Urs Kessler, CEO Jungfraubahnen

Urs Kessler, CEO Jungfraubahnen
Urs Kessler, CEO Jungfraubahn Holding AG. (Copyright: Jungfraubahnen Management AG)

Urs Kessler, CEO Jungfraubahnen. (Foto: zvg)

von Bob Buchheit

Moneycab: Herr Kessler, die Jungfraubahnen sind auch ein Stromproduzent. Reichen 55GWh aus dem Laufkraftwerk an der schwarzen Lütschine aus, um nach Abschluss der vielen Ausbaupläne die Bahnen unter Strom zu halten?

Unser aktueller Strombedarf liegt bei 35 GWh. Dank des Ausbaus des Kraftwerks produzierten wir im Jahr 2012 über 60 GWh. Als Fliesskraftwerk gibt es im Winter einen „Engpass“ und im Sommer einen „Überschuss“. Die Stromproduktion des Kraftwerks ist über das ganze Jahr gesehen aber mehr als ausreichend.

Bei einem Eigenkapital von 422 Millionen kann die Jungfraubahn Holding AG die zahlreichen Ausbauten problemlos gleichzeitig stemmen. Welche zwei der acht Grossprojekte haben denn für Sie die allerhöchste Priorität?

Zurzeit liegt unser Fokus voll und ganz auf dem Projekt V-Bahn. Dieses geniesst oberste Priorität. Es ist aber nicht ausschliesslich ein Projekt der Bahnen, sondern eines für die gesamte Jungfrau-Region mit überregionaler Ausstrahlungskraft.

«Mit der geplanten 3S-Bahn würde der Wintersportgast ab Bern bereits in 1 Stunde 49‘ auf dem Eigergletscher stehen, und das mitten im Skigebiet.»
Urs Kessler, CEO Jungfraubahnen

Wie hoch wird denn der durchschnittliche Zeitgewinn für einen Kunden, der von Interlaken in Richtung Jungfrau reisen will?

Die Fahrt ab Interlaken Ost zum Jungfraujoch würde nur noch 1 Stunde 30‘ statt 2 Stunden 17‘ dauern. Das bedeutet einen Zeitgewinn von 47 Minuten. Ab Grindelwald Grund wäre der Gast bereits in 45 Minuten auf dem Top of Europe.  Attraktiv ist auch die deutlich kürzere Anreise ins Skigebiet. Mit der geplanten 3S-Bahn würde der Wintersportgast ab Bern bereits in 1 Stunde 49‘ (heute: 2 Stunden 36‘) auf dem Eigergletscher stehen, und das mitten im Skigebiet. Der Feriengast in Grindelwald könnte das Skigebiet in 15 Minuten erreichen. Die Talabfahrten würden zu Beschäftigungsanlagen.

Aber die Jahrhundertidee, mit dem Aufzug von tief unten hoch aufs Jungfraujoch zu fahren, die ist vom Tisch, oder?

Ja, diese Idee ist ganz klar vom Tisch. Die damals gemachten Studien haben gezeigt, dass ein solches Projekt nicht finanzierbar ist. Bereits die günstigste Variante hätte Kosten von rund 740 Millionen Franken bedeutet.

Wird eigentlich die Linienführung für die 27er-Gondelbahn, des sogenannten Eigerexpress, nach der harschen Kritik des Schweizer Alpen Clubs und der Stiftung Landschaftsschutz noch einmal geprüft?

Die aktuell vorliegende Linienführung des Eigerexpress ist das Ergebnis von verschiedenen Varianten, welche intensiv geprüft worden waren. Aufgrund der gemachten Untersuchungen gilt sie als ökologisch beste Variante. Sie tangiert keine kantonalen Schutzgebiete und erfordert keine Waldrodung. Wir nahmen die vom SAC und Landschaftsschutz eingegangen Eingaben zur Mitwirkung jedoch auf und gaben nochmals Studien zur Prüfung der Linienführung in Auftrag.

«Es liegt stark in unserem Interesse, dass die Gäste länger in der Region verweilen.»

Die Fahrt aufs Jungfraujoch generiert zwei Drittel Ihres Verkehrsertrags. 85 Prozent der Fahrgäste sind Ausländer. Diese bleiben relativ kurz vor Ort. Was könnte man machen, um diese Kunden zum längeren Verweilen zu bringen?

Es liegt stark in unserem Interesse, dass die Gäste länger in der Region verweilen. Ziel ist es, dass sie in der Region übernachten und damit auch noch andere unserer Ausflugsberge besuchen. Beliebt sind unsere attraktiven Kombinationsangebote, welche nebst dem Ausflug auf das Jungfraujoch einen weiteren Erlebnisberg wie den Harder, First oder die Schynige Platte beinhalten. Im Winter sehen wir viel Potenzial im Cross-Marketing: Ein Besuch auf dem Top of Europe wird beispielsweise mit Skifahren kombiniert.

Rund die Hälfte der Pisten werden beschneit. Was verbrauchen Sie damit pro Jahr an Strom?

Im Jahr 2012 hat die Wengernalpbahn (WAB) im Wintersport ca. 0.6 GWh für die Beschneiung verbraucht. Dritte haben etwa 0.4 GWh für die Beschneiung benötigt. Unter Dritte fallen etwa der „Verein Beschneiung Lauberhorn“ oder die „Pistenbearbeitung Wengen GmbH“. In den Zahlen ist die Firstbahn nicht berücksichtigt, da diese den Strom der BKW/ EWG bezieht. Als Vergleich hat die Jungfraubahn 2012 etwa 1.1 GWh Bremsenergie zurück ins Netz gegeben. Bei der WAB waren es ca. 0.5 GWh, bei der BLM-Pendelbahn circa 0.3 GWh.

Breitlauenen, Schynige Platte, der Männlichen und Grindelwald-First sind Gleitschirm-Eldorados. Haben diese Nebensportarten für Ihr Marketing Bedeutung?

Die Angebote sind Sache der privaten Anbieter. Auf unseren Verkaufsreisen tragen wir diese aber mit. Die Sportarten sind Bestandteil der vielfältigen Aktivitäten, welche unsere Region zu bieten hat.

Die Jungfraubahn-Holding-Aktie notiert notorisch unter Buchwert. Ärgern sich die Mitglieder des Aktionärsclubs darüber?

Das stellen wir nicht fest. Wir freuen uns darüber, dass sich der Aktionärsclub während der letzten Jahre laufend vergrössert hat.

Zur Euro 2008 gab es einen Kick-off-Event auf dem Jungfraujoch. Was passiert, wenn die Schweizer Fussballnationalmannschaft dieses Jahr ins WM-Viertelfinale einziehen sollte?

Wir sind bekannt dafür, uns auf neue Situationen rasch einzustellen und auf aktuelle Ereignisse zu reagieren. Spontane Aktivitäten gehören zu unserem Tagesgeschäft. Wir werden uns bei einem allfälligen Einzug ins Viertelfinale bestimmt etwas einfallen lassen, dies aber erst kurzfristig kommunizieren.

Zur Person:
Urs Kessler war zunächst Betriebsdisponent auf Bahnhöfen der Schweiz im Fahrdienst und Verkauf und besetzte verschiedene Funktionen in der Direktion der BLS mit Schwerpunkt Marketing. Seit 1987 arbeitet er für die Jungfraubahnen. 1990 wird er Leiter «Kommerzielle Dienste». In die Geschäftsleitung stieg er 2007 auf. Per 1.9.2008 erfolgte seine Wahl zum Vorsitzenden der Geschäftsleitung. Er ist gleichzeitig VR-Präsident der Tochtergesellschaften Bergbahn Lauterbrunnen-Mürren AG, Firstbahn AG, Harderbahn AG, Jungfraubahn AG, Parkhaus Lauterbrunnen AG und Wengernalpbahn AG.

Zum Unternehmen:
Die Jungfraubahn Holding AG umfasst diverse Tochtergesellschaften. Die wichtigsten sind die Jungfraubahn AG und die Wengernalpbahn AG. Die Haupttätigkeit der Gruppe ist der Betrieb von Ausflugsbahnen und Wintersportanlagen in der «Eiger Mönch & Jungfrau Region» sowie die Vermarktung des Erlebnisses «Jungfraujoch – Top of Europe», der Reise zum 3454 M.ü.M. gelegenen Jungfraujoch.

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