Artur P. Schmidt: Der Zombie geht um in Europa

Von Artur P. Schmidt
[email protected]


Sie schrecken sogar nicht zurück, einer Seifenwährung wie dem Dollar durch Deviseninterventionen Leben einzuhauchen und Gold und Silber durch Leerverkäufe zu drücken. Das Szenario des totalen Finanz-Armageddons ist weit weniger weit entfernt, als manche Marktteilnehmer glauben, besonders diejenigen, die sich immer wieder von den Zentralbankstern und Bankstern einseifen lassen. Die Beschleunigung des Niedergangs der US-Ökonomie vollzog sich viel schneller, als die Statistiken manipuliert werden konnten. Die Lügen sind mittlerweile so eklatant, dass selbst die Inflation kurzerhand mit Null angegeben wird.


Wie man Schrumpfung zu Wachstum erklärt
Die im August 2008 veröffentlichten Zahlen zum US-Bruttoinlandsprodukt mit einem auf das Jahr hochgerechneten Anstieg von 3,3 Prozent für das 2. Quartal 2008 waren ein Meisterwerk des ökonomischen Illusionismus. Es wurde das 4,6-prozentige nominale Wachstum des Bruttosozialprodukts nur um 1,3 Prozent Inflation durch den so genannten BIP-Deflator bereinigt. Da die Inflation jedoch deutlich über fünf Prozent gelegen hat, würde sich daraus eigentlich eine Schrumpfung der Wirtschaft um mindestens 0,4 Prozent ergeben haben. Die Lösung: Das Bureau of Economic Analysis des US-Handelsministeriums hat die Geldentwertung zu Wachstum erklärt. Ein ökonomisches Novum, bei dem wir uns nur verwundert die Augen reiben konnten, stiegen doch die ebenfalls geschönten Verbraucherpreise (CPI) im 2. Quartal um plus 4,4 Prozent und die Produzentenpreise (PPI) sogar um plus 7,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr.  Im Juli 2008 stieg das CPI auf ein 17-Jahreshoch um 5,6 Prozent, das PPI auf ein 27-Jahreshoch um 9,8 Prozent und die Importpreise auf den bisherigen Rekordstand seit der Datenerhebung um nahezu 22 Prozent. Ein Umstand, der die US-Zentralbank dazu veranlasste, die Geldmengensteigerung im August 2008 deutlich zu reduzieren und somit die Deflationierung der Aktienkurse einzuleiten.


Wer braucht schon M3?
Schon seit Jahren wird die Geldmenge M3 nicht mehr veröffentlicht, damit die Bevölkerung das Treiben der Federal Reserve möglichst wenig nachvollziehen kann. Der angebliche Exportboom ist mittlerweile wie ein Kartenhaus in sich zusammengebrochen. Das offizielle Bruttosozialprodukt von etwa 14.000 Milliarden US-Dollar, welches zu einem Viertel aus Buchhaltungs-Tricks besteht implodiert immer weiter. Anstatt offen von einer Depression zu sprechen, wird von einer Rezession gesprochen, die bereits Ende 2009 überwunden werden kann. Sogar die Deflation ist bei den Buchhaltungstricks der Zentralbankern ein willkommenes Manipulationsgeschenk. Der Rechentrick: Je geringer die Inflationserwartungen sind, die eingerechnet werden, desto höher fällt das US-Bruttosozialprodukt aus. Wohl dem, der nur an die Statistiken glauben kann, die er selbst gefälscht hat.


Buchhaltungstricks
Obwohl das weltweite Bankensystem einem Leichenschauhaus gleicht, können  Banken plötzlich wieder Gewinne erzielen. Der Trick: Das amerikanische «Financial Accounting Standards Board» beschloss, dass die Banken ihre toxischen Wertpapiere nicht mehr zum Marktwert, der bei nicht handelbaren Papieren eh nicht zu bestimmen ist und bei vielen Papieren sogar bei Null liegt, sondern gemäss der eigenen Einschätzung bilanzieren können. Damit wird der Abschreibungsbedarf drastisch gesenkt, was nicht nur für geringere Verluste sondern plötzlich sogar wie bei Goldman Sachs zu einem hohen Gewinn im 1. Quartal 2009 von 1.7 Milliarden USD führt. Doch damit nicht genug, um den Gewinn noch weiter aufzutunen, wurde mit der Änderung von einer Investmentbank zu einer «normalen» Geschäftsbank das Geschäftsquartal von bisher Dezember bis Februar auf Januar bis März geändert. Dies wäre nicht weiter schlimm, hätte man nicht noch im Dezember einen Verlust von 1 Milliarde US-Dollar versteckt. Es zeigt sich immer deutlicher, dass die flexibleren Regeln einen schweren Fehler darstellen, da damit die Bilanzen nicht mehr aussagekräftig sind. Mit Bauernfängertricks à la Goldman wird sich das zerstörte Vertrauen gegenüber der Bankenbranche nicht wieder herstellen lassen. Dass die Gewinnausweise nur aus Buchhaltungstricks bestehen zeigt sich auch darin, dass sich die Realwirtschaft in den USA weiter verschlechtert. Es waren die Manipulationen der Bilanzen, die die Krise erst ermöglicht haben. Und so schlummern jetzt in vielen Bankbilanzen wieder äusserst fragwürdige Wertpapiere.


Spielcasino Deutsche Bank
Alle deutschen Finanzinstitute zusammengenommen haben nur noch ein Eigenkapital von knapp 300 Milliarden Euro bei einer Bilanzsumme von 8000 Milliarden Euro. Dies entspricht einer durchschnittlichen Eigenkapitalquote von weniger als 4 %. Diese Zahlen sind erschreckend, da lediglich Wertberichtungen von 4 % aller Aktiva das gesamte Eigenkapital aller Finanzinstitute der Bundesrepublik Deutschland auslöschen würden. Geht man von realistischen Wertberichtigungen von etwa 20 % aus, so müsste der Bund – wenn er alle Banken retten wollte – 1600 Milliarden Euro nachschiessen. Der Staat stand bei privaten Banken in Deutschland bei der teilverstaatlichten Commerzbank mit 18 Milliarden und bei der Hypo Real Estate mit 92 Milliarden Euro für toxische Wertpapiere gerade. Die völlig überschuldete Deutsche Bank, mit einem Eigenkapital von lediglich 35 Milliarden Euro und damit einer Eigenkapitalquote von unter 2 %, war der Hauptprofiteur der neuen Bilanzierungsregeln. Kurz vor dem Offenbarungseid, dass die Bank ebenfalls Staatshilfe benötigt, kam die durch Buchgewinne ausgelöste Bankenrallye. Doch die Probleme haben sich hiermit nicht in Luft aufgelöst. In der Bilanz des der Spielsucht verfallenen Marktführers schlummern fragwürdige Wertpapiere von etwa 90 Milliarden Euro, die nicht mit Marktpreisen, sondern zu Mondpreisen bewertet werden. Das Institut ist fast mit dem Hebel 60 geleveraged. Noch beeindruckender ist das ausserbilanzielle Derivatevolumen des Branchenprimus. Es beträgt das 19-fache des bundesdeutschen Bruttosozialproduktes. Damit ist die Deutsche Bank (ebenso wie die UBS für die Schweiz) zu einem unkalkulierbaren Risiko für die Bundesrepublik Deutschland geworden.


Zombie-Banken
Nicht die Bilanzierung ist das eigentliche Problem, sondern die Art und Weise, wie Marktpreise manipuliert und Bilanzen aufgebläht wurden. Die ungezügelte Bereicherung mithilfe ungedeckter Checks hat zu immer höheren Bewertungen und zu Zombie-Banken wie Lehman geführt. Jetzt, wo die Bewertungen im Keller sind, sollen diese plötzlich nicht mehr fair bewertet werden. Gewinne und Boni werden gerne eingestrichen, aber Verluste sollen sozialisiert werden. Scheinbar will niemand in der Bankenwelt sich eingestehen, dass das angebliche Wirtschaftswachstum der USA in den Jahren 2003 bis 2007 nicht anderes als eine spekulative Seifenblase war, die auf illusionären Scheingewinnen basierte. Banken sind jetzt dazu übergegangen die Verluste auf zukünftige Perioden zu verteilen. Auch die so genannten Bad Banks dienen im Grunde genommen nur der Bilanzfälschung. Werden toxische Papiere zu hoch angesetzt, wird die Problemlösung oder ein möglicher Bankrott in die Zukunft verlagert gemäss dem Prinzip Hoffnung, dass man mit dieser Massnahme Zeit gewinnt um dem Konkurs zu entrinnen. Dies gilt im besonderen für die deutschen Landesbanken, wo toxische Wertpapiere in einer Grössenordnung von mindestens 500 Milliarden Euro schlummern. Wenn jetzt alles gerettet werden soll, was eigentlich nicht zu retten ist, dann wird das zentrale Prinzip der Marktwirtschaft, dass es privates Eigentum mit persönlicher Haftung gibt, über Bord geworfen. Es bleibt deshalb nur eine Lösung – man wird eine Vielzahl von Banken pleite gehen lassen müssen, sonst geht ein neues Gespenst um in Europa: der Zombie!





Artur P. Schmidt
Der Wirtschaftskybernetiker Dr.-Ing. Artur P. Schmidt wurde in Stuttgart geboren. Er besuchte im Stadtteil Zuffenhausen das Ferdinand-Porsche-Gymnasium und machte dort das Abitur. Das Studium der Luft- und Raumfahrttechnik in Stuttgart und Berlin schloss er im Alter von 27 Jahren mit  der Bestnote im Fachgebiet Raketentechnik ab, so dass ihm von Prof. H.H. Koelle die Promotion angetragen wurde. Im Alter von 30 Jahren erhielt Artur P. Schmidt den Doktortitel für ein kybernetisches Marktanalyse-Verfahren am Beispiel der Strategischen Planung von Airbus Industries. Nach einer Beratungstätigkeit bei Anderson Consulting sowie als Leiter der Strategischen Analyse der Ruhrgas AG war Dr. Schmidt Stipendiant der Stiftung zur Förderung der systemorientierten Managementlehre und letzter Schüler von Prof. Hans Ulrich, dem Begründer des St. Galler Management-Ansatzes. Während dieser Zeit begann Dr. Schmidt seine publizistische Laufbahn, aus denen Bestseller wie «Endo-Management» und «Der Wissensnavigator» sowie Wirtschaftsbücher wie «Wohlstand_fuer_alle.com» oder «Crashonomics» hervorgingen. Sein neuestes Buch, welches im EWK-Verlag (www.ewk-verlag.de ) erschienen ist, heisst  «Unter Bankstern».

Heute ist Artur P. Schmidt Herausgeber des Online-News-Portals www.wissensnavigator.com sowie der Finanz-Portale www.bankingcockpit.com , www.wallstreetcockpit.com , www.futurescockpit.com und www.optioncockpit.com sowie Geschäftsführer der Tradercockpit GmbH (www.cockpit.li ). Dr. Schmidt ist ein gefragter Keynote-Speaker sowie Kolumnist für zahlreiche Finanzpublikationen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert