie gelingt es, die Funktionalität von Hühnerei – z. B. als Emulgator oder Bindemittel – rein pflanzlich nachzubilden?
Dank gezielter Auswahl und Kombination pflanzlicher Inhaltsstoffe. Aquafaba besitzt aufgrund seines natürlichen Protein- und Kohlenhydratprofils bereits eine hohe Funktionalität in Bezug auf Emulgierung, Bindung und Aufschäumung. Durch die Ergänzung mit Protein-Plus-Pulvern können wir diese Effekte je nach Anwendung verstärken. Unsere Rezepturen wurden in enger Zusammenarbeit mit der Berner Fachhochschule entwickelt und wurden in über 100 Rezepturen getestet – mit sehr guten Ergebnissen.




(Fotos: Regula Jäger)
Ihre Produkte ersetzen Vollei, Eiweiss und Eigelb in Rezepten mit bis zu 70% Ei-Anteil. Wo liegen die Grenzen?
Bei Rezepturen mit mehr als 70% Eianteil wird Ei meist nicht nur als funktioneller Bestandteil, sondern auch als Geschmacksträger eingesetzt – z. B. in Omelettes oder Rührei. Für solche Anwendungen nützen viele der aktuellen Anbieter künstliche Zusatzstoffe. Darauf verzichten wir bewusst. Unsere Stärke liegt aktuell bei Anwendungen, bei denen Ei eine technische Funktion übernimmt – z. B. als Bindemittel in Pasta, natürlicher Emulgator in Saucen oder als Volumengeber in Backwaren oder Desserts wie Mousse– dort erzielen wir exzellente Ergebnisse.
«Unsere Stärke liegt aktuell bei Anwendungen, bei denen Ei eine technische Funktion übernimmt – z. B. als Bindemittel in Pasta, natürlicher Emulgator in Saucen oder als Volumengeber in Backwaren oder Desserts.»
Entwickeln Sie die Ei-Alternativen selbst oder arbeiten Sie mit Partnern?
Die Grundentwicklung erfolgt inhouse – insbesondere die Rezeptur und Rohstoffverarbeitung. Parallel arbeiten wir mit Partnern wie der Berner Fachhochschule, Innosuisse, Richemont Fachschule sowie spezialisierten Produzenten zusammen, um unsere Prozesse zu testen und weiter zu skalieren. Die Kombination aus wissenschaftlicher Validierung und praxisnaher Anwendung ist für uns entscheidend.
Wer sind Ihre Hauptkunden?
Unsere Kunden sind hauptsächlich Unternehmen im Bereich Gastronomie, Bäckerei und Lebensmittelherstellung. Zu unseren bekanntesten Partnern zählen tibits, HILTL, Marriott, Pistor oder der ZFV. Auch mit Coop oder Swiss International Air Lines haben wir bereits zusammengearbeitet. Neuerdings arbeiten wir auch mit einem grossen Pastahersteller in Süddeutschland zusammen. Es setzen aber auch viele Kleinbetriebe auf EggField. Besonders geschätzt wird unsere Lösung von Kunden, die auf Innovation, Nachhaltigkeit und Effizienz setzen.
Welche Rückmeldungen erhalten Sie aus der Gastronomie und von Endkunden?
Sehr positive. Unsere Produkte überzeugen durch einfache Anwendung, neutrale Farbe, angenehmen Geschmack sowie durch zuverlässige Funktion. Köchinnen und Bäcker berichten, dass Betriebsabläufe und Allergenkontrolle vereinfacht werden, da auf das Ei verzichtet werden kann. Zusätzlich sehen sie gerade bei kurz haltbaren Produkten eine längere Haltbarkeit ihrer Produkte, wie wenn sie Ei verwenden. Eine längere Haltbarkeit reduziert Food Waste und spart Geld.
«Unsere Produkte überzeugen durch einfache Anwendung, neutrale Farbe, angenehmen Geschmack sowie durch zuverlässige Funktion.»
Wie stark beeinflussen Eier-Lieferengpässe oder Preissteigerungen die Nachfrage?
Wir bekommen deutlich mehr Anfragen. In den letzten fünf Jahren sind die Eierpreise in den USA um bis zu 227% gestiegen, in der EU um bis zu 78%. Gründe dafür sind Vogelgrippe, steigende Futterpreise, Energie- und Logistikkosten. Diese Unsicherheiten machen viele Hersteller empfänglicher für preisstabile Alternativen wie unsere – gerade in Zeiten, in denen Planbarkeit und Versorgungssicherheit wichtiger denn je sind. Für viele unserer Kunden ist EggField heute nicht nur eine nachhaltige, sondern auch eine wirtschaftlich sinnvolle Wahl. Interessanterweise geht es vor allem bei Grosskunden nicht nur mehr darum Ei komplett zu ersetzen sondern auch in bestehenden Rezepturen das Ei zu reduzieren. Der Grund dafür ist oft nachhaltiger und gleichzeitig weniger abhängig vom Ei-Preis zu werden.
Sie suchen aktuell Investor:innen für den nächsten Wachstumsschritt. Wie sehen Ihre Pläne aus?
Wir befinden uns derzeit in Gesprächen mit verschiedenen Investor:innen – darunter Family Offices, institutionelle Kapitalgeber und Unternehmen. Ein kleinerer Teil der Runde ist auch für Angel-Investor:innen mit Bezug zum FoodTech und im Ingredients-Bereich vorgesehen. Ziel der Finanzierungsrunde ist es, unsere Produktionsprozesse weiter zu skalieren, Preise weiter zu senken und den Vertrieb in der Schweiz sowie in Süddeutschland auszubauen. Mit wachsender Industrienachfrage und konkreten Vorverträgen– ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um gemeinsam mit starken Partnern die nächste Wachstumsphase einzuleiten und EggField zu skalieren.