Artur P. Schmidt: Die Phantom-Ökonomie

Von Artur P. Schmidt
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Das Spiel der Spiele
Durch die weltweite Derivatisierung der Finanzmärkte wurde in den zurückliegenden Jahren eine Phantom-Ökonomie geschaffen, die jederzeit in sich selbst zusammenbrechen kann. Der Ground Zero eines weltweiten Derivate-Desasters dürften die amerikanischen Banken sein. Ihre Collateralized Debt Obligations (CDO) waren und sind lediglich Wetten darauf, ob Schuldner ihre Schulden zurückbezahlen können. Können sie es nicht, platzen diese Wetten und das System ist nicht mehr zu retten. In einer Welt der niedrigen Zinsen, mit deflationären Kräften und billigen Krediten wurde die Welt mit diesen Wetten überschwemmt. Damit konnten immer grössere Hebel eingegangen werden ? Hebel, die jetzt zurückschlagen. So konnte der Derivatemarkt auf geschätzte 600 bis 800 Billionen Dollar anwachsen, zu einer Monsterwelle ungeahnten Ausmasses. Da jetzt alle aufgebauten Blasen nahezu zur gleichen Zeit platzen, stellt sich die Frage, ob der Staat das Gelddruckspiel fortsetzen will oder nicht diejenigen bestrafen sollte, welche dieses Spielcasino errichtet haben. Deshalb muss den Banken der Eigenhandel schnellstmöglich verboten werden.


Unnötiger Bailout
Da alles, was künstlich errichtet wurde, komplett kollabieren wird, haben wir in Bälde nicht nur eine Finanzkrise, eine Bankenkrise und eine Kreditkrise, sondern die Folge wird auch eine Nahrungskrise, eine Energiekrise und eine Rohstoffkrise sein. In einer globalen Weltwirtschaft in der Tausende von Unternehmen mehr als das 10- bis 100-fache ihres eigenen Kapitals ausgeliehen haben, können Kreditausfälle oder Bankrotte sehr schnell einen Domino-Effekt auslösen, der sich in Echtzeit über den Globus ausbreiten wird. Hier helfen dann auch keine Bailouts mehr. Die Billionen von Dollar, die von den Notenbanken weltweit in ein bankrottes System gesteckt wurden, enteignen lediglich die Bürger ohne die Ursachen der Krise zu bekämpfen. Was notwendig wäre, ist ein Bailout von Unternehmen und Hausbauern, doch dies ist durch die Fed nicht finanzierbar. Finanzierbar war nur der unnötige Bailout von Banken, die lieber das Geld für den Eigenhandel horten anstatt Unternehmern Kredite geben. Die Phantom-Banken mit ihren Phantom-Buchungen spekulieren lieber selbst als den Kreditkreislauf wieder in Gang zu bringen.


Megakrise
Die kommende Implosion des Credit Default Swap (CDS)-Markts, ausgelöst durch einen Tsunami von Unternehmenspleiten mit zunehmender Massenarbeitslosigkeit, ist nicht aufzuhalten. Spätestens dann wird jeder erkennen, dass ? anderes als es die Medien und so genannte Wirtschaftsexperten verkünden ? die Finanz- und Wirtschaftskrise erst richtig begonnen hat. Immer mehr US-Banken und Privatleute geraten aktuell in die Insolvenz und die Stützungsmassnahmen für marode Banken erweisen sich immer mehr als Fass ohne Boden. Die lockere Geldpolitik der Fed mag zwar die Aktienkurse mittelfristig pushen, jedoch wird ein Zusammenbruch der Carry-Trade-Spekulationen und das künstliche Niedrighalten der chinesischen Leitwährung die riskobehafteten Anlagen zusammenbrechen lassen.


Dollar löst Yen als Carry Trade Währung ab
Zwar werden die Vermögenspreise langfristig weiter ansteigen, jedoch sind diese gemessen an den makroökonomischen Kennzahlen viel zu stark, zu früh und zu schnell angestiegen. Da die Fed die Zinsen quasi eingefroren hat, hat der Dollar den japanischen Yen als Carry Trade Währung abgelöst. Leerverkäufer, die sich im Dollar verschuldet haben und renditestärkere Vermögenswerte in einer stärkeren Währung gekauft haben, können dies nur so lange tun, bis das Pendel zurückschlägt. Durch den Währungsverfall des Dollar konnten sich viele das Geld nicht nur zum Nullzins leihen, sondern sogar mit einem Zinssatz von minus 10 bis minus 20 Prozent. Dies hat die Spekulation und damit die Aktienkurse wieder nach oben getrieben auf ein Kurs-Gewinnverhältnis, welches gemessen an früheren Krisen um den Faktor 3 zu hoch ist.


Reiten auf der Blase
Jeder, der in den zurückliegenden Monaten 50 bis 70 Prozent Rendite erwirtschaftet hat, darf sich wie die Top-Spekulanten von Goldman Sachs als Finanzgenie feiern lassen. Vielleicht gehört es zur scheinbaren Genialität, dass man nicht erkennt, dass man auf einer riesigen Blase reitet. Und selbst wenn man es erkennt, so bilden sich die Glücksritter der Banken ein, dass man rechtzeitig abspringen kann und, falls es schief geht, dass wieder ein Bailout zur Rettung kommen wird. Der tödliche Cocktail aus Nullzinspolitik der Fed, quantitativer Lockerung und massivem Aufkauf langfristiger Schuldeninstrumente lässt durch die Mutter aller Carry-Trades, das Wetten auf einen fallenden Dollar, die Mutter aller Blasen ? die Bondblase ? entstehen, aus der es langfristig keine Entrinnen mehr gibt. Die über alle globalen Vermögensklassen perfekt korrelierte Mega-Blase wird täglich grösser und wird sich so lange steigern, bis ein durch Massenpanik ausgelöster Vermögenskollaps diesem Treiben ein Ende bereiten wird.


Monsterwelle
Stabilisiert sich der Dollar oder beginnt er leicht zu steigen, wird es der Fed nicht mehr gelingen, die Volatilität wie bisher zu unterdrücken. Dann wird eine Monsterwelle über die Finanzmärkte hereinbrechen, die, falls es auch noch zu einer politischen Krise käme, ein finanzielles Armageddon auslösen kann. Dann wird es zu einer weiteren deflationären Riesenwelle kommen, welche die Vermögen der Bürger weiter schmälern wird, insbesondere derer, die massiv verschuldet sind, und in einer nachfolgenden Inflation, die sich zu einer Hyperinflation aufschaukeln kann, die Kaufkraft weiter aushöhlen wird. Diese Prozesse ruinieren Unternehmen und Konsumenten in systematischer Weise, führen zur Massenarbeitslosigkeit und letztendlich zum Zusammenbruch der Ökonomien und in Folge der gesamten Globalisierung.


Risiko trägt der Steuerzahler
Es ist erschreckend anzusehen, wie tief die amerikanischen Zinsen über ein volles Jahrzehnt gehalten wurden. Die aktuelle Nullzinspolitik ist ein Ausdruck dessen, wie tief die Risiken aktuell wieder bewertet werden. Doch dies kann nicht verwundern, denn wenn klar ist, dass das Risiko des Scheiterns auf den Steuerzahler abgewälzt wird, können die Zinsen niedrig bleiben. In der Folge musste das Spekulationsfieber wieder anziehen und so verwundert die stärkste Bärenmarktrallye aller Zeiten vom März 2009 bis zum Januar 2010 wohl kaum jemanden mehr. Doch solche Rallys, die keinen Zinsanstieg mit sich ziehen, haben einen kleinen Schönheitsfehler: sie lassen noch grössere Bubbles entstehen. Wer in einem Umfeld der kommenden Hyperdepression Anleihen mit nahezu Null Verzinsung kauft, muss entweder ein völliger Optimist sein oder aber ein Spieler, der nur noch an den Augenblick, jedoch nicht mehr an die Zukunft denkt.


«No Future» für Amerika
Auch die hochverzinslichen Build America Bonds mit Zinsen bis 7.4%, bei denen der US Steuerzahler die Zinseinsparungen von Bundesstaaten finanziert, sind letztendlich Ausdruck eines Systems, dass keine Verantwortung für die Zukunft mehr übernehmen will, weil es für das aktuelle System eh keine Zukunft mehr gibt. Kein Wunder, dass die Experten von «No Future»-Anleihen wie Goldman Sachs, JP Morgan Chase, Bank of America und Citigroup zu den Top-Versicherern dieses neuen Ponzi-Schemas gehören. Da die meisten dieser Anleihen erst in 20 bis 30 Jahren fällig werden, stellt sich für die Emittenten die Frage der Rückzahlung wahrscheinlich eh nicht mehr, da der Bondmarkt vorher definitiv gecrashed sein wird. Das Ende der Phantom-Ökonomie rückt damit unausweichlich mit jedem Handelstag näher.





Artur P. Schmidt
Der Wirtschaftskybernetiker Dr.-Ing. Artur P. Schmidt wurde in Stuttgart geboren. Er besuchte im Stadtteil Zuffenhausen das Ferdinand-Porsche-Gymnasium und machte dort das Abitur. Das Studium der Luft- und Raumfahrttechnik in Stuttgart und Berlin schloss er im Alter von 27 Jahren mit  der Bestnote im Fachgebiet Raketentechnik ab, so dass ihm von Prof. H.H. Koelle die Promotion angetragen wurde. Im Alter von 30 Jahren erhielt Artur P. Schmidt den Doktortitel für ein kybernetisches Marktanalyse-Verfahren am Beispiel der Strategischen Planung von Airbus Industries. Nach einer Beratungstätigkeit bei Anderson Consulting sowie als Leiter der Strategischen Analyse der Ruhrgas AG war Dr. Schmidt Stipendiant der Stiftung zur Förderung der systemorientierten Managementlehre und letzter Schüler von Prof. Hans Ulrich, dem Begründer des St. Galler Management-Ansatzes. Während dieser Zeit begann Dr. Schmidt seine publizistische Laufbahn, aus denen Bestseller wie «Endo-Management» und «Der Wissensnavigator» sowie Wirtschaftsbücher wie «Wohlstand_fuer_alle.com» oder «Crashonomics» hervorgingen. Sein neuestes Buch, welches im EWK-Verlag (www.ewk-verlag.de ) erschienen ist, heisst  «Unter Bankstern».





Heute ist Artur P. Schmidt Herausgeber des Online-News-Portals www.wissensnavigator.com sowie der Finanz-Portale www.bankingcockpit.com , www.wallstreetcockpit.com , www.futurescockpit.com und www.optioncockpit.com sowie Geschäftsführer der Tradercockpit GmbH (www.cockpit.li ). Dr. Schmidt ist ein gefragter Keynote-Speaker sowie Kolumnist für zahlreiche Finanzpublikationen. 

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