Simon Tribelhorn, Geschäftsführer Liechtensteinischer Bankenverband, im Interview

Simon Tribelhorn, Geschäftsführer Liechtensteinischer Bankenverband, im Interview
Simon Tribelhorn, Geschäftsführer Liechtensteinischer Bankenverband

Von Helmuth Fuchs

Herr Tribelhorn, Liechtenstein wurde 2017 von der schwarzen EU-Liste der Steuerparadiese genommen und hat jetzt mit der weiter entwickelten Finanzplatzstrategie die proaktive Haltung bei der Regulierung noch verstärkt. Seit dem Beginn der Finanzkrise 2008 entwickelt sich Liechtenstein zum Musterschüler. Wie hat diese Entwicklung das Volumen und die Innovationsfähigkeit des Finanzplatzes beeinflusst?

Simon Tribelhorn: Liechtenstein hat sich 2009 in der Liechtenstein Erklärung zur Übernahme sämtlicher internationaler Standards in Steuerfragen verpflichtet. Im Jahr 2013 folgte das klare Bekenntnis zum Automatischen Informationsaustausch. Liechtenstein gehörte damit zu den sogenannten Early Adopters. Zum damaligen Zeitpunkt war dieser frühe Entscheid kein einfacher und nicht unumstritten. Im Rückblick war es der einzig richtige, und heute zweifelt diesen im Land auch niemand mehr an. Die Banken konnten sich in der Folge wieder verstärkt auf das Kerngeschäft konzentrieren. Kurzum: auf allen Ebenen bleibt wieder mehr Raum, sich der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit zu widmen.

«Zum damaligen Zeitpunkt war dieser frühe Entscheid kein einfacher und nicht unumstritten. Im Rückblick war es der einzig richtige, und heute zweifelt diesen im Land auch niemand mehr an.» Simon Tribelhorn, Geschäftsführer Liechtensteinischer Bankenverband

Nachhaltigkeit gehörte dabei zwar schon immer zu den zentralen Anliegen und Themen des Finanzplatzes, erst jetzt konnten wir uns auch als Verband noch mehr diesem Thema widmen. Daneben haben einzelne Marktteilnehmer und insbesondere auch die Regierung mit der zunehmenden Digitalisierung früh das Potenzial der Blockchain-Technologie bzw. der Token-Ökonomie erkannt und sich entsprechend begonnen, als darauf spezialisierter Finanzplatz auszurichten.

Selbstverständlich blieb auch die Finanzkrise nicht ohne Folgen für die Resultate der Banken. Heute weisen aber die weltweit verwalteten Vermögen, die Erträge oder auch die Anzahl Mitarbeitende neue Höchststände auf. Den Banken geht es gut; sie sind solide aufgestellt und in den Heimmärkten wie auch an den Auslandsstandorten auf Erfolgs- und Wachstumskurs. Sie sind damit in der Lage, aus der Position der Stärke zu agieren und auch künftig Investitionen zu tätigen. Wenn Unternehmen florieren, dann müssen die Rahmenbedingungen offenbar stimmen, was für die Attraktivität des Platzes spricht.

«Die Regierung hat früh erkannt, dass die Digitalisierung eine grosse Chance bietet, um Wohlstand und Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen.»

Ein spezieller Schwerpunkt der Finanzplatzstrategie ist die Digitalisierung. Was genau möchte Liechtenstein hier fördern, welche konkreten Massnahmen werden aus der Strategie abgeleitet und umgesetzt werden? 

Wir befinden uns mitten in einem weitreichenden Digitalisierungsprozess, der die traditionelle Wertschöpfungskette aufbricht und die gewohnten Geschäftsmodelle grundlegend verändert. Das ist eine Herausforderung, birgt aber auch ein grosses Zukunftspotenzial. Bestehende Geschäftsmodelle können durch Einbindung von innovativen und vor allem auch nachhaltiger Lösungen aus dem «Fintech»-Bereich im Interesse der Kunden weiterentwickelt werden.

Alle hiesigen Banken beschäftigen sich intensiv mit der Digitalisierung und investieren bereits viel in diesen Bereich. Die Blockchain-Technologie ist dabei zweifelsohne besonders interessant und vielversprechend. Die Regierung hat früh erkannt, dass die Digitalisierung eine grosse Chance bietet, um Wohlstand und Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen. Im Kern geht es der Regierung beim Digitalisierungsteil in der Finanzplatzstrategie um die Förderung von innovativen Geschäftsmodellen und insbesondere die Positionierung von Liechtenstein als attraktiver Standort im Bereich der Blockchain-Technologie und der gesamten Token-Ökonomie. Um dies zu erreichen, müssen einerseits Transparenz und Rechtssicherheit für alle Markteilnehmer geschaffen und andererseits Missbrauch von vornherein ausgeschlossen werden.

Beim Thema Kryptowährungen, obschon wirtschaftlich immer noch ein Nischenthema, sind mittlerweile die Regulierer aktiv geworden. Mit einem eigenen Gesetz für Token und VT-Dienstleister (TVTG) ist Liechtenstein eines der ersten Länder, das einen gesetzlichen Rahmen für Blockchain-Anwendungen schafft. Welche Rolle möchte Liechtenstein bezüglich Blockchain und Kryptowährungen spielen und was werden die wichtigsten Punkte im Gesetz sein?

Mit dem Gesetz für Token und VT-Dienstleister (TVTG) bzw. dem Blockchain-Gesetz wie es gerne auch genannt wird, hat die Regierung in der Tat echte Pionierarbeit geleistet und für grosses Interesse international gesorgt. Mit dem Gesetz will die Regierung in erster Linie der fortschreitenden Digitalisierung gerecht werden, Innovationen in diesem Bereich fördern und den Akteuren klare Spielregeln schaffen und damit Planungssicherheit geben. Damit kommt die Regierung einem grossen Bedürfnis seitens des Marktes nach. Entsprechend positiv sind denn auch die Reaktionen ausgefallen.

«Mit dem Gesetz für Token und VT-Dienstleister (TVTG) bzw. dem Blockchain-Gesetz wie es gerne auch genannt wird, hat die Regierung in der Tat echte Pionierarbeit geleistet.»

Auch wir vom Bankenverband begrüssen das Gesetz, da dadurch ein klarer Orientierungsrahmen in diesem wichtigen Zukunftsfeld geschaffen wird. Ich bin überzeugt, dass die Regierung für ihr entschiedenes Vorgehen belohnt wird.

Den Gesetzgebungsprozess hat das Gesetz bereits erfolgreich durchlaufen und ist anfangs Januar 2020 bereits in Kraft getreten. Das Gesetz ist naturgemäss sehr technisch, schafft aber die von allen Seiten geforderte Rechtssicherheit. Es enthält Mindestanforderungen für alle Dienstleister von vertrauenswürdigen Technologien (VT) in Liechtenstein, die hinsichtlich des Konsumentenschutzes, der Einhaltung internationaler Standards und der Reputation des Landes von Bedeutung sind. Das Gesetz ist technologieneutral ausgestaltet und somit zukunftsfähig. Die rechtliche Einordnung von Elementen auf Blockchain-Systemen stellt einen weiteren Schwerpunkt dar. Das Blockchain-Gesetz führt mit dem «Token» ein neues Konstrukt ein, um die Transformation der «realen» Welt auf Blockchain-Systeme rechtssicher zu ermöglichen und so das volle Anwendungspotenzial der Token-Ökonomie zu erschliessen.

Die Einführung des Rechtskonstrukts des Tokens im liechtensteinischen Recht bedingt, dass die Rechtsfolgen, wie Eigentum, Besitz und Übertragung, ebenfalls rechtlich definiert werden müssen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass geltendes Finanzmarktrecht, soweit dieses zur Anwendung kommt, selbstverständlich weiterhin anwendbar bleibt.

Der Grundgedanke der Blockchain (dezentral, anonym, keine kontrollierende Zentralgewalt) widerspricht den Bedürfnissen der Banken, Steuerbehörden und Regierungen diametral. Wie kann man Blockchain-Anwendungen regulieren, ohne die DNA von Blockchain zu zerstören?

Wir sind überzeugt, dass dies mit dem beschriebenen Blockchain-Gesetz möglich sein wird. Selbstverständlich ist jede neue Regulierung ein Balanceakt. Klar ist, dass Missbrauch verhindert werden muss. Gleichzeitig dürfen natürlich die Vorteile von Innovationen nicht wegreguliert werden. Die vielen seriösen Anbieter haben aber eh kein Interesse an einem Missbrauch. Das Risiko, dass sich die Technologie nicht durchsetzt oder gar verboten würde, ist einfach zu gross. Aus diesem Grund sind sie selber daran interessiert, dass die Blockchain regelkonform funktioniert.

Im Übrigen ist das System dort, wo Konten mit Identitäten verknüpft werden können, sehr transparent. Ganz entscheidend war auch der Schritt, dass die Gateways oder Exchanges, also wo Token oder Kryptowährungen in reale Währungen wie Dollar, Euro oder Franken getauscht werden, beaufsichtigt und somit den geltenden Geldwäschereibestimmungen unterstellt sind.

Bei der Digitalisierung ist einer der Erfolgsfaktoren die Skalierung in Cloud-Plattformen. Auf dem kleinen Finanzplatz Liechtenstein scheint jede Bank immer noch alles selbst machen zu wollen bis zum Betrieb der eigenen Bankenlösungen. Wie soll das in Zukunft aussehen, wenn die Digitalisierung weiterhin die “winner-takes-it-all”-Mentalität fördert und den Kostendruck erhöht? 

Hier gilt es klar zwischen Back-end und Front-end zu unterscheiden. Die Back-end -Prozesse werden bei den Banken laufend industrialisiert und somit optimiert. Ich gehe davon aus, dass im Zuge dieser Entwicklungen Kooperationen bei nicht strategischen Aktivitäten geprüft und wo sinnvoll auch angegangen werden. Im Front-end, also bei der Kundenschnittstelle, werden sich die Banken aber weiter gegenüber der Konkurrenz differenzieren wollen. Konkurrenz halte ich hier sogar für wichtig und nötig, denn nur so entstehen Innovation und somit bessere Lösungen für die Kunden. In diesem Zusammenhang muss auch die für Liechtenstein geltende PSD2-Richtlinie, also die europäische Regulierung, die das Öffnen der Kundenschnittstelle bei Banken für Dritte vorsieht, gesehen werden.

Beim diesjährigen, alle zwei Jahre stattfindenden Bankentag, stand das Thema Nachhaltigkeit im Zentrum. Was bedeutet Nachhaltigkeit konkret für den Finanzplatz Liechtenstein, vor allem da mit Nachhaltigkeit auch eine erhöhte Transparenz einher geht?

Nachhaltigkeit gehört nicht erst seit dem Pariser Klimaabkommen und den Nachhaltigen Entwicklungszielen von 2015 zu den Kernwerten unseres Handelns. Vereinfacht gesagt, geht es darum, seiner Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und Umwelt nachzukommen.

Das soll sich auch in der Art und Weise, wie Geld angelegt ist, zeigen und neben den anderen Faktoren wie Rendite und Liquidität berücksichtigt werden. Dabei gehen die Herausforderungen, mit denen wir als Gesellschaft konfrontiert sind, weit über reine Klimafragen hinaus. Aus diesem Grund haben im 2015 die Vereinten Nationen 17 nachhaltige Entwicklungsziele („Sustainable Development Goals“ oder SDGs) verabschiedet. Die Ziele beziehen sich auf die globalen Herausforderungen, mit denen wir als Gesellschaft konfrontiert sind, und zwar in ihrer Breite.

Liechtenstein und seine Banken haben sich ebenfalls diesen breiten, ganzheitlichen Ansatz in Sachen Nachhaltigkeit zu eigen gemacht. Der Umbau der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit wird in den nächsten Jahren Billionen kosten. Die Staaten können diese Kosten alleine nicht schultern. Ein substanzieller Teil muss somit von der Privatwirtschaft kommen. Genügend Kapital wäre grundsätzlich vorhanden, denn allein die von Institutionellen Investoren auf der ganzen Welt verwalteten Vermögen belaufen sich auf rund USD 83 Billionen. Der Finanzsektor und die Banken im Speziellen können und müssen somit eine zentrale Rolle bei der Mobilisierung und Kanalisierung dieser finanziellen Mittel spielen. Dies ist gerade auch für unseren Finanzplatz eine grosse Chance.

«Das Thema Nachhaltigkeit wird von der Agenda nicht mehr verschwinden. Die Frage wird schon bald nicht mehr lauten: Warum nachhaltig, sondern warum nicht?»

Nachhaltigkeit ist aber auch eine Frage der Glaubwürdigkeit und geht weit über das Kerngeschäft hinaus. Es braucht gerade jetzt Leute und Institutionen, die Nachhaltigkeit konsequent leben und Leadership übernehmen. Die Regierung ist als gutes Vorbild vorangegangen und hat zwei Public-Private-Partnership-Initiativen mit Pioniercharakter gestartet.

Anlässlich des Weltwassertages 2017 wurde der «Waterfootprint Liechtenstein» lanciert. Das Prinzip ist einfach: «Leitungswasser trinken; Trinkwasser spenden». Liechtenstein will mit dieser Kampagne das erste Land der Welt werden, das für jeden seiner Einwohner einem von Wasserarmut betroffenen Menschen den Zugang zu sauberem Trinkwasser ermöglicht. In der Umsetzung bedeutet dies, dass damit die Lebensbedingungen für etwa 38’000 Menschen in Not verbessert werden. Das zweite Leuchtturmprojekt ist die so genannte «Liechtenstein Initiative» zur Beendigung von Menschenhandel und moderner Sklaverei. Das Projekt ist eine Partnerschaft zwischen den Regierungen Liechtensteins, Australiens und der Niederlande, dem United Nations University Centre for Policy Research sowie einem Konsortium aus Banken, philanthropischen Stiftungen und Verbänden. Der Liechtensteinische Bankenverband und seine Mitglieder sind Teil dieser Trägerorganisation.

Der Bankentag ist so eine Art Schaufenster für den Finanzplatz Liechtenstein. Was werden in zwei Jahren die bestimmenden Themen sein und welchen Einfluss haben die Voten und Meinungen, welche am Bankentag geäussert werden, auf die Strategie des Bankenverbandes?

Das Thema Nachhaltigkeit wird von der Agenda nicht mehr verschwinden. Die Frage wird schon bald nicht mehr lauten: Warum nachhaltig, sondern warum nicht? Nachhaltiges Verhalten und somit auch nachhaltiges Investieren schon bald und damit früher als manch einer meint «mainstream» bzw. «The New Normal» sein.

««Nicht» nachhaltige Anlagen bergen also heute schon für langfristige Investoren höhere finanzielle Risiken, was über die Zeit zu einer geringeren Rendite führen wird.»

Der Mythos, dass nachhaltige Geldanlagen mit einem Renditeverzicht einhergehen, hat sich zwar lange gehalten, ist zum Glück aber endlich vom Tisch. Das Gegenteil ist der Fall. Untersuchungen haben gezeigt, dass es bereits in den letzten acht Jahren zwischen der Performance des MSCI World- und dem MSCI World ESG-Leader-Index nur geringe Unterschiede gegeben hat. Gemäss der Bank von England haben in fast allen der von ihr untersuchten 2000 Studien die nachhaltigen Anlagen renditemässig genauso gut oder sogar besser abgeschnitten.

«Nicht» nachhaltige Anlagen bergen also heute schon für langfristige Investoren höhere finanzielle Risiken, was über die Zeit zu einer geringeren Rendite führen wird. Künftig wird sich das aber noch verstärken, da ökologische und soziale Aspekte sowie die damit verbundenen Risiken noch mehr eingepreist werden, was sich negativ auf die Rendite auswirken wird. Die Wirtschaft und somit auch Banken werden folglich noch stärker in die Pflicht genommen, nachhaltig zu agieren. Heute noch skeptische Unternehmen oder Manager werden in zwei Jahren erkennen, dass man nicht nur etwas zur Rettung unseres Planenten tut, sondern letztlich auch seine finanziellen Risiken minimiert, also von einer nachhaltigen Ausrichtung das Überleben des eigenen Unternehmens abhängt.

Der Bankentag war nach 2018 bereits der zweite von uns organisierte internationale Kongress zum Thema Nachhaltigkeit. Für die im internationalen Vergleich kleinen liechtensteinischen Banken sind solche Konferenzen ganz wichtig. Einerseits können wir uns mit den internationalen Gästen und hochkarätigen Referentinnen und Referenten austauschen. Genauso wichtig ist aber andererseits, dass die Teilnehmer die Erkenntnis nach Hause nehmen, dass Liechtenstein dieses Thema nicht bloss ernst nimmt, sondern international auch einen Beitrag leisten will und kann.

Vor allem die jüngere Generation will nicht nur Rendite erwirtschaften mit ihrem Geld, sondern auch einen positiven Effekt erzielen. Das so genannte Impact Investing gewinnt immer an Bedeutung. Welche Rolle will der Bankenverband spielen, um solchen Themen auch im Alltag der Banken mit Leben zu füllen?

Gelebtes und glaubwürdiges, verantwortungsvolles Handeln ist nicht nur eine Pflicht, sondern auch ein Differenzierungsmerkmal. Insbesondere dann, wenn es uns gelingt, dies noch besser als einen integralen Bestandteil der Kultur auf dem gesamten Finanzplatz zu etablieren. Impact Investing kann nicht befohlen werden, sondern muss gelebt werden.

Als Verband sehen wir uns in der Mitverantwortung und demzufolge möchten wir eine aktive, gestaltende Rolle einnehmen. Diese geht weit darüber hinaus, Veranstaltungen zu organisieren und damit das Bewusstsein zu schärfen. Gerade in den letzten beiden Jahren konnten wir einige Meilensteine umsetzen. So haben wir uns dem „Financial Centres for Sustainability“ angeschlossen, einem internationalen Netzwerk für nachhaltige Geldanlagen. Zudem haben wir im Verband eine dedizierte Nachhaltigkeits-Expertengruppe bestehend aus allen Mitgliedsbanken eingesetzt und damit die Voraussetzungen geschaffen, das Thema “sustainable finance“ durch Erfahrungsaustausch, ‚best practices‘ sowie Aus- und Weiterbildung auf dem Finanzplatz fest zu verankern.

Traditionell besteht eine enge Verbindung zwischen den beiden Finanzplätzen der Schweiz und Liechtenstein, wobei Liechtenstein in den letzten Jahren schneller als die Schweiz die EU-Anforderungen umgesetzt und teilweise schon vorweggenommen hat. Wie soll sich die Zusammenarbeit mit der Schweiz in Zukunft entwickeln, welche Schwerpunkte wollen Sie setzen? 

Wegen der engen gesetzlichen, regulatorischen, gesellschaftlichen und historischen Verflechtung ist die Schweiz für uns wichtigstes Nachbarland, bedeutendster Handelspartner und zweiter Heimmarkt in einem.

Liechtenstein profitiert dabei in vielen Bereichen von der nahen Anbindung zur Schweiz. Darüber hinaus haben alle grossen liechtensteinischen Banken Tochtergesellschaften in der Schweiz. Als EWR-Land ist Liechtenstein gleichzeitig verpflichtet, sämtliche relevanten EU-Bestimmungen umzusetzen. Dies führt ab und an zu einem schwierigen Spagat für Gesetzgeber und die Institute. Sollte die Schweiz somit eine tragfähige Lösung für ihr institutionelles Verhältnis mit Brüssel finden (Stichwort Rahmenabkommen) wäre dies auch im Interesse von Liechtenstein.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen die aus?

Der anhaltende Klimawandel ist eine der grössten, globalen Herausforderungen. Wir sind die erste Generation, die unseren Planeten nachhaltig zerstört und wohl die letzte, die das noch verhindern kann. Der Finanzierungsbedarf für die Erreichung der Pariser Klimaziele sowie der breiter gefassten Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) der Vereinten Nationen ist enorm. Das jährliche weltweit nötige Investitionsvolumen um die SDGs zu erreichen, beläuft sich gemäss PWC auf 7 Billionen US-Dollar. Zurzeit wird nur gerade ein Siebtel davon durch öffentliche Hand finanziert. Ein substanzieller Teil muss somit von der Privatwirtschaft kommen.

«Nachhaltigkeit beantwortet die Frage nach dem «Was» und Digitalisierung diejenige nach dem «Wie»»

Der Finanzsektor und die Banken im Speziellen können und müssen somit eine zentrale Rolle bei der Mobilisierung und Kanalisierung dieser finanziellen Mittel einnehmen. Dies bedeutet eine grosse Verantwortung, bringt aber gerade auch für unseren Finanzplatz eine grosse Chance mit sich. Ich glaube fest daran, dass Liechtensteins Finanzsektor grundsätzlich optimal positioniert ist, eine tragende Rolle in dieser Transformation der Finanzindustrie und unserer Gesellschaft zu spielen. Digitalisierung und Nachhaltigkeit gehen dabei Hand in Hand. Dabei beantwortet Nachhaltigkeit die Frage nach dem «Was» und Digitalisierung diejenige nach dem «Wie». Die fortschreitende Digitalisierung wird vieles vereinfachen. Zum einen wird sie uns helfen, die Prozesse zu automatisieren, Kosten zu senken und positive Skaleneffekte zu erzielen. Zum anderen war lange ein Hindernis, dass die effektive Wirkung eines Investments oder Portfolios hinsichtlich der ESG-Faktoren nur schwer quantifizier- und messbar war. Mit Hilfe der Digitalisierung wird dies in naher Zukunft viel leichter und besser gehen.

Ich habe deshalb nur einen Wunsch, der einfach formuliert, aber umso ambitiöser in der Umsetzung ist: Ähnlich wie bei den internationalen Standards in Steuersachen, wird sich die Frage stellen, ob wir ,first mover‘, ‚Mitschwimmer‘ oder ‚Nachzügler‘ sein wollen. Letzteres ist sicher keine Option. Bei der Digitalisierung hat Liechtenstein mit dem Blockchain-Gesetz eine Vorreiterrolle übernommen. Dasselbe sollten wir gemeinsam im Nachhaltigkeitsbereich tun.

«Ich möchte, dass sich Liechtenstein zu einem der führenden Finanzzentren weltweit im Bereich nachhaltiger Finanzierungen und zur Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele entwickelt.»

Das Ziel muss es sein, mit all unseren Produkten und Dienstleistungen eine echte Wirkung zum Nutzen unserer Kunden und der zukünftigen Generationen zu erzielen. Wir tragen eine grosse Verantwortung für die Transformation der Finanzdienstleistungsbranche in Richtung einer nachhaltigeren Zukunft und eines nachhaltigeren Wachstums. Wenn wir in der Lage sind, Teil dieses Prozesses zu sein und diesen Wandel aktiv voranzutreiben, dann erzielen wir echte Wirkung und sind Teil der Lösung, anstelle des Problems.

Liechtensteinischer Bankenverband

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