Zeno Staub, CEO Vontobel, im Interview

Zeno Staub, CEO Vontobel, im Interview
Vontobel-CEO Zeno Staub. (Foto: Vontobel)

von Sandra Willmeroth

Moneycab.com: Herr Staub, Vontobel hat 2022 deutlich weniger verdient als im Vorjahr. Die verwalteten Vermögen, eine wichtige Basis für Erträge, schrumpften insgesamt um 16% von 244 auf noch 204 Milliarden Franken. Was waren die Gründe für diese Vermögensabflüsse?

Zeno Staub: Wichtig ist zwischen Marktbewegungen und Geldabflüssen zu unterscheiden. 2022 haben sich vor allem die Marktbewegungen (Kursrückgänge an den Märkten) in der Höhe der verwalteten Vermögen niedergeschlagen. Allerdings hatten wir eine Ausnahmesituation: Es gab in den zurückliegenden fünf Jahrzehnten nur vier Mal eine Situation an den internationalen Kapitalmärkten wie im vergangenen Jahr, in der die Kurse sowohl an den Aktienmärkten wie auch an den Bondmärkten sanken. Damit gehörte das zurückliegende Jahr für die Finanzmärkte zu den schwierigsten, zumindest seit Ausbruch der globalen Finanzmarktkrise. In Anbetracht dieser Umstände erachte ich unser Ergebnis als zufriedenstellend.

Hingegen verzeichnet das Wealth Management Mittelzuflüsse von 5,4 Milliarden Franken. Woher kamen die Gelder hauptsächlich? Was waren die Gründe?

Das Netto-Neugeldwachstum in unserem Wealth Management war im vergangenen Jahr in der Tat erfreulich. Es beweist, dass die Kundinnen und Kunden unserer Investment-Kompetenz vertrauen. Wir konnten aus all unseren Fokusmärkten Zuwächse beim Nettoneugeld verbuchen.

«Das Netto-Neugeldwachstum in unserem Wealth Management beweist, dass die Kundinnen und Kunden unserer Investment-Kompetenz vertrauen.»
Zeno Staub, CEO Vontobel

Warum hat vor allem das Geschäft mit institutionellen Kunden wie Pensionskassen, was lange die Vorzeigesparte von Vontobel war, deutliche Mittelabflüsse (von 143 Milliarden im Jahr 2021 auf 107 Milliarden im Jahr 2022) zu verzeichnen?

Auch hier gilt in erster Linie was eingangs gesagt habe: Die Marktbewegungen waren 2022 für die Veränderung der verwalteten Vermögen ausschlaggebend. Zusätzlich hielten sich Asset-Management-Kunden weltweit mit der Wieder- oder Neuanlage von Anlagemitteln in verschiedenen Asset-Klassen zurück. Dieser Trend war bereits im ersten Halbjahr 2022 erkennbar und setzte sich über das ganze Jahr fort. Betroffen hiervon waren vor allem aktive Asset Manager wie Vontobel.

Welche Produkte / Multi-Asset-Strategien wurden von den Kunden gemieden, welche gesucht?

Anlagen in Fonds mit Aktien und festverzinslichen Wertpapieren wurden in der Schweiz und auch in Europa weniger nachgefragt. Erfreulicherweise hat Ende 2022 eine Erholung an den Aktienmärkten eingesetzt und damit hat sich die Stimmung unter den Privatanlegern verbessert. Weiter sind die Kunden nach wie vor in Multi-Asset-Strategien präsent. Sie neigen dazu, wieder ein ausgewogenes Portfolio zu bevorzugen, das sowohl festverzinsliche Anlagen als auch Aktien enthält. Dieser Trend hat bereits gegen Ende 2022 eingesetzt und dürfte sich 2023 weiter verstärken.

Der Gewinn nach Steuern ist von 384 Millionen Franken im Vorjahr auf 230 Millionen eingebrochen. Dennoch halten Sie an der Dividende von 3 Franken fest, was dazu führt, dass fast drei Viertel des Gewinns ausgeschüttet wird. Wäre eine geringere Dividende dem Ergebnis nicht angemessener?

Wir sind vom langfristigen Erfolg unseres Geschäftsmodells überzeugt. Deshalb wird der Generalversammlung im April eine unveränderte Dividende von CHF 3.00 pro Aktie vorgeschlagen. Mit dieser Beibehaltung der Dividendenhöhe sollen unsere Aktionärinnen und Aktionäre mit einer am Erfolg teilhaben können. Priorität wird aber immer die Wahrung einer robusten Eigenkapitalausstattung haben, die Vontobel die Möglichkeit gibt, die Strategie umzusetzen und damit den langfristigen Erfolg zu sichern.

Wie sieht es auf der Kostenseite aus, hält Vontobel an dem Sparkurs (-6% im 2023) fest?

Im Rahmen der neuen Weltordnung verfolgen wir schon länger eine Straffung und noch stärkere Fokussierung unseres Businessportfolio. Das entspricht unserer Strategie und ermöglicht uns Wachstumschancen konsequent wahrnehmen zu können. Die aktuell laufenden Massnahmen werden bis Ende 2023 zusätzliche Bruttokostensenkungen in Höhe von 65 Mio Franken ermöglichen.

«Im Rahmen der neuen Weltordnung verfolgen wir schon länger eine Straffung und noch stärkere Fokussierung unseres Businessportfolio.»

Welchen Handlungsbedarf sehen Sie auf Grund des Jahresabschlusses 2022?

Im November 2022 haben wir die strategische Aufstellung im Rahmen des turnusmässigen Strategieprozesses in vollem Umfang bestätigt. Für den Sprint 2023 bis 2024 haben wir die Mittelfristziele unverändert fortgeschrieben, ungeachtet der veränderten Marktlage. Wir sind zuversichtlich, dass, wie in den zurückliegenden zwei Jahren, die Ziele insgesamt über einen Zyklus hinweg erreicht werden.

Wo sehen Sie im derzeitigen Umfeld neues oder brach liegendes Anlagepotenzial?

Wir werden auch im laufenden Jahr konsequent die ambitionierten Ziele sowie die strategischen Prioritäten verfolgen und dabei auf kapitalschonendes Wachstum setzen. Ein besonderer Fokus gilt dem Geschäft mit wiederkehrenden Erträgen und welches unserem konservativen Risikoprofil entspricht. Wir haben mit Bedacht durch das Ausnahmejahr 2022 navigiert und werden auch 2023 auf Kurs bleiben.

Wie wollen Sie den Kunden künftig Privatmarktanlagen zugänglich machen?

Wie auf unserem Investorentag 2022 mitgeteilt, ist der Eintritt in die privaten Märkte eine strategische Priorität für die Jahre 2023/24, sei es durch das Eingehen einer Partnerschaft mit einem internationalen Partner oder durch eine Akquisition eines Anbieters im Bereich Private Markets. Die Gespräche setzen wir im laufenden Halbjahr fort und werden zu gegebener Zeit weiter informieren.

«Der Eintritt in die privaten Märkte ist eine strategische Priorität für die Jahre 2023/24, sei es durch das Eingehen einer Partnerschaft mit einem internationalen Partner oder durch eine Akquisition eines Anbieters im Bereich Private Markets.»

Bei der zu Vontobel gehörenden Vescore kam es zu einem Führungswechsel. Daniel Seiler wurde durch Andrea Gentilini ersetzt und dieser soll nun vor allem die Expansion in den digitalen Raum und in der KI forcieren. Können Sie das etwas konkretisieren?

Mit 25 Jahren Erfolgsbilanz, starken akademischen Wurzeln und einem betreuten Kundenvermögen von 28 Mrd Euro hat Vescore eine marktführende Position als Anbieter systematischer Lösungen für anspruchsvolle Multi-Asset-Investoren. Im Einklang mit Vescore’s wachsendem Fokus auf KI wird diesem Gebiet mit einem Team von Data Scientists Rechnung getragen. Das Team wird die quantitative und die KI-Expertise von Vescore stärken und eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung innovativer Lösungen für unsere Kunden spielen.

Welche Erwartungen haben Sie insgesamt für das Jahr 2023? Oder anders: Was macht Ihnen am derzeitigen Umfeld am meisten Sorgen und wo sehen Sie die grössten Chancen?

Kunden werden auch in Zukunft einen hohen Anlagebedarf haben. Vorsorgelücken nehmen eher zu als ab. Und im Moment sind wir davon überzeugt, dass auch in Zukunft Anlagen an den Kapitalmärkten langfristig besser rentieren als das klassische Sparbuch. Grosse Chancen wird auch weiterhin die Digitalisierung bieten. Sie wird unser Geschäft verändern, nicht aber die persönliche Beratung ersetzen. Besonders bei komplexen Themen wollen die Kunden auch in Zukunft mit einer Person ihres Vertrauens sprechen, unabhängig vom Alter und von der Vermögensklasse. Diese Erkenntnis entnehmen wir auch zahlreichen Studien. Die optimale Nutzung der digitalen Berührungspunkte ermöglicht eine noch zielgerichtetere Erfüllung von Wünschen und Erwartungen sowie Möglichkeiten zur weiteren Individualisierung zu attraktiven Kosten – was früher nicht möglich war.

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