Thomas Studhalter, CEO BDO Schweiz, im Interview

Thomas Studhalter, CEO BDO Schweiz, im Interview
Thomas Studhalter, CEO BDO Schweiz (Bild: BDO, Moneycab)

Von Helmuth Fuchs

Herr Studhalter, BDO hat im vergangenen Jahr einen Umsatz von 281,8 Millionen Franken erzielt, ein Wachstum von 4,6 Prozent. In welchen Geschäftsbereichen haben Sie die stärksten Zuwächse verzeichnet?

Thomas Studhalter: Besonders erfreulich war die Entwicklung in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Treuhand sowie Steuern und Recht. Unser Ziel ist es natürlich, den eingeschlagenen Wachstumskurs in den kommenden zwei Jahren fortzusetzen – ambitioniert, aber realistisch.

«Digitalisierung, Automatisierung, Nachfolgeplanung – das sind die Themen, die unsere Kundinnen und Kunden heute bewegen. Genau hier bauen wir gezielt aus.» Thomas Studhalter, CEO BDO Schweiz

Wie hat sich der Anteil der klassischen Treuhanddienstleistungen am Gesamtportfolio von BDO in den letzten Jahren verändert, und welche neuen Geschäftsfelder sehen Sie als wichtigste Wachstumstreiber für die kommenden Jahre?

Treuhand ist, neben der Wirtschaftsprüfung, unser wichtigstes Standbein. 2024 lag der Umsatz in diesem Bereich bei 89,6 Millionen Franken – im Vergleich zu 71,3 Millionen Franken im Geschäftsjahr 2019. Treuhand bleibt ein stabiles und zugleich dynamisches Geschäftsfeld, das strategisch weiter an Bedeutung gewinnt.

Unser Erfolg basiert aus meiner Sicht darauf, dass wir unser Angebot stetig weiterentwickeln und dabei ein offenes Ohr für die Bedürfnisse unserer Kundschaft haben. Digitalisierung, Automatisierung, Nachfolgeplanung – das sind die Themen, die unsere Kundinnen und Kunden heute bewegen. Genau hier bauen wir gezielt aus.

Mit BDO Digital haben Sie eine Einheit geschaffen, die verschiedene IT-Dienstleistungen bündelt. Welche strategische Bedeutung hat BDO Digital heute für Ihre Kernbereiche und wie entwickeln sich Angebot und Nachfrage bei digitalen Lösungen in der Praxis?

Mit BDO Digital und der Integration unserer IT-Beratung haben wir ein zentrales Wachstumsfeld aufgebaut. Wir investieren kontinuierlich, weil unsere Kundinnen und Kunden digitale Lösungen brauchen, die im Alltag funktionieren. Besonders gefragt sind heute automatisierte Prozesse, KI-gestützte Anwendungen, Cloud-Lösungen und Cyber Security. Digitale Services sind längst kein Zusatz mehr, sondern ein fester Bestandteil unseres Angebots, vor allem in der Treuhand und in der regulatorischen Beratung. Die Nachfrage nimmt zu und wir entwickeln unser digitales Portfolio entsprechend konsequent weiter.

BDO hat 42 Standorte in der Schweiz. Inwiefern hat die fortschreitende Digitalisierung Ihre Standortstrategie beeinflusst, und planen Sie angesichts der zunehmenden virtuellen Zusammenarbeit eine Konsolidierung oder im Gegenteil einen weiteren Ausbau Ihrer physischen Präsenz?

Die Nähe zu unseren Kundinnen und Kunden bleibt für uns zentral, daran ändert auch die Digitalisierung nichts. Sie verändert unsere Arbeitsweise, aber nicht unsere Haltung. Entscheidend ist, dass wir unseren Kundinnen und Kunden die Wahl lassen, wie sie Nähe definieren. Das muss nicht zwingend geografisch sein. Oft entsteht Nähe durch Verständnis: für das Geschäftsmodell, die Bedürfnisse oder die bevorzugte Form der Zusammenarbeit – diese kann auch digital sein. Viele Kundinnen und Kunden schätzen aber nach wie vor den persönlichen Austausch vor Ort.

Unsere starke physische Präsenz in der ganzen Schweiz ist ein Vorteil, der uns nicht nur geografische Nähe zur Kundschaft verschafft, sondern uns auch befähigt, regionale Besonderheiten und Marktentwicklungen besser zu verstehen – und unsere Kundinnen und Kunden dadurch noch gezielter zu beraten. Eine Reduktion unserer Standorte ist aus den genannten Gründen nicht geplant.

Auch BDO setzt in der Finanzbuchhaltung auf die Prozessautomatisierung durch Künstliche Intelligenz. Wie haben sich die durchschnittlichen Bearbeitungszeiten für Standardprozesse durch KI-Implementierung verändert, und welche weiteren Effizienzsteigerungen konnten Sie erzielen?

Künstliche Intelligenz hat unsere Standardprozesse deutlich beschleunigt. Bei der Belegerfassung verarbeiten wir Daten – je nach Qualität – bis zu 90% schneller. Auch Kontrollprozesse lassen sich um rund 50% effizienter gestalten. Gleichzeitig gewinnen wir an Qualität und schaffen Freiräume für anspruchsvollere Aufgaben in der Kundenberatung. Genau das ist der Mehrwert für unsere Kundinnen und Kunden.

«Künstliche Intelligenz hat unsere Standardprozesse deutlich beschleunigt. Bei der Belegerfassung verarbeiten wir Daten – je nach Qualität – bis zu 90% schneller.»

Datenschutz und Privatsphäre bekommen im Zusammenhang mit der Künstlichen Intelligenz eine noch höhere Bedeutung. Wo sehen Sie in Ihrem Geschäftsumfeld die grössten Risiken und Chancen, wie beurteilen Sie die Strategie der Schweiz im internationalen Vergleich?

Künstliche Intelligenz kann im Datenschutz unterstützen, indem sie bestimmte Schutzmechanismen oder Prozesse beschleunigt und effizienter macht. Gleichzeitig verarbeiten KI-Systeme häufig grosse Datenmengen auf komplexe und teils intransparente Weise. Wer nicht genau weiss, was mit den Daten geschieht, läuft Gefahr, regulatorische Vorgaben zu verletzen.

Für uns ist klar: Der Datenschutz bleibt gerade im Zusammenspiel mit KI ein zentraler Bestandteil unserer Verantwortung. Unsere Kundinnen und Kunden erwarten zu Recht, dass wir neue Technologien mit Augenmass, Transparenz und einem klaren Verständnis der Risiken einsetzen. Unsere Stärke liegt in der Verbindung von Technologie und menschlichem Urteilsvermögen; also der Verbindung zwischen Mensch, Methode und Maschine.

Was die Regulierung betrifft: Ich bin überzeugt, dass klare Regeln helfen. Die Schweiz muss hier keine eigene Linie erfinden – die wirtschaftliche Realität wird ohnehin stark von der EU geprägt. Wenn wir uns früh und gut orientieren, gewinnen wir Sicherheit und schaffen damit Raum für Innovation.

Der Fachkräftemangel wird als eine der zentralen Herausforderungen für die Entwicklung der Schweizer Wirtschaft gesehen. Mit welchen konkreten Massnahmen, neben den eingeführten sechs Wochen Ferien, begegnen Sie diesem Problem, wie finden und entwickeln Sie die nötigen Talente?

Wir investieren in Weiterbildung, in moderne Arbeitsmodelle und in Menschen. Neben den sechs Wochen Ferien bieten wir flexible Arbeitszeitmodelle und investieren über 5% unseres Umsatzes in Aus- und Weiterbildung. Im letzten Jahr durften wir 83 Lernende begleiten, das ist ein starkes Bekenntnis zur Nachwuchsförderung.

Nachfolgeplanung ist für viele KMU ein existenzielles Thema. Wie viele Nachfolgeprozesse begleitet BDO jährlich, und welche Veränderungen beobachten Sie bei den Bewertungskriterien in unterschiedlichen Branchen?

BDO begleitet jährlich weit über hundert Nachfolgeprozesse – vom Familienbetrieb bis zum mittelgrossen Unternehmen. Auch grössere Betriebe zählen zu unseren Mandanten.

Was wir klar beobachten: Neben den Finanzen rücken Kriterien wie digitale Reife, Nachhaltigkeit und strategische Zukunftsfähigkeit stärker in den Fokus. Käuferinnen und Käufer achten vermehrt darauf, wie gut ein Unternehmen für die nächsten Jahre aufgestellt ist. Das gilt auch für kleinere KMU.

Das Rahmenabkommen mit der EU wurde 2021 vom Schweizer Bundesrat abgebrochen. Welche Auswirkungen hat dies auf Ihre international tätigen Kunden, und wie beraten Sie Unternehmen bezüglich der offenen regulatorischen Fragen im Verhältnis zur EU?

Aus meiner Sicht sind diese Abkommen für die gesamte Schweizer Wirtschaft von grosser Bedeutung. Wir sind keine Insel im Herzen Europas und können es uns nicht leisten, keine guten bilateralen Beziehungen zu einem unserer grössten Handelspartner zu pflegen. Die Unsicherheit im Verhältnis zur EU betrifft viele international tätige KMU. Unsere Aufgabe ist es, Klarheit zu schaffen – beispielsweise bei der Mindestbesteuerung oder regulatorischen Fragen. Jedes Unternehmen braucht hier individuelle Lösungen.

«Wir sind keine Insel im Herzen Europas und können es uns nicht leisten, keine guten bilateralen Beziehungen zu einem unserer grössten Handelspartner zu pflegen.»

Die geopolitischen Spannungen nehmen zu, US-Zölle belasten den Welthandel. Für wie viel Prozent Ihrer Kundschaft stellt dies ein existenzielles Risiko dar, und was empfehlen Sie betroffenen Schweizer Unternehmen?

Geopolitische Spannungen und neue Handelsbarrieren sind real und sie treffen auch Schweizer Unternehmen. Für einen Teil unserer Kundschaft, insbesondere im Export, stellen sie ein ernsthaftes Risiko dar. Wir beobachten, dass etwa 5–10% gezwungen sind, ihr Geschäftsmodell grundlegend zu überdenken. Wichtig ist jetzt: Resilienz aufbauen, strategisch diversifizieren und flexibel bleiben.

Als ehemaliger Olympia-Ruderer haben Sie einen breiten sportlichen Erfahrungshintergrund. Welche Prinzipien des Hochleistungssports sind auf die Führung eines Unternehmens mit 1’800 Mitarbeitenden übertragbar, welchen Führungsstil pflegen Sie?

Führung ist für mich weniger ein Titel als eine Haltung. Natürlich habe ich im Spitzensport gelernt, was Disziplin, Zielklarheit und Teamarbeit bedeuten, aber die grösste Parallele liegt für mich darin, wie man Menschen zusammenbringt und motiviert. Im Sport wie im Unternehmen gewinnt man gemeinsam – oder gar nicht.

Bei BDO setzen wir auf eine Kultur des Vertrauens, der Verantwortung und der Entwicklung. Ich sehe meine Aufgabe darin, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Orientierung geben und Raum für Eigenverantwortung lassen. Unsere Mitarbeitenden bringen nicht nur Fachkompetenz mit, sondern auch Haltung. Und wir fördern beides.

«Im Sport wie im Unternehmen gewinnt man gemeinsam – oder gar nicht.»

Ich glaube an Führung durch Vertrauen, durch Zuhören und durch das Vorleben dessen, was wir als Unternehmen vertreten. Daraus entsteht eine Energie im Team, die weit über einzelne Leistungen hinausgeht.

Sie sind auch Mitglied der weltweiten Führungscrew von BDO. Welche Rolle nimmt die Schweiz im internationalen Vergleich ein, welche Themen können Sie auf globaler Ebene speziell einbringen zugunsten der Schweiz?

Die Schweiz wird im globalen Netzwerk als wertvolle Partnerin wahrgenommen. Wir bringen unsere Perspektive aktiv ein. Insbesondere bei Themen wie Digitalisierung und internationalen Standards zu Steuern, Compliance und Digitalisierung, wo wir wichtige Impulse setzen können.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?

Wenn ich zwei Wünsche frei hätte, dann wären es diese: Erstens wünsche ich mir für die Schweiz eine vorausschauende, mutige Steuerpolitik – eine, die nicht nur auf äusseren Druck reagiert, sondern aktiv das Gesamtsystem gestaltet und stärkt. Und zweitens: dass ich auch in Zukunft mit einem engagierten, neugierigen Team zusammenarbeiten darf. Unsere Arbeit ist nie abgeschlossen und ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam noch viel bewegen können.


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