Artur P. Schmidt: Judgement Day

Von Artur P. Schmidt
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Der Tag der Abrechnung, wie ihn die Amerikaner nennen, wird in der Weltwirtschaft kommen. Die Rätselhaftigkeit des Anstieges der Aktienkurse in den letzten Monaten lässt sich lüften, wenn man die Aktivitäten an den Märkten beobachtet. Charles Biderman, CEO der renommierten Finanzanalysefirma TrimTabs, betonte, dass ein monatlicher Betrag von 5 bis 15 Milliarden USD pro Monat ausreicht, um durch den späten Kauf von S&P 500 Futures-Kontrakten den Markt nach oben zu pushen. Geld genug dafür hätte das so genannte Plunge Protection Team, welches in üppiger Weise durch das Drucken von mehr Geld von der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) für solche Aktivitäten zur Marktmanipulation ausgestattet worden ist. Wenn die Fed jedoch die Kurse steigen lassen kann, dann kann diese auch eine Fallbewegung auslösen, womit das freie Spiel der Kräfte zu einer Goodwill-Aktion der Banker wird: Eine perfekte Gelddruckmaschine der Marktmanipulation, um noch höhere Rekordgewinne einfahren zu können. Betrachtet man sich die drei möglichen Szenarien für die Finanzmärkte, so kommt man aufgrund der scheinbar alle Probleme wegspülenden Liquiditätsgarantie der Fed zu folgenden Beobachtungen:


Was wird als nächstes abgewrackt?
Die sehr grosszügige Geldpolitik der Notenbanken scheint in den letzten Monaten überhaupt nicht gegriffen zu haben, vielmehr macht es den Anschein, dass die Abwrackprämien über kurz oder lang nur die Ouvertüren zum Abwracken der Staatsanleihen sein werden. Die Kreditschöpfung der Banken hat neue historische Tiefsstände erreicht ? ein Zeichen dafür, dass die Wirtschaftsaktivität nur sehr schleppend in Gang kommt. Auch scheint die Häufung der Krisen in den letzten Jahren kein Zufall zu sein, sondern diese sind auf eine falsche Geldpolitik zurückzuführen, nämlich einer Geldpolitik, die Instabilitäten schon lange nicht mehr bekämpft, sondern diese im Gegenteil geradezu zulässt, damit die Manipulierbarkeit der Bürger sukzessive gesteigert werden kann. Szenario 1 einer L-förmigen Erholung mit einem scharfen Kursverfall und einer sanften Erholung dürfte angesichts der massiven Verwerfungen und der weltweiten Schulden-Bubbles wenig realistisch sein. Szenario 2, welches vom Wachstumsmotor China und Indien erwartet, die Weltwirtschaft über extremes Wachstum aus der Krise zu führen, dürfte ebenso wenig realistisch sein, da vor allem in China mittlerweile aufgrund der massiven Expansion der Staatsausgaben sowie einer Politik des leichten Geldes eine neue spekulative Blase entstanden ist. Insbesondere die Blase im Immobiliensektor führt uns zum wahrscheinlichsten der drei möglichen Szenarien: der deflationären Depression.


Neuer China-Bubble
Um den Wirtschaftsaufschwung nicht zu gefährden, setzt die chinesische Regierung auf eine strikte Kopplung an den Dollar. So lange der Dollar fiel sicherte sich Peking zwar die Wettbewerbsfähigkeit der chinesischen Exporte, bei einem wieder erstarkenden Dollar und bei einem weiteren Einbruch der westlichen Volkswirtschaften droht jedoch ein jäher Absturz der chinesischen Wachstumseuphorie. Da Geld durch die nahezu Nullzinspolitik der Zentralbanken weltweit billig zu haben ist, hat sich ein erneutes Carry-Trade Monopoly entwickelt, wobei ausländische Investoren sich in Dollar verschuldeten um damit auf eine Yuan-Aufwertung zu spekulieren, was die weltweite Liquidität zusätzlich aufblähte. Falls jetzt eine sanfte Rückführung der Kreditvergabe nicht gelingt, könnte es durch den Rückgang der weltweiten Nachfrage nach chinesischen Produkten in China zu einer Pleitewelle ungeahnten Ausmasses kommen, welche auch soziale Unruhen hervorrufen kann, da Millionen von Arbeitslosen in den bisher boomenden Metropolen Verhältnisse wie in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in den USA hervorrufen könnten. Dieser Jahrhundertsturm, den ein Einbruch der chinesischen Wirtschaft für die gesamte Weltwirtschaft auslösen kann, scheint den wenigsten Wirtschaftsexperten bewusst zu sein. Überall versucht man die Bürger zu beruhigen, ja viele sprechen sogar schon davon, dass die Finanzkrise überwunden sei. Dies ist genauso als ob man im Auge des Hurrikans davon ausgehen würde, dass der Sturm vorübergezogen sei, nur weil es für einige Minuten ruhig geworden ist.


Deflationäre Depression
Wie wir wissen, sind die Verwüstungen dann am grössten, wenn das Auge des Hurrikans verlassen wird. Der Hurrikane Ike in Galveston von 2008 legt Zeugnis davon ab, was noch auf die Weltwirtschaft zukommen kann. Solange die Amerikaner mehr Geld leihen als je zuvor, d.h. das Angebot an Geld dermassen stark ausgeweitet wird, müssen die Nachfrage ? und damit in Folge die Preise ? früher oder später massiv abstürzen. Die Folge wird ein Anstieg der Zinsen und ein noch stärkeres Abwürgen der Konjunktur sein. Damit wird offenbar, dass der wahnwitzige Versuch, die Wirtschaft durch noch mehr Schulden wiederzubeleben, nicht nur gescheitert ist, sondern die Krise möglicherweise in eine handfeste Depression überleiten wird. Die Verbraucherkredite schrumpfen weiter, die Arbeitsplätze gehen weiter zurück, es kommt zu immer mehr Unternehmenspleiten und Privatbankrotten und die deflationäre Krise weitet sich aus. Dann werden die politisch Verantwortlichen vielleicht erkennen, dass die Verzögerung der notwendigen Korrektur durch zusätzliche Regierungsausgaben zu einer noch stärkeren Krise führen musste. Geben die Politiker Geld aus, das sie nicht haben, um eine Korrektur zu verhindern, so verschlimmbessern sie die Situation und untergraben die Prinzipien einer sozialen Marktwirtschaft. Damit wird das angebliche Heilmittel der Staatsverschuldung zu einem Katalysator für die Ausbreitung einer Krankheit, nämlich der Deflation, die in ihrer Turboversion Deflationäre Depression heisst.





Artur P. Schmidt
Der Wirtschaftskybernetiker Dr.-Ing. Artur P. Schmidt wurde in Stuttgart geboren. Er besuchte im Stadtteil Zuffenhausen das Ferdinand-Porsche-Gymnasium und machte dort das Abitur. Das Studium der Luft- und Raumfahrttechnik in Stuttgart und Berlin schloss er im Alter von 27 Jahren mit  der Bestnote im Fachgebiet Raketentechnik ab, so dass ihm von Prof. H.H. Koelle die Promotion angetragen wurde. Im Alter von 30 Jahren erhielt Artur P. Schmidt den Doktortitel für ein kybernetisches Marktanalyse-Verfahren am Beispiel der Strategischen Planung von Airbus Industries. Nach einer Beratungstätigkeit bei Anderson Consulting sowie als Leiter der Strategischen Analyse der Ruhrgas AG war Dr. Schmidt Stipendiant der Stiftung zur Förderung der systemorientierten Managementlehre und letzter Schüler von Prof. Hans Ulrich, dem Begründer des St. Galler Management-Ansatzes. Während dieser Zeit begann Dr. Schmidt seine publizistische Laufbahn, aus denen Bestseller wie «Endo-Management» und «Der Wissensnavigator» sowie Wirtschaftsbücher wie «Wohlstand_fuer_alle.com» oder «Crashonomics» hervorgingen. Sein neuestes Buch, welches im EWK-Verlag (www.ewk-verlag.de ) erschienen ist, heisst  «Unter Bankstern».




Heute ist Artur P. Schmidt Herausgeber des Online-News-Portals www.wissensnavigator.com sowie der Finanz-Portale www.bankingcockpit.com , www.wallstreetcockpit.com , www.futurescockpit.com und www.optioncockpit.com sowie Geschäftsführer der Tradercockpit GmbH (www.cockpit.li ). Dr. Schmidt ist ein gefragter Keynote-Speaker sowie Kolumnist für zahlreiche Finanzpublikationen. 

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