Stefano Santinelli, CEO localsearch, im Interview
Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Santinelli, laut «KMU Digital Pulse 2025» starten bereits 13 Prozent der Bevölkerung ihre KMU-Suche direkt über KI-Tools wie ChatGPT oder Copilot, während 80 Prozent noch mit klassischen Suchmaschinen beginnen. Welche Marktanteile erwarten Sie für KI-Suchsysteme gegenüber Google & Co. in drei Jahren – und ab welchem Schwellenwert kippt das Geschäftsmodell klassischer Verzeichnisse?
Stefano Santinelli: Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel: KI wird die Suche personalisieren und beschleunigen. In drei Jahren könnte jede dritte Anfrage KI-basiert sein. Deshalb machen wir KMU heute schon KI-ready, damit sie morgen nicht unsichtbar sind. Schon heute starten 13 Prozent in der Schweiz direkt mit Tools wie ChatGPT oder Copilot. In drei Jahren dürften es 25 bis 35 Prozent sein, weil KI kontextreichere und passendere Antworten liefert.
«KI wird die Suche personalisieren und beschleunigen. In drei Jahren könnte jede dritte Anfrage KI-basiert sein.» Stefano Santinelli, CEO localsearch
Wie stark steigen dadurch die Kundenakquisitionskosten für KMU, und mit welchen Kennzahlen messen Sie bei localsearch den «Return on Visibility» in KI-Systemen im Vergleich zur klassischen SEO?
KI ist kein Kostentreiber, sondern ein Effizienzhebel, wenn man sie richtig nutzt. Wir messen Erfolg nicht an Klicks, sondern an echten Neukunden. Unsere Lösungen zeigen: Sichtbarkeit in KI-Systemen bringt messbaren Umsatz. Alles andere – Rankings oder Brand Mentions – sind nur Zwischenwerte.
Die Studie zeigt deutliche Altersunterschiede: 26 Prozent der 18- bis 29-Jährigen, aber nur 11 Prozent der 60- bis 79-Jährigen nutzen KI zur KMU-Suche. Welche Unterschiede sehen Sie in den Conversion-Rates entlang dieser Alterskohorten, und wie passen Sie Produktdesign, Pricing und Vertrieb an diese demografische Begebenheit an?
Junge Zielgruppen treiben den Wandel. Deshalb entwickeln wir Produkte, die für alle Altersgruppen intuitiv sind – vom Social-Media-Post bis zur Sprachbuchung. Digitalisierung muss einfach sein, sonst funktioniert sie nicht. Deshalb sorgen wir heute schon dafür, dass unsere Kunden online sichtbar und buchbar sind – über alle digitalen Kanäle und für alle Altersgruppen. Am Ende entscheidet aber auch die Attraktivität des Angebots, ob ein Kunde zuschlägt.
«Junge Zielgruppen treiben den Wandel. Deshalb entwickeln wir Produkte, die für alle Altersgruppen intuitiv sind – vom Social-Media-Post bis zur Sprachbuchung.»
Rund 40 Prozent der Befragten können sich vorstellen, künftig Termine direkt über sprachbasierte KI-Assistenten wie Siri, Alexa oder ChatGPT zu buchen. Welche Buchungsquoten über sprachbasierte Assistenten erwarten Sie für Ihre eigenen Plattformen in drei Jahren, und ab welchem Volumen lohnt sich die vollständige Automatisierung von Kundendialogen wirtschaftlich?
Externe Analysen bestätigen einen Trend mit beeindruckenden Wachstumszahlen. Spezifisch für sprachbasierte KI-Systeme wird prognostiziert, dass diese innerhalb der nächsten fünf Jahre 40-50 Prozent aller Terminbuchungen (inklusive Anrufe, Erinnerungen, Stornierungen) automatisiert abwickeln werden. Ich rechne damit, dass bis Ende 2028 mindestens 30 Prozent aller über unsere Plattformen initiierten Terminbuchungen über sprachbasierte KI-Assistenten erfolgen könnten.
Für KMU lohnt sich die Automatisierung schnell: Es geht nicht nur um die Zeit fürs Telefonat, sondern auch um Unterbrechungen im Arbeitsfluss und um verlorenes Geschäft, wenn niemand ans Telefon geht.
Die Studie kommt zum Schluss, dass «die Schweiz digital bereit ist, ihre KMU aber oft noch nicht» und dass Mikrounternehmen am Wendepunkt stehen. Wie gross schätzen Sie den Produktivitäts- und Umsatzgap zwischen digital gut aufgestellten KMU und den Nachzüglern ein, und ab wann droht dieser Rückstand aus Ihrer Sicht existenzbedrohend zu werden?
Der Unterschied ist dramatisch: Digital starke KMU wachsen, Nachzügler verlieren Marktanteile. In 3–5 Jahren wird fehlende Online-Buchbarkeit existenzkritisch. Unser Ziel: Jedes KMU soll online sichtbar und buchbar sein – egal wie klein.
Verschiedene Erhebungen zeigen, dass etwa ein Drittel der Schweizer KMU KI bereits in Arbeitsprozesse integriert, während in internationalen Benchmarkstudien oft höhere Werte für Länder wie die USA oder Skandinavien genannt werden. Wo positionieren Sie die Schweizer KMU beim KI-Einsatz im internationalen Vergleich, gemessen an Kennzahlen wie Automatisierungsgrad, Werbebudgetanteil für digitale Kanäle oder Online-Buchungsquote?
Die Schweiz liegt im Mittelfeld: hohe Qualitätsansprüche, aber bei Automatisierung, Online-Buchungen und Digital-Budget hinter Ländern wie den USA oder Skandinavien. Unser Ziel ist nicht, BigTech zu kopieren, sondern KMU-taugliche Lösungen mit KI-Power zu bieten für Content, Kampagnen und Bewertungen, eingebettet in lokale Ökosysteme und rechtliche Rahmen.
Localsearch versteht sich als führender Online-Marketing-Partner für Schweizer KMU und betreibt unter anderem local.ch, search.ch, renovero, Localcities und Vergleich CH. Wie hoch ist der Anteil KI-gestützter Features (z.B. automatische Inhaltserstellung, bid-optimierte Kampagnen, Recommendation-Engines) am Gesamtumsatz Ihrer Produkte, und welchen Zielwert streben Sie mittelfristig an?
KI ist bei uns kein Zusatzfeature, KI ist das Fundament unserer Strategie. Heute steckt KI in jeder unserer Lösungen. advertiseONE generiert und optimiert sämtliche Banner und Marketing-Assets vollständig KI-gestützt. Bei digitalONE übernimmt KI das Social-Media-Management, erstellt Websites, beantwortet Bewertungen und automatisiert Kampagnen. Bei renovero generiert KI die Offerten für Handwerker und steigert die Abschlussquote. Diese Produkte mit „KI inside“ machen bereits rund 40 Prozent unseres Umsatzes aus.
«Unser Ziel ist nicht, BigTech zu kopieren, sondern KMU-taugliche Lösungen mit KI-Power zu bieten für Content, Kampagnen und Bewertungen, eingebettet in lokale Ökosysteme und rechtliche Rahmen.»
Aber das ist nur der Anfang: Wir gehen den Schritt zu KI-first. Das bedeutet, jede neue Lösung wird von Grund auf KI-getrieben sein – nicht als Add-on, sondern als Kernfunktion. Unser Ziel ist klar: Wir definieren Online-Marketing neu. Schweizer KMU sollen dieselbe KI-Power nutzen wie globale Player – einfach, effizient und lokal angepasst.
KI ist für uns kein Trend, sondern die neue Realität. Wer heute nicht KI-ready ist, verliert morgen den Anschluss. Wir sorgen dafür, dass das nicht passiert.
Sie setzen in Produkten wie digitalONE bereits auf KI, um Inhalte, Automatisierung und Optimierung des Online-Marketings zu unterstützen. Wie viele interne Prozesse laufen heute schon KI-gestützt und um welchen Prozentsatz konnten Sie dadurch Kosten pro Kunde oder Bearbeitungszeiten senken?
KI ist für uns nicht nur ein Effizienz-Tool, sondern der entscheidende ROI-Treiber für die nächste Ära des Marketings – und wir beweisen das bereits heute. Sales-Assistenten steigern die Vertriebseffizienz um 20 Prozent, Onboarding und Customer Care sind KI-gestützt und verkürzen Bearbeitungszeiten drastisch. Die Website-Produktion, die früher zwei Wochen dauerte, erfolgt heute in wenigen Stunden – dank KI.
«KI ist für uns kein Trend, sondern die neue Realität. Wer heute nicht KI-ready ist, verliert morgen den Anschluss. Wir sorgen dafür, dass das nicht passiert.»
Der ROI ist messbar: weniger Handarbeit, schnellere Abläufe, höhere Abschlussquoten. Für uns bedeutet das mehr Wirkung bei gleichzeitig sinkenden Kosten, für unsere Kunden mehr Sichtbarkeit, mehr Buchungen und mehr Umsatz – ohne zusätzlichen Aufwand. Unsere Vision ist klar: KI-first in allen Prozessen und Produkten. Wer heute investiert, sichert sich morgen den entscheidenden Vorsprung. Wer zögert, riskiert den Anschluss.
Sie sind Teil der Swisscom-Gruppe, die selbst massive in KI investiert. In welchen Bereichen profitieren Sie konkret von den Entwicklungen innerhalb der Swisscom – etwa gemeinsame Dateninfrastrukturen, Sprachmodelle, Security oder Vertrieb?
Wir agieren als „volljährige“ Tochter weitgehend unabhängig vom Mutterkonzern. Aber in der Familie profitiert man natürlich auch vom gemeinsamen Austausch in vielen Gebieten.
In sozialen Medien verbreiten sich KI-Bots rasant, von Chatbots im Kundendienst bis zu generierten Bewertungen und Fake-Accounts. Wie gross schätzen Sie das Risiko ein, dass gefälschte Bewertungen und automatisierte Bot-Interaktionen das Vertrauen in lokale Such- und Bewertungsplattformen untergraben, und welche Fraud-Detection-Ziele (z.B. erkannte Fake-Reviews pro Monat) setzen Sie sich?
Gefälschte Bewertungen sind ein echtes Risiko fürs Vertrauen. Wir setzen auf intelligente Betrugserkennung – mit automatisierten Checks, Quellenabgleich und manueller Prüfung in Grenzfällen. Unser Ziel: fast vollständige automatische Erkennung, klare Regeln und volle Transparenz für die Nutzer.
In der Debatte um die Zukunft von KI im KMU-Segment stehen zwei Modelle im Raum: eingebettete KI in den Ökosystemen grosser Anbieter versus spezialisierte Lösungen unabhängiger Anbieter. Wo sehen Sie langfristig den grössten Mehrwert für Schweizer KMU, und welche Marktanteile von «Big Tech»-Lösungen gegenüber spezialisierten Anbietern erwarten Sie in den kommenden Jahren in der Schweiz?
Big Tech liefert die Infrastruktur, aber der echte Mehrwert für Schweizer KMU entsteht durch Lösungen, die lokale Bedürfnisse, Sprachen und Compliance abdecken. Der Markt wird hybrid: Wir integrieren die Grossen, wo es Sinn macht, und bieten KMU ein Komplettpaket – inklusive Einrichtung, Betreuung und Erfolgsmessung.
Sie sprechen von einem Wendepunkt für Mikrounternehmen und davon, dass «wer heute nicht sichtbar ist, morgen vergessen wird». Welche drei Kennzahlen verfolgen Sie als CEO aktuell am engsten – etwa Anteil KI-gestützter Suchanfragen, Online-Buchungsrate oder digitaler Umsatzanteil der Kunden – und welche Zielwerte wollen Sie bis 2028 erreichen, damit localsearch seine Rolle als «KI-Suchmaschine für KMU» erfüllt?
Wir sind keine klassische Agentur, sondern der digitale Wachstumspartner für Schweizer KMU. Mein Fokus als Tech-CEO liegt auf Kennzahlen, die echten Fortschritt und Adoption zeigen. Wir messen nicht nur Reichweite, sondern die Fähigkeit unserer KMU, Schritt mit den Erwartungen ihrer Kundinnen und Kunden zu halten. Dazu zählen die Anzahl buchbarer Unternehmen, die Online-Buchungsrate – aktuell noch im einstelligen Bereich, mit dem Ziel, bis 2028 mehr als 50 Prozent aller Buchungen digital und KI-gestützt abzuwickeln –, der Anteil KI-optimierter Kampagnen, der bereits heute hoch ist und künftig 100 Prozent erreichen soll, sowie optimierte Profile und Social-Media-Penetration, die wir in einem Digital Score zusammenfassen, um den Fortschritt jedes KMU sichtbar zu machen.
Intern tracken wir KPIs, die unsere eigene Effizienz belegen: Die Onboarding-Zeit haben wir von zwei Wochen auf wenige Stunden reduziert, KI-Assistenten steigern die Sales-Effizienz um 20 Prozent, und im Customer Care verkürzen wir Bearbeitungszeiten drastisch, erhöhen die Kundenzufriedenheit und senken die Churn-Rate. Unsere Vision ist klar: Schweizer KMU sollen den digitalen Gap nicht irgendwann, sondern jetzt schliessen. KI ist dabei kein Trend, sondern der Schlüssel zu Wachstum, Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit.
Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen die aus?
Jedes Schweizer KMU soll online sichtbar, buchbar und wettbewerbsfähig sein – unabhängig von seiner Grösse. Digitalisierung darf kein Privileg der Grossen sein, sondern muss für alle zugänglich und einfach bleiben. Gleichzeitig soll die Schweiz KI nicht nur nutzen, sondern aktiv mitgestalten, und zwar verantwortungsvoll, effizient und im Dienst der Realwirtschaft. Unser Ziel ist ein Ökosystem, das Innovation fördert und dabei Vertrauen und Qualität sichert. Dabei bleibt unser Standortvorteil Kundennähe und Authentizität – auch in einer KI-getriebenen Welt. Technologie soll Menschen verbinden, nicht ersetzen. Das ist mein persönlicher Anspruch für die Zukunft.