Thomas Sandel, CEO und Gründer Chip-ing AG, im Interview

Thomas Sandel, CEO und Gründer Chip-ing AG, im Interview
Thomas Sandel, CEO und Gründer Chip-ing AG. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Sandel, bei unserem letzten Interview vor fünf Jahren haben Sie uns den ersten Golfball vorgestellt, der sich mit Funktechnologie auf Basis von Bluetooth, Smartphone und App wieder finden lässt. Mittlerweile sind die Bälle weltweit erhältlich. Es war ein langer Weg…

Thomas Sandel: In der Tat sind wir nunmehr seit über fünf Jahren unterwegs und haben uns Herausforderungen stellen müssen, die wir nicht erwartet hatten. Ich weiss nun aber auch, warum es in der ganzen Golfgeschichte noch niemand geschafft hat, smarte Golfbälle herzustellen. Es benötigt einfach unglaubliche technische und Fertigungs-Kompetenzen.

Können Sie uns die in den Bällen verbaute Technologie näher erläutern?

Ohne vertrauliche Informationen auszuplaudern, kann ich sagen, dass wir einerseits elektronische Komponenten für die Positionierung und Kommunikation verwenden. Hinzu kommen noch Sensoren, die unter anderem die Beschleunigung messen und damit auch Abläufe im Ball steuern, wie zum Beispiel das Einstellen und Funken des Balls. Das ganze wird noch mit einer Power-Zelle betrieben, die mit einer ausgeklügelten Soft- und Firmware gesteuert wird.

«Ich weiss nun, warum es in der ganzen Golfgeschichte noch niemand geschafft hat, smarte Golfbälle herzustellen. Es benötigt einfach unglaubliche technische und Fertigungs-Kompetenzen.»
Thomas Sandel, CEO und Gründer Chip-ing AG

Welche Daten sammelt und übermittelt der Ball?

Unser erster Smart Ball der aktuellen Generation löst das Nummer 1 Problem des Golfers; das Wiederfinden des Balles nach einem missglückten Schlag. Wir sammeln derzeit noch keine Daten, lassen aber den Ball ein Signal aussenden, das mit Hilfe des Mobiltelefons und der App empfangen und geortet werden kann. Das System entspricht ziemlich genau der Ortung eines Verschütteten in einer Lawine.

Ich kann mir vorstellen, dass die Herausforderungen komplex waren, beispielsweise durch die Kräfte, die beim Schlag auf den Ball einwirken, oder die mögliche Beeinträchtigung der Symmetrie… Welches waren die wichtigsten Faktoren, die es zu berücksichtigen galt?

Um die Frage zu beantworten, mussten wir zuerst einmal wissen, was für Kräfte auf den Ball wirken. Mithilfe der ETH konnten wir mit Hochgeschwindigkeitsaufnahmen die Kontaktzeit des Schlägers mit den Ball und somit die Beschleunigungskräfte messen. Die Kontaktzeit beträgt lediglich 4/10000 sek und die Kräfte steigen auf über 100’000g (Erdbeschleunigung). Das hat uns vor fast unüberwindliche Probleme gestellt. Denn es hiess einerseits die Elektronik weitestgehend zu schützen und andererseits einen Ball herzustellen, der immer noch performt wie ein Premium Golf Ball und sich nicht anfühlt wie ein Stein. Natürlich waren Themen wie Gewicht, Balance, Flugeigenschaften, Aerodynamik und nicht zuletzt die Performance weitere grosse Herausforderungen, die es zu meistern galt.

Funktioniert die Technologie auch, wenn der Golfball im Wassergraben landet?

Der Ball ist wasserdicht und kann problemlos weitergespielt werden. Allerdings ist es schon so, dass Wasser isolierend auf die Datenübertragung wirkt und die Funkdistanz massiv einschränkt. Unsere Tests ergaben, dass Bälle bis zu einer Tiefe von maximal 5cm noch erkennbar waren, darunter kann das Funksignal in der Regel nicht geortet werden.

Die App hilft mir beim Auffinden des Golfballs. Welche weiteren Möglichkeiten bietet mir die App?

Wir haben uns natürlich schon Einiges einfallen lassen. Mit der Gratis-App kriegt man die Funktion eines Laserdistanz-Gerätes kombiniert mit der optischen Darstellung des Golfplatzes. Egal wo man steht, wird die Distanz bis zur Fahne angezeigt. Beim Reinzoomen bekommt man zusätzlich die Distanz zum Anfang und Ende des Greens, und zwar von dort aus, wo man steht. Ebenso kann man durch Antippen des Screens auch jeden Punkt auf dem Platz messen, also zum Beispiel die Distanz von meiner Position bis zum nächsten Bunker oder Wasserhindernis.

«Mit unserer Kompetenz, die wir uns in den sechs Jahren angeeignet haben, können wir jegliche Elektronik in einen Golfball verbauen und entsprechende Zusatzinformationen generieren.»

Sie denken bereits einen Schritt weiter. Wie digital kann das Golfspiel werden?

Hier sind keine Grenzen gesetzt. Mit unserer Kompetenz, die wir uns in den sechs Jahren angeeignet haben, können wir jegliche Elektronik in einen Golfball verbauen und entsprechende Zusatzinformationen generieren. Unser nächstes Ziel ist der Generation 2 Ball, der über sämtliche Sensoren verfügt, die Auskunft geben werden über gespielte Distanz, Flugzeit, Höhe, Geschwindigkeit und natürlich den Score.

Die automatisierte Scorecard öffnet dann ganz neue Möglichkeiten, wo man über neue Spielarten und Gamification bis hin zu einer weltweiten Chiping Challenge League denken kann.

Hunderte Millionen Golfbälle gehen jährlich «verloren». Der Nutzen Ihres Golfballs ist unbestritten. Welchen positiven Einfluss aber hat er auf die Leistung der Spieler selbst?

Als Chiping wollen wir jedem Golfer die Möglichkeit geben seine gespielten Runden zu tracken, abzuspeichern und jederzeit wieder darauf zuzugreifen. Somit kann der Spieler seinen eigenen Fortschritt über Zeit messen und analysieren. Stellen sie sich vor, dass sie ihre Spieldaten mit anderen Spielern vergleichen können und sogar auf Knopfdruck mit ihrem Golf Pro austauschen. Dieser sieht sehr schnell, ob sie tendenziell gerade spielen oder immer einen Slice haben. Aus den Daten können wir Tutorial sowie Empfehlungen an die Spieler weitergeben und ihnen somit helfen, sich zu verbessern.

Dann müssten eigentlich nicht nur Hobby-Spieler Interesse haben. Haben auch schon Professionals mit den Bällen gespielt?

Ja, wir hatten schon einige Pros und sehr viele single Handicapper die mit Chiping Bällen gespielt haben. Im Gegensatz zu einen Spieler mit hohem Handicap, der sehr viele Bälle verschiesst, genügt bei einem Top Spieler schon ein verlorener Ball, um seinen Tagesscore zu ruinieren. Entsprechend gibt es da schon sehr positive Resonanz. Wir haben allerdings bis jetzt nur eine Ballkomposition für den ‘Durchschnittsspieler’ entwickelt. Und die ist eher auf der softeren Seite, die die Leute heutzutage gerne spielen.

«Eine Zulassung zum Spiel an der European oder PGA Tour bedürfte der Änderung der Golfregeln, die – Stand heute – unsere Bälle als unerlaubtes Hilfsmittel sehen.»

Was würde es für eine Zulassung der Bälle auf der European Tour oder der US PGA-Tour brauchen?

Grundsätzlich müssten die Bälle die Konformitätsprüfung der R&A, respektive der USGA durchlaufen. Das sollte kein Problem sein, da wir sämtliche Kriterien der Verbände erfüllen. Eine Zulassung zum Spiel an der European oder PGA Tour bedürfte allerdings der Änderung der Golfregeln, die – Stand heute – unsere Bälle als unerlaubtes Hilfsmittel sehen. Aber ich denke, es ist wie bei den Laserdistanzmessgeräten, nur eine Frage der Zeit.

Wo werden die Bälle produziert und wie weit war oder ist die Produktion durch die Coronapandemie eingeschränkt?

Die gesamte Kernkompetenz mit dem ‘Hirn’ wird in der Schweiz hergestellt bei einem unserer Schweizer Partnerfirmen. Bis anhin wurde der Rest des Balles mit der Aussenhülle und Bedruckung im Fernen Osten gefertigt, aber mit der unsicheren Lage in der Coronazeit sowie den globalen Supply Chain Problemen prüfen wir aktuell die Gesamtfertigung in der Schweiz, womit ein 100% Swiss Ball entstünde. Das würde uns natürlich sehr stolz machen.

Sie waren 25 Jahre in der Finanzbranche tätig und entschlossen sich damals, für Chip-ing eine Auszeit zu nehmen. Daraus sind viele Jahre Arbeit an einem faszinierenden Projekt geworden. Haben Sie den Schritt je bereut?

Natürlich habe ich den Schritt nicht bereut. Aber klar gab es immer wieder Momente, in denen man den sicheren Hafen des Angestelltenseins vermisst, alles andere wäre gelogen. Auch hätte ich ohne meine Tage und Erfahrungen als Risikomanager und Chief Risk Officer das Chiping Projekt nie so weit bringen können. Denn auch hier gilt es vernetzt zu denken, zu planen und immer einen Plan B/C zu haben. Risiko-Diversifikation und Business Continuity gelten auch in der Realwirtschaft. Ausserdem braucht es definitiv eine gute Prise Mut, ab und zu Glück, aber vor allem viel Engagement und viel Geduld und Unterstützung seitens der Familie.

Chip-ing

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert