Artur P. Schmidt: St. Galler Denkblockaden

Von Artur P. Schmidt
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Die heutigen Forschungsrichtungen der Betriebswirtschafts- oder Volkswirtschaftslehre haben es versäumt sich der Nichtlinearität und der Komplexität des heutigen Zeitalters zu öffnen. Leider verhindern heutige Professoren in St. Gallen den notwendigen Wandel, da dieser die scheinbare Gefahr in sich birgt, dass sie ihren Job verlieren. Der notwendige Wandel findet nicht statt, lediglich ein Wandel in die falsche Richtung, auf einen Weg der die bestehende Macht weiter festigt. Dieser elementare Irrtum kann zwar die Veränderung blockieren, langfristig jedoch nicht verhindern. Je länger die Blockade andauert, desto kraftvoller treten die Kräfte des Wandels hervor, mit der Konsequenz, dass



1. die Verhinderer irgendwann aus den Ämtern geworfen werden (ein Prozess der in St. Gallen mehr denn je notwendig wird), und dass
2. die Verhinderer mit Schimpf und Schande bedacht werden, weil Sie die Probleme der Gesellschaft nicht einmal theoretisch gelöst haben.


Nicht der Hofnarr ist krank, sondern alle anderen. Auch Dürrenmatt würde hier wohl zustimmen. Es hat nicht mehr viel mit wissenschaftlicher Freiheit gemein, wenn der Andersdenkende als Hofnarr denunziert wird. In der Wissenschaft wurde zur Eliminierung Andersdenkender die Methode der Gruppenzugehörigkeit eingeführt, d.h. das Anhängen an eine bestimmte wissenschaftliche Schule. Wegen der strengen Gläubigkeit an die selbst definierten Regeln könnte man auch von einer wissenschaftlichen Sekte sprechen. Wer dem Paradigma einer solchen Sekte zustimmt ist ein anerkanntes Mitglied einer überhöhten Zunft von Richtern, die natürlich alle über das gleiche Repertoire an Richtersprüchen verfügen.


Regentschaft der Technokraten
Besonders bedenklich an der heutigen Situation in St. Gallen ist, dass Shareholder Value-Fetischisten über Jahrzehnte junge Menschen an der dortigen Universität in inflationärer Weise ausbildeten. Es ist ein dominierendes Merkmal der heutigen Massenuniversität, kritische Fragen und Querdenken nicht zuzulassen, da sie die Herrschaft der Richter gefährden. Andere Antworten als diejenigen, die mit dem Lehrplan korrelieren, können sowohl zum Ausschluss von Studenten als auch zur Androhung oder zum Ausschluss von Professoren missbraucht werden. So hat sich innerhalb von nur wenigen Jahren die einstmals exzellente Universität in St. Gallen unter der Regentschaft von Technokraten zu einem Sammelbecken für Innovationsverhinderer gemausert und das Erbe des Humboldt’schen Wissenschaftsverständnisses zu Grabe getragen.


Endogener Ansatz weicht Plagiatismus
An der Universität St. Gallen wird dem Kopieren amerikanischer Lösungsansätze gehuldigt. Der eigenständige, endogene Ansatz scheint einem Plagiatismus gewichen, der kein eigenständiges Denken mehr erfordert, sondern das Ausschalten des Gehirns im Dienste einer Gleichschaltung, die sich bei näherem Hinsehen als eine lokale Herrschaftsdoktrin (siehe grosser Lauschangriff) entpuppt. Diese steht in merkwürdiger Symbiose zu einer globalen Einheitsgesellschaft als einer Welt mit einer Ordnung. Jetzt erst offenbart sich, warum die heutigen Träger der Rutenbündel, die Liktoren der Wissenschaftselite, mit Vorliebe so anmassende Urteile sprechen, die leider jedwedes Komplexitätsverständnis vermissen lassen.


Schweigen und Verweigerung des Diskurses
Anstatt den Menschen in den Mittelpunkt der Wissenschaften zu stellen, wird der Optimierung einer Schein-Effizienz gehuldigt, und die Staatsmaschine wird zum Zweck des Anti-Humanismus missbraucht, wobei die Wissenschaft unter die Räder kommt. Den heutigen Wirtschaftswissenschaftlern geht es bei der Nutzung des Internets – von wenigen Ausnahmen abgesehen – immer nur um die Monopolisierung der eigenen Weltanschauung – finanziert durch das staatliche Monopol der Geldschöpfung und der Derivatisierung der Gesellschaft. Anstatt den sozialen Wandel anzunehmen und sich wieder an die Ideale einer Sozialen Marktwirtschaft zu besinnen, wird die Ausbildung des technokratischen Gewalt-Menschen vorangetrieben, dessen besondere Ausprägung in der Betriebswirtschaftslehre die von den Amerikanern übernommenen Prinzipien des Shareholder Value-Wahnsinns und die kurzfristige Gewinnorientierung waren. Der illusionäre Freispruch von der eigenen Verantwortung führt zu einer Fratze, die umso ekelhafter wird, je mehr das Schweigen und die Verweigerung des Diskurses um sich greift. Menschen, die etwas aussergewöhnliches geleistet haben, werden nicht von ungefähr oftmals erst nach ihrem Tod gefeiert, weil man dann nichts mehr von Ihnen zu befürchten hat. Camus hat für unsere Gerechtigkeit und unseren Grossmut den Toten gegenüber den treffenden Grund genannt: «Ihnen gegenüber haben wir keine Verpflichtung!»


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Wiederholungstäter
Ein Krieg wird von Professoren nicht mit der Waffe geführt, sondern mit dem Füllfederhalter, wobei es zwei Optionen gibt:



1. Ist der Feind noch unbekannt, kann man diesen vollständig ignorieren – man folgert: die Nachwelt wird sich seiner dann nicht mehr erinnern.
2. Hat der Feind einen bestimmten Bekanntheitsgrad, muss man ihn durch Manipulierung von Zeichen unglaubwürdig machen – hier folgert man: die Nachwelt wird sich des der Unfähigkeit denunzierten, dann ebenfalls bestimmt nicht mehr erinnern.


Beide Denkweisen sind falsch.



1. Ignorierung hat noch nie dazu geführt, dass sich starke Ideen nicht durchsetzen, und
2. weiss jeder Pressevertreter, dass auch schlechte Nachrichten und Kritik den Bekanntheitsgrad des Angeklagten steigern.


Die gehorsamen St. Galler Professoren, die eingezwängt in das Korsett des Wissenschaftsapparates ihr Dasein als permanente Wiederholer alter Thesen fristen müssen, haben ihre Kreativität und damit ihre Freiheit längst verloren. Dies ist die schlimmste Bestrafung, die Strafe des Eingesperrtseins in ein Machtgefüge, in das St. Galler Uni-Gefängnis, welches den Wandel verhindert. Aus Rache für diese Inhaftierung fällen Sie gerne Richtersprüche über andere – mit dem Ziel diese auszugrenzen. Gehorsame Professoren leben im Irrglauben, sich den Urteilen höherer Instanzen entziehen zu können. Camus hätte hierzu gesagt: «Zum Richten sind wir heutzutage immer bereit, wie zum Huren. Mit dem Unterschied, dass hier kein Versagen zu befürchten ist.»


Verklärung statt Aufklärung 
Dass die Demokratie erst dann beginnt, wenn wir uns alle als schuldig erkennen, wie es Camus trefflich formulierte, wird von den heutigen St. Galler Professoren vollständig ignoriert. Je weisser die Weste gewaschen erscheint, desto umfassender kann die Armut und die Arbeitslosigkeit ignoriert werden. Wer sich im Sinne Camus› selbst an der Sonne trocknet – ganz im Stile eines Sonnenkönigs – muss keinen grossen Schritt tun, um Menschen zu Bankstern auszubilden und 1 Milliarde Menschen, die an Hunger leiden, bei den Lösungsansätzen zu vergessen. Es ist deshalb an der Zeit, den Humanismus wieder in den Mittelpunkt der universitären Ausbildung zu stellen. Vergeben wir den Pseudo-Sonnenkönigen, die es nötiger haben als alle anderen, dass man Ihnen vergibt, jedoch vergessen wir nicht, die Gehorsamen zuvor ihrer Ämter zu entheben, damit weiteres Ungemach gegenüber Dritten verhindert wird. Camus› Satz, dass am Ende jeder Freiheit ein Urteilsspruch steht, ist die Quintessenz einer Schein-Wissenschaft, der es um Verklärung geht und nicht um Aufklärung. Wenn es um die Bewahrung der Freiheit geht, ist es deshalb besser, den Urteilsspruch zu vermeiden, da er als Bumerang auf die Richter zurückfallen kann. 


Parallele Welten
Die Anklageschrift an die Universität St. Gallen ist nun zu Ende. Es bleibt die Hoffnung, dass es in Bälde neue Professoren gibt, die wieder das Licht des Antlitzes entfachen können, vor allem bei den Studenten, damit diese nicht von der Mitsprache an der Wissenschaft ausgeschlossen werden, sondern die Chance erhalten, nicht zu spät zu kommen und so nicht unschuldig für ihre aufgezwungene Teilnahmslosigkeit bestraft zu werden. Es ist deshalb mehr denn je ein Denken in parallelen Welten, in Alternativen zu fordern. Ich biete hiermit den St. Galler Studenten an, einen «Vortrag über die Ursachen und die Therapie der jetzigen Krise und wie eine Hochschule darauf reagieren muss» an der St. Galler Universität zu halten. Sollten die Universitätsverantwortlichen dies verweigern, könnten die Studenten mit einem Generalstreik auf ihre Arroganz antworten.





Artur P. Schmidt
Der Wirtschaftskybernetiker Dr.-Ing. Artur P. Schmidt wurde in Stuttgart geboren. Er besuchte im Stadtteil Zuffenhausen das Ferdinand-Porsche-Gymnasium und machte dort das Abitur. Das Studium der Luft- und Raumfahrttechnik in Stuttgart und Berlin schloss er im Alter von 27 Jahren mit  der Bestnote im Fachgebiet Raketentechnik ab, so dass ihm von Prof. H.H. Koelle die Promotion angetragen wurde. Im Alter von 30 Jahren erhielt Artur P. Schmidt den Doktortitel für ein kybernetisches Marktanalyse-Verfahren am Beispiel der Strategischen Planung von Airbus Industries. Nach einer Beratungstätigkeit bei Anderson Consulting sowie als Leiter der Strategischen Analyse der Ruhrgas AG war Dr. Schmidt Stipendiant der Stiftung zur Förderung der systemorientierten Managementlehre und letzter Schüler von Prof. Hans Ulrich, dem Begründer des St. Galler Management-Ansatzes. Während dieser Zeit begann Dr. Schmidt seine publizistische Laufbahn, aus denen Bestseller wie «Endo-Management» und «Der Wissensnavigator» sowie Wirtschaftsbücher wie «Wohlstand_fuer_alle.com» oder «Crashonomics» hervorgingen. Sein neuestes Buch, welches im EWK-Verlag (www.ewk-verlag.de ) erschienen ist, heisst  «Unter Bankstern».

Heute ist Artur P. Schmidt Herausgeber des Online-News-Portals www.wissensnavigator.com sowie der Finanz-Portale www.bankingcockpit.com , www.wallstreetcockpit.com , www.futurescockpit.com und www.optioncockpit.com sowie Geschäftsführer der Tradercockpit GmbH (www.cockpit.li ). Dr. Schmidt ist ein gefragter Keynote-Speaker sowie Kolumnist für zahlreiche Finanzpublikationen.

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