Artur P. Schmidt: Protektionistische Sandkastenspiele

Von Artur P. Schmidt
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Der Eindruck, dass diejenigen die in den grossen Industrienationen das Sagen haben eher in den Kindergarten als an die Macht gehören wurde diese Woche aufs Neue bestätigt : Nach Washington will jetzt auch Peking sein Konjunkturpaket nutzen, um heimischen Unternehmen Vorteile zu verschaffen. So hat China jetzt eine Buy-Chinese-Klausel in sein milliardenschweres Konjunkturprogramm integriert. Ein Umstand, den man im Allgemeinen Protektionismus nennt. Es war jedoch genau dieses Vorgehen, weshalb die Wirtschaftskrise der 30er Jahre zur Grossen Depression ausartete. Im Jahr 1930 endete die Globalisierung schlagartig, als US-Präsident Herbert Hoover die Zölle auf einem Schlag auf 900 Prozent erhöhte. Im Sommer 1932, auf der Konferenz von Ottawa, verliess Grossbritannien den Goldstandard, wertete das Britische Pfund ab und errichtete mit den Commonwealth-Staaten einen nach aussen durch Zölle und Importquoten abgeriegelten Handelsblock. Damit war ein Handelskrieg eröffnet, der in der Folge den Welthandel kollabieren liess.


Mit Roosevelt kehren die USA zum Freihandel zurück
Erst der neue US-Präsident Franklin D. Roosevelt kehrte ab 1933 zum Freihandel zurück und erzwang später auch eine Öffnung des britischen Marktes. Die Erfahrung der grossen Not, die aus diesem Handelskrieg entstanden war, führte nach dem Zweiten Weltkrieg zum Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrags, des GATT (General Agreement of Tariffs and Trade), der 1948 in Kraft trat. Zölle wurden erlaubt, aber nur in gewissen Grenzen und nach bestimmten Regeln der Gleichbehandlung. Die meisten anderen Handelsbeschränkungen wurden verboten. 1994 entstand die Welthandelsorganisation (World Trade Organisation, WTO) mit Sitz in Genf und 153 Mitgliedern, deren Aufgabe es eigentlich ist, gefährliche protektionistische Sandkastenspiele zu verhindern.


Chinas gigantisches Konjunkturprogramm
Als die USA vor einigen Monaten in ihrem Konjunkturpaket eine umstrittene «Buy-American-Klausel» aufnahm, attackierte China dies scharf. Jetzt gab die Regierung in Peking die Order aus, für staatsfinanzierte Projekte in China hergestellte Produkte zu verwenden. Für den Einsatz importierter Ware ist jetzt eine offizielle Erlaubnis notwendig. Wie schon in der letzten grossen Weltwirtschaftskrise sind damit Konflikte unter den Handelspartnern vorprogrammiert. China stützt aktuell seine Wirtschaft mit einem riesigen Konjunkturprogramm von etwa 600 Milliarden USD, das jedoch wirkungslos verpuffen wird, wenn der Welthandel nicht wieder stärker in Gang kommt.


Wie du mir, so ich dir
Der freie Handel ist für die chinesische Wirtschaft von fundamentaler Bedeutung und protektionistische Gegenmassnahmen der USA oder aus Europa dürften auch der chinesischen Wirtschaft schwer zusetzen. Die «Wie du mir, so ich dir»-Strategie dürfte sich somit für China sehr schnell als Boomerang herausstellen. Wer am meisten unter einem protektionistischen Kurs zu leider haben wird, sind jedoch die Exportnationen Deutschland und Japan. Noch haben wir zwar keinen Handelskrieg wie in den 30er Jahren, doch durch die steuernden Eingriffe der Regierungen, vor allem durch Bailouts und riesigen Konjunkturprogramme steuern wir direkt darauf zu.


Neuer Protektionismus greift um sich
Anders als es die G20-Staaten versprochen hatten, greift mittlerweile ein neuer Protektionismus um sich, wie folgende Beispiele zeigen: Russland schützt die heimische Autoproduktion, Indien seine Stahlindustrie, Indonesien wickelt Importe nur noch über fünf Häfen ab, die EU subventioniert wieder den Export von Milchprodukten, die USA antworten mit Strafzöllen auf französischen Käse und italienisches Mineralwasser. Die grossen Industrienationen scheinen immer mehr Angst zu bekommen, dass ihre Konjunkturprogramme mehr dem Ausland als dem Inland nützen. Deshalb setzten sie vermehrt auf eine Politik der Einfuhrbeschränkungen zum Schutz der heimischen Produktion. Gerechtfertigt wird dies mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen, der Vermeidung von Anpassungshärten strukturellen Wandels oder dem Schutz vor unfairem Wettbewerb.


Innovationsverhinderung  
In Wahrheit ist Protektionismus jedoch nichts anderes als Innovationsverhinderung, weil Schutzzölle, Import-Quoten, Import-Lizenzen oder Kontingentierungen den notwendigen Strukturwandel nur unnötig hinauszögern. Strukturwandel ist jedoch unabdingbar, wenn es neue Wachstumsimpulse in der Wirtschaft geben soll. Wer das Alte bewahren will, wird letztendlich nicht gestärkt, sondern geschwächt aus der Krise hervorgehen. Protektionismus hat jedoch noch einen zweiten sehr gefährlichen Nebeneffekt, der nicht ignoriert werden sollte: Er wird deflationäre Tendenzen verstärken, d.h. weitere Marktbereinigungen an den Finanzmärkten dürften deshalb sehr heftig ausfallen.





Artur P. Schmidt
Der Wirtschaftskybernetiker Dr.-Ing. Artur P. Schmidt wurde in Stuttgart geboren. Er besuchte im Stadtteil Zuffenhausen das Ferdinand-Porsche-Gymnasium und machte dort das Abitur. Das Studium der Luft- und Raumfahrttechnik in Stuttgart und Berlin schloss er im Alter von 27 Jahren mit  der Bestnote im Fachgebiet Raketentechnik ab, so dass ihm von Prof. H.H. Koelle die Promotion angetragen wurde. Im Alter von 30 Jahren erhielt Artur P. Schmidt den Doktortitel für ein kybernetisches Marktanalyse-Verfahren am Beispiel der Strategischen Planung von Airbus Industries. Nach einer Beratungstätigkeit bei Anderson Consulting sowie als Leiter der Strategischen Analyse der Ruhrgas AG war Dr. Schmidt Stipendiant der Stiftung zur Förderung der systemorientierten Managementlehre und letzter Schüler von Prof. Hans Ulrich, dem Begründer des St. Galler Management-Ansatzes. Während dieser Zeit begann Dr. Schmidt seine publizistische Laufbahn, aus denen Bestseller wie «Endo-Management» und «Der Wissensnavigator» sowie Wirtschaftsbücher wie «Wohlstand_fuer_alle.com» oder «Crashonomics» hervorgingen. Sein neuestes Buch, welches im EWK-Verlag (www.ewk-verlag.de ) erschienen ist, heisst  «Unter Bankstern».

Heute ist Artur P. Schmidt Herausgeber des Online-News-Portals www.wissensnavigator.com sowie der Finanz-Portale www.bankingcockpit.com , www.wallstreetcockpit.com , www.futurescockpit.com und www.optioncockpit.com sowie Geschäftsführer der Tradercockpit GmbH (www.cockpit.li ). Dr. Schmidt ist ein gefragter Keynote-Speaker sowie Kolumnist für zahlreiche Finanzpublikationen.

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