Adolf E. Real, CEO VP Bank Gruppe

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Real, zurzeit durchlebt die Finanzindustrie eine fundamentale Vertrauenskrise. Nach der Steueraffäre in Deutschland ist dies ein zweites bedeutendes Ereignis, das Sie beschäftigen dürfte. Wie wirkt sich die Finanzkrise auf das erwartetet Jahresergebnis 2008 aus, welche Zielsetzungen müssen Sie korrigieren?


Adolf E. Real: Die im letzten August formulierten Ziele wurden unter der Voraussetzung getroffen, dass sich die Kapitalmärkte stabilisieren werden. Dies ist nicht der Fall, was sich dementsprechend in unserem Jahresergebnis auf der Ertragsseite widerspiegeln dürfte.



«Durch das Einlagensicherungssystem werden in Liechtenstein 30’000 Franken pro Kunde abgedeckt. Derzeit laufen aber Abklärungen, den Einlagenschutz im Einklang mit den einschlägigen Vorschriften der EU und in Abstimmung mit der schweizerischen Gangart anzupassen.» Adolf E. Real, CEO VP Bank Gruppe


In der Schweiz verzeichnen die Raiffeisen, die Kantonal- und die lokal orientierten Privatbanken durch den Vertrauensverlust der Kunden in die Grossbanken einen unerwarteten Zufluss von neuen Anlagegelder. Wie wirkt sich der Vertrauensverlust für die VP Bank aus und bis zu welcher Höhe sind die Anlagen Ihrer Kunden garantiert geschützt?


Als Vermögensverwalter spüren wir die Verunsicherung zwischen den Finanzmarktteilnehmern und bei den Kunden natürlich auch. Es wird kritisch hinterfragt, wie sicher verschiedene Institute noch sind und wie es um deren Liquidität steht. Bei der VP Bank Gruppe macht sich heute die seit Jahren konservative Anlagepolitik sowie die vorsichtige Kreditvergabe positiv bemerkbar. Zudem ist unser Institut nicht im Investment Banking-Geschäft tätig. Trotz dieser Faktoren und der soliden Eigenmittelbasis, die doppelt so hoch ist wie die gesetzlichen Erfordernisse, stellen sich aber auch bei uns einzelne Kunden die Frage nach der Solidität des Unternehmens. Durch das Einlagensicherungssystem werden in Liechtenstein 30’000 Franken pro Kunde abgedeckt. Derzeit laufen aber Abklärungen, den Einlagenschutz im Einklang mit den einschlägigen Vorschriften der EU und in Abstimmung mit der schweizerischen Gangart anzupassen.


Im letzten Halbjahr hatten Sie bei sinkenden Erträgen durch den Ausbau der Marktpositionen und die Einführung des neuen Bankensystems von Avaloq eine von 43 Prozen auf fast 63 Prozent steigende Cost-Income-Ratio. Wo wird diese Kennzahl am Ende des Jahres stehen und wann erwarten Sie eine Rückkehr zu Ihrem Ziel einer Cost-Income-Ratio von unter 50 Prozent?


Das Cost-Income-Zielband von 50% gilt auf mittlere Frist. 2008 wird dieses Ziel aufgrund unserer Expansion in die Wachstumsregionen, der Einführung des neuen Bankenpakets Avaloq sowie der herausfordernden Lage an den Kapitalmärkten aber nicht zu erreichen sein. 


Bis Ende 2009 hat sich die VP Bank Gruppe zum Ziel gesetzt, die betreuten Kundenvermögen auf CHF 44 Mrd. zu erhöhen. Ist dies noch realistisch?


Wir halten nach wie vor an diesem ambitiösen Ziel fest, auch wenn es aufgrund der anspruchsvollen Neugeldakquisition und der herausfordernden Lage an den Kapitalmärkten zunehmend schwieriger zu erreichen ist.



«Wir sind zuversichtlich, dass wir beim Nettoneugeld im 2. Halbjahr ein positives Resultat rapportieren können.»


In Krisenzeiten werden die Rufe nach mehr Regulierung der Finanzindustrie laut. Liechtenstein hat sich in den letzten Jahren vom regulatorischen Kellerkind in die Nähe des Klassenprimus entwickelt (neues Geldwäschereigesetz, Gesetz zur Sorgfaltspflicht). Erwarten Sie weitere Verschärfungen und wie würden sich diese auf den Finanzplatz Liechtenstein auswirken?


Es ist davon auszugehen, dass sich Liechtenstein dem Thema der zunehmenden Steuertransparenz auf absehbare Zeit nicht entziehen kann. Ein Entgegenkommen in dieser Sache haben die Liechtensteiner Regierung und der Erbprinz im letzten Sommer signalisiert. Die Finanzmarktteilnehmer erwarten baldmöglichst Details des in Verhandlung stehenden Betrugsabkommens. Sobald Klarheit besteht, wird sich die Verunsicherung bei den hiesigen Finanzinstituten und Kunden wieder legen. Wie die Ausgestaltung des Betrugsabkommens konkret aussehen wird, sollte bis Ende Jahr feststehen.


Im ersten Halbjahr 2008 haben Sie einen Neugeldabfluss von 99 Millionen Franken ausgewiesen. Konnte der Abfluss wieder in einen Neugeldzufluss gedreht werden, oder verschärft die Finanzkrise den Abfluss nochmals?


Wir sind zuversichtlich, dass wir beim Nettoneugeld im 2. Halbjahr ein positives Resultat rapportieren können. Die Abflüsse im ersten Semester waren rein wirtschaftlich begründet, zurückzuführen auf die Diskussion zum Steuerinformationsaustausch in den Medien sowie die Finanzmarktturbulenzen und dem damit schwindenden Vertrauen in das Bankensystem. Die Akquisition von Neukunden in einem solchen Marktumfeld ist eine grosse Herausforderung.



«2009 wird für die VP Bank Gruppe eine Zeit der Konsolidierung, ohne neue strategische Initiativen.»


Vor zwei Jahren konstatierten Sie, dass strategisch passende Übernahmen durch den ausgetrockneten Markt praktisch unmöglich seien. Dies dürfte sich nun fundamental geändert haben. Werden Sie das Wachstum der VP  Bank in nächster Zukunft durch eine Übernahme beschleunigen?


Zusammenschlüsse müssen strategisch, kulturell und rechnerisch passen. Dies war in der Vergangenheit schwierig. Prioritäres Ziel der VP Bank Gruppe ist es deshalb, organisch zu wachsen. Unsere in den letzten Jahren konsequent umgesetzte Expansionsstrategie in den Mittleren und Fernen Osten sowie der Ausbau in Zürich dokumentieren die eingeschlagene Richtung. 2009 wird für die VP Bank Gruppe eine Zeit der Konsolidierung, ohne neue strategische Initiativen.


Sie haben Ihre Präsenz für vermögende Kunden im nahen und fernen Osten durch Niederlassungen in Dubai, Hong Kong und Singapur gezielt erweitert. Wie entwickeln sich diese Niederlassungen im Vergleich zu Europa, bezüglich Ihrer Planung und in  welche Länder werden Sie als nächstes expandieren?


Wir werden unser Hauptaugenmerk vorerst auf die Konsolidierung der bisherigen Expansionsschritte richten. Dabei sind wir  immer noch im Zeitplan, auch wenn wir die Konzession in Singapur etwas später als geplant erhalten haben. Die Regionen im Mittleren und Fernen Osten weisen global gesehen nach wie vor hohe Wachstumsraten auf, dementsprechend dürfte auch die Zahl sehr vermögender Personen weiter ansteigen. Die Aussichten sind daher vielversprechend, was sich auch in den bisherigen Erfahrungen sowie der erfolgreichen Arbeit der Teams vor Ort  widerspiegelt. Detailliertere Angaben mache ich gerne im Rahmen der Präsentation unseres Jahresergebnisses im März 2009.


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Wachstum im Nahen und Mittleren Osten heisst auch Bankgeschäft in einer völlig anderen Kultur. Wie stark beeinflusst das Ihr Angebot, zum Beispiel in Richtung Sharia-konformer Finanzprodukte, woher holen Sie sich das Wissen im Umgang mit den neuen Produkten und werden Anlageformen in diesen Märkten auch für Ihre Kunden in Europa interessant?


Aufgrund der offenen Produktarchitektur kann die VP Bank Gruppe bei shariakonformem Anlegen gezielt auf professionelle, darauf spezialisierte Partner zurückgreifen. Das Investitionsverhalten der Anleger in diesen Regionen ist sehr produktebezogen, kurzfristig ausgelegt und nur wenig diversifiziert. Die entscheidende «Innovation», welche wir erfolgreich einbringen können, liegt im disziplinierten mittel- bis langfristig ausgelegten Anlageprozess, der sich über mehrere Anlageklassen erstreckt und eine branchen- und länderspezifische Diversifikation garantiert. Andererseits haben shariakonforme Anlagestrategien aufgrund ihrer spezifischen Produkteauswahl gerade während turbulenten Zeiten an den Kapitalmärkten eine stabile Performance gezeigt. Somit sehen wir sehr wohl eine befruchtende Wechselwirkung zwischen diesen beiden Kulturkreisen.



«Fünf Standorte erhalten dieselben Bankensysteme und identische Umsysteme. Daraus können klare Synergieeffekte abgeleitet werden, denn dies führt zu einer Effizienzsteigerung und Kostenreduktion.»



Während man die Finanzkrise in der Schweiz zuerst ohne staatliche Hilfe zu bewältigen schien, musste jetzt die UBS doch noch über die Schweizer Nationalbank und den Bund gerettet werden. Wie beurteilen Sie das Vorgehen des Staates und die möglichen langfristigen Auswirkungen auf den Finanzplatz Schweiz?


Grundsätzlich ist es keineswegs erfreulich, dass Staaten in privaten Unternehmen zu Grossaktionären werden. Auch bleibt die Frage, inwiefern und wann sich diese wieder aus den betroffenen Unternehmungen zurückziehen können. In Anbetracht der massiven Finanzmarktturbulenzen stellen solche Eingriffe derzeit aber wohl eine der wenigen Möglichkeiten dar, um das globale Finanzsystem zu stabilisieren. Begrüssenswert ist, dass der Bundesrat nicht umgehend in das internationale Konzert von Hilfeleistungen und Garantien einstimmte. Dass er nach bewusstem Zuwarten systemrelevante Massnahmen getroffen hat, war meiner Meinung nach der richtige Schritt und ist als positives Signal für den Finanzplatz Schweiz zu werten. Somit wurden die Voraussetzungen geschaffen, dass beide Schweizer Grossbanken die Krise überstehen werden.


Mit einer Investition von rund 54 Millionen Franken führen Sie ein neues Bankensystem (Avaloq) ein. Welche konkreten Ziele verfolgen Sie durch den Einsatz eines neuen Systems und über welche Zeit soll sich diese Investition bezahlt machen (ROI)?


Mit der Evaluation und dem Entscheid für Avaloq können wir flexibel auf die raschen Veränderungen an den Finanzmärkten reagieren und Kundenwünsche effizient realisieren. Fünf Standorte erhalten dieselben Bankensysteme und identische Umsysteme. Daraus können klare Synergieeffekte abgeleitet werden, denn dies führt zu einer Effizienzsteigerung und Kostenreduktion. Die Amortisation des neuen Bankenpakets erfolgt innerhalb der nächsten fünf Jahre.


Als Starttermin für die neue Lösung haben Sie sich den 01.01.2009 gesetzt. Wie weit sind Sie heute im Projekt und wie zuversichtlich sind Sie, den Fahrplan einhalten zu können?


Die bisherigen Bankensysteme werden zeitgerecht per 1. Januar 2009 durch das neue System Avaloq abgelöst. Momentan befinden wir uns auf der Zielgeraden. Singapur ist bereits seit Mitte Jahr eingeführt. Die weiteren Standorte in Liechtenstein, Zürich und auf den British Virgin Islands konzentrieren sich derzeit auf die Schlusstests. Die heutigen Testresultate lassen keine Zweifel an der Termineinhaltung aufkommen.


Zum Schluss des Interviews haben Sie noch zwei Wünsche frei. Wie sehen diese aus?


Ich hoffe, dass sich das globale Finanzsystem baldmöglichst stabilisiert, so dass keine weiteren renommierten Unternehmen aufgrund der Finanzmarktturbulenzen ihre Existenz verlieren. Eine erneute Vertrauensfindung wünsche ich mir auch für den Finanzplatz Liechtenstein. Dieser hat in den vergangenen Jahren enorme Reformanstrengungen unternommen und ist heute im internationalen Vergleich gut reguliert.






Der Gesprächspartner:
Adolf E. Real, 31. Juli 1954, verheiratet, drei Kinder.

Ausbildung:
1966 – 1974 Liechtensteinisches Gymnasium, Vaduz, Abschluss mit der Matura
1974 – 1978 Studium der Agrarwirtschaft an der Eidgenössischen Technischen Hochschule ETH in Zürich, Abschluss mit dem Dipl. Ing. Agr. ETH
1978 – 1979 Berufspraktikum beim Landwirtschaftsamt Liechtenstein, Sprachaufenthalt in USA und England
1979 – 1981 Studium der Betriebswirtschaft (Bankwesen) an der Hochschule St. Gallen
1982 – 1983 Studium von Business Administration (Schwerpunkt Finance) an der Business School der University of San Diego, California, Abschluss mit dem MBA (Master of Business Administration)
1997 (April bis Juni) Harvard Business School, Boston, Advanced Management Program AMP

Berufserfahrung:
1983 – Tätigkeit bei der Verwaltungs- und Privat-Bank AG, Vaduz, in verschiedenen Funktionen, Aufbau und Leitung der neuen Abteilungen Marketing und Organisation, Direktionssekretär des Generaldirektors
1.1.1989 – Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter des Bereiches Verarbeitung (Wertschriftenadministration, Zahlungen, Liegenschaften, Dienste)
1.2.1990 zusätzlich Übernahme der verantwortlichen Leitung des Ressorts Informatik und Organisation
28.1.1996 Durch Verwaltungsratsbeschluss designiert als Vorsitzender der Geschäftsleitung auf die Generalversammlung 1998.
19.4.1996 Bereichsleiter Logistik (Dienste, Informatik, Organisation)
Seit 27.4.1998 Vorsitzender der Geschäftsleitung (CEO)

Öffentliche Funktionen:
Präsident des Liechtensteinischen Bankenverbandes

Das Unternehmen:
Die Verwaltungs- und Privat-Bank Aktiengesellschaft (VP Bank) wurde 1956 gegründet und gehört mit rund 730 Mitarbeitenden zu den grössten Banken Liechtensteins. Heute ist sie zudem an den Standorten Zürich, Luxemburg, München, Hongkong, Dubai, Singapur, Moskau und auf den British Virgin Islands vertreten. Die VP Bank Gruppe bietet massgeschneiderte Vermögensverwaltung und Anlageberatung für Privatpersonen und Intermediäre. Aufgrund der gelebten offenen Architektur profitieren die Kunden von einer unabhängigen Beratung: In die Empfehlungen einbezogen werden sowohl Produkte und Dienstleistungen führender Finanzinstitute als auch bankeigene Investmentlösungen. Mit einem «A»-Rating von Standard & Poor’s ist sie eine der wenigen offiziell bewerteten Privatbanken in Liechtenstein und in der Schweiz.
 

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