Andrew Rybicki, VR-Präsident und CEO ADB: » Wir haben nicht die Absicht, mit Kudelski zusammenzugehen»

Von André Schäppi


Herr Rybicki, Von den Börsenneulingen haben die Aktien haben von Advanced Digital Broadcast (ADB) am meisten zugelegt. Die Papiere sind seit ihrer Einführung Ende April letzten Jahres von einem Preis von 51 Fr. auf nun über 140 Fr gestiegen. Sind Sie von dieser Entwicklung überrascht?


Andrew Rybicki : Von den Resultaten unserer Firma bin ich natürlich nicht überrascht, denn darin reflektiert sich unsere Absicht, ein äusserst erfolgreiches Unternehmen zu werden. Was mich aber schon überrascht, ist, dass wir gegenüber anderen schweizerischen IPOs derart gut abschneiden und sogar Europa weit den besten IPO hatten.


ADB hat Ende letzten Jahres Akquisitionsabsichten für Vidiom bekannt gegeben. Damit soll die Position im amerikanischen Digital-TV-Markt gestärkt werden. Andere wie Motorola oder Scientific Atlanta sind schon länger im Markt und bekannter. Wie wollen Sie da Marktanteile gewinnen?


Unser Start vor einigen Jahren im amerikanischen Markt war bescheiden. Wir hatten wenige Leute und wollten zuerst den Markt verstehen und unsere Kunden kennen lernen. Diesen Schritt haben wir erfolgreich geschafft. Mit Vidiom wollen wir das Geschäft in USA beschleunigen und zwar in einer weniger konventionellen Art. Die Amerikaner kommen mit proprietären Produkten und stellen den Kunden ein Gerät auf den Tisch. Wir dagegen haben verschiedene Vehikel wie Software oder MHP basierte Middleware entwickelt, die wir den Kunden gezielt für seine Bedürfnisse zusammenstellen und anbieten können.


(Anmerkung der Redaktion: Der Multimedia Home Platform-Standard MHP spezifiziert die Übertragung und Darstellung interaktiver Inhalte im Digitalen Fernsehen, auf Basis der Programmiersprache Java. MHP ermöglicht sowohl rein rundfunkbasierte, Spiele, Programmübersichten, komplexere EPGs etc.), als auch interaktive Dienste, die einen zusätzlichen Rückkanal erfordern (beispielsweise Abstimmungen/Quizfragen, Homeshopping-Angebote, etc.). Middleware bezeichnet Technologien, die als «Dienstleister» anderen, ansonsten entkoppelten Softwarekomponenten die Kommunikation untereinander ermöglicht.)


In welchen Bereichen wird das künftige Wachstum liegen?


Wir orten ein grosses Potenzial bei IP-TV. IP-TV bezeichnet die digitale Übertragung von Fernsehprogrammen und Filmen über ein digitales Datennetz. IP-TV ist innerhalb eines Jahres von 0 auf 15 Prozent unseres Umsatz hochgeschnellt. Und wir sind erst am Anfang, denn wir sind überzeugt, dass IP-TV signifikant wachsen wird, weil immer mehr Telefongesellschaften diese Dienste übers Netz anbieten werden. Unser Kunde, der spanische Telekom-Konzern Telefónica hat sich beispielsweise die IP-TV-Rechte an der RTL-Senderfamilie gesichert. Telefónica darf das komplette TV-Programm der Gruppe per Internet übertragen.


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Welches sind die für ADB interessanten Regionen?


Ganz klar die osteuropäischen Länder. Die sind im Bereich Kabel sozusagen unerschlossen und sind deshalb für digitale Kabel sehr attraktiv. Auch wenn dieser Markt langsam wächst, besteht doch eine grosse Nachfrage. Aber auch die beiden Amerikas bieten grosses Potenzial. Südamerika ist speziell interessant, weil wir durch Telefónica, mit der wir schon in Spanien sehr enge und gute Geschäftsbeziehungen haben und die in Südamerika stark vertreten ist, guten Zugang in dieser Region haben. Wo wir uns nicht in der nächsten Zukunft ganz klar nicht engagieren werden sind China, Indien und in den GUS-Staaten.


ADB hat kürzlich ein neues Forschungszentrum in der Ukraine eröffnet. Damit verfügt das Genfer Unternehmen über fünf Forschungszentren in Europa. Weshalb wurde gerade dieser Standort gewählt?


Das ist recht einfach. Die Ukraine steht etwa da, wo Polen vor etwa 15 Jahren gestanden hat, am Anfang einer ökonomischen Entwicklung. Damals haben wir in Polen mit unserer Entwicklung begonnen. Was heisst das für uns? Charkow ist eine recht grosse Stadt, die über eine gute Universität verfügt und dementsprechend über gut ausgebildete Leute Es ist das ehemalige Zentrum der früheren russischen Raumfahrtindustrie. Jetzt, nach dem Zusammenbruch sind viele Ingenieure arbeitslos. Diese Leute suchen Stellungen in wachsenden Industriebereichen und sind topp motiviert. Das stellt für uns ein grosses Potenzial dar, von dem wir profitieren wollen. Andererseits können wir sehr interessante Stellen in anspruchsvollen Technologien anbieten.


ADB hat mit Nagra Kudelkski (deren Technologie komplementär zu ADB ist) eine Kooperation abgeschlossen. Offensichtlich ergänzen sich die Technologien. Wäre ein Zusammengehen der beiden Unternehmen denkbar, um so eine stärkere Marktposition zu erhalten?


Nein, derartige Absichten haben wir nicht. Wir entwickeln zwar gemeinsam neue Märkte und Projekte. In dieser Zusammenarbeit sind wir recht erfolgreich und sie bringt für beide Seiten Vorteile. Aber ich denke, dass jedes Unternehmen mit seiner Position zufrieden ist, weshalb kein Grund besteht, diese gute Basis zu verändern.


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Scientific Atlanta und auch andere Hersteller von Fernseh-Set-Topboxen wie Motorola, Samsung spielen umsatzmässig in einer höheren Liga als ADB, haben dementsprechend auch mehr finanzielle Möglichkeiten als Ihr Unternehmen. Wie wichtig ist in Ihrem Business die Grösse eines Unternehmens oder gibt es andere entscheidende Faktoren?


Grösse ist zwar ein Faktor aber nicht der einzige. Sehen Sie, Scientific Atlanta zum Beispiel hat ein ganz anderes Businessmodell. Ihre Methode: Sie stellen dem Kunden eine Box hin und das war?s. Das ist ein proprietäres End-to-End-System, das mit Komponenten anderer Hersteller nicht kommunizieren kann. In Amerika, wo Scientific Atlanta gegründet wurde, sind sie erfolgreich. Aber in Europa funktioniert diese Methode nicht. Dazu man muss sehen: ADB ist weltweit aktiv und erfolgreich, gerade weil wir flexibel sind und Systeme liefern, die mit anderen kommunizieren können.


ADB zielt auf das obere Marktsegment bei Fernseh-Set-Topboxen. Hier liegen die Fabrikpreise zwei- bis dreimal höher als bei den einfachen Modellen. Müsste ADB nicht Produkt-Linien für günstigere Modelle anbieten, um längerfristig auch dieses Segment abzudecken?


Nein, das wollen wir nicht. Wir sind da, wo die komplexeren Entwicklungen und Herausforderungen sind, eben im High-End-Bereich. Wir entwickeln innovative Technologien, die wir in unsere Produkte implementieren und erreichen damit das Mid-End- und High-End-Segment. Da sind wir Experten und können uns gegenüber anderen abheben.





Zur Person
Andrew Rybicki ist polnischer Staatsbürger. Er erwarb sich einen Doktorgrad in Elektronik. Nach verschiedenen Stationen in der Wirtschaft, unter anderem bei Nokia und bei General Instrument, wurde er Marketing-Verantwortlicher für Asien-Pazifik bei STMicroelectronics, wo er eine massgebliche Rolle bei der Entwicklung des Digital-TV in der Region spielte. 1995 gründete er die ADB, deren CEO und VR-Präsident er ist.


Zum Unternehmen
Die ADB Gruppe wurde 1995 gegründet und ist ein führender Entwickler von interaktiven Geräten und Systemen für Kabel-, Satelliten- und terrestrisch verbreitetes digitales Fernsehen. Die Gruppe verkauft hauptsächlich Produkte für Endkunden wie Set-Top-Boxen, von welchen seit der ersten Auslieferung 1997 über mehrere Millionen Stück zum Einsatz kamen. Die Entwicklung und der Vertrieb der Produkte der Gruppe laufen über zwei kommerzielle Einheiten: ADB und Osmosys. ADB bietet drei Produktlinien an: Digitale TV-Geräte für Endkunden, interaktive Applikationen und Systeme sowie iDTV Module. Osmosys lizenziert Open-Standard-Middleware, unterstützt durch Dockungs- und Integrationsdienste und dazugehörige Instrumente zur Entwicklung von Software. Die in Genf domizilierte ADB Gruppe verfügt über Standorte in Australien, Italien, Polen, der Schweiz, Taiwan und den USA. Die Mehrzahl der Mitarbeitenden sind Entwicklungsingenieure. Seit April 2005 ist ADB an der SWX kotiert. Das Unternehmen erzielte 2005 einen Umsatz von CHF 250 Mio.

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