Beat Stocker, Geschäftsführer Aduno: «Wir sind unterwegs zur cashless society»

Herr Stocker, auf den Jahresbeginn sind die Gesellschaften Viseca und Aduno unter dem Dach der neubenannten Aduno-Gruppe zusammengeführt worden. Welche Ziele verfolgt Ihre Unternehmung mit diesem Schritt?


Wir sind auch in der Schweiz unterwegs zur ?cashless society?. Was in der Schweiz bisher gefehlt hat ist ein Lösungsanbieter, welcher diese Entwicklungen integriert mitgestalten und sowohl dem Konsumenten, wie auch dem Händler (?POS?) attraktive Lösungen anbieten kann. Der Wert dieser Lösungen entsteht immer mehr aus der Kombination der beiden Teilmärkte (POS, Konsument). Wie sonst lassen sich z.B. die Vorteile des bargeldlosen Zahlens für neue Branchen (z.B. Ärzte) und oder Anwendungen (z.B. Mobile Payment) gezielt entwickeln? Nur dann, wenn der Anbieter den Zugriff auf beide Segmente sicherstellen kann.


Durch die Vernetzung von Aquiring und Issuing ? also den Vertragspartnern im Handel und den Karteninhabern ? sollen für beide Bereiche Mehrwerte geschaffen werden. Wie sehen diese für Ihre Partner im Handel aus? 


Heute können wir jedem Händler, welcher mit der ADUNO-Gruppe einen sog. Akzeptanzvertrag abschliesst, den Zugang zu unseren Karteninhabern (ca. 1.0 Mio.) systematisch eröffnen. 1.0 Mio. Kundenkontakte sind für ein Hotel im Wallis eine ganze Menge Heu. Ab diesem Jahr werden wir zusätzlich neue Dienstleistungen lancieren, welche einzig und allein aus dem Wert dieser Acquiring-/Issuing-Kombination entstehen. Ein gutes Beispiel dafür ist unser neues Informationssystem für den angeschlossenen Händler, welches diesem gezielte Verkaufschancen und ?potenziale aufzeigt. Dies ist in der Schweiz einmalig.


Und für die Karteninhaber?


Das gleiche Prinzip funktioniert auch als Mehrwert für unsere Karteninhaber, indem wir ihnen bedürfnisgerechte Angebote und einmalige Aktionen vermitteln können.


«Eine Million Kundenkontakte sind für ein Hotel im Wallis eine ganze Menge Heu.» (Beat Stocker, CEO Aduno)


Sie gelten als Visionär und überzeugter Verfechter der «cashless society». Wie sehen Sie die Entwicklung mittel- und langfristig?


Die  Digitalisierung unseres Alltags bringt es mit sich, dass auch der physische Geld-/Warentausch in einen elektronischen Prozess überführt wird, welcher für alle Beteiligten grosse Vorteile bringt. Die flexible Verfügbarkeit von Liquidität im Moment des Einkaufs ist heute nicht mehr wegzudenken. Gleichzeitig lässt sich mit den elektronischen Zahlungsmitteln auch das monatliche Haushaltbudget genauer disponieren und überwachen als mit Bargeld. Von Seite der Händler steht der Gedanke der ?Cashless Society? unter dem Eindruck der resultierenden Kosten und einer Vertrauenskrise gegenüber den entsprechenden Dienstleistungen und ihrer Anbieter (Issuer, Acquirer, Payment Service Provider). Ich bin überzeugt, dass die konsequente Weiterentwicklung der Payment-Dienstleistung in Richtung objektivem Mehrwert für den Händler diese Krise zu überwinden hilft. Im Durchschnitt tragen wir Schweizer CHF 40-50.- Bargeld auf uns. Damit lässt sich seitens Händler kein grosses Geschäft machen. Und welcher Händler will seinen Kunden schon dem Mühsal und dem Risiko der Bargeldbeschaffung aussetzen? Wohl nur der sehr, sehr kurzfristig Denkende.


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Der Weko-Entscheid vom Dezember, wonach Läden und Restaurants künftig Barzahlern einen Rabatt gewähren dürfen, ist der Entwicklung der «cashless society» aber wenig förderlich, richtig?


Diese Möglichkeit besteht ab diesem Jahr für den Händler in der Schweiz tatsächlich. Der Grund dafür ist der Wegfall der sogenannten ?Non Discrimation Rule? zwischen Bargeld und elektronischen Zahlungsmitteln.


Mit der alten Regelung zwangen die Kreditkartenunternehmen ihre Vertragspartner, Barzahler und Kreditkarten-Benützer preislich gleich zu behandeln. Rechnen Sie damit, dass in der Schweiz nun Barzahlungsrabatte auf breiter Basis eingeführt werden?


Wenn diese Rabatte in der Praxis wirklich gewährt werden, muss der Konsument selber abwägen, ob ihm dies der Zusatzaufwand für die Bargeldbeschaffung wirklich wert wäre. Der gleiche Konsument wird in der Folge auch sehr schnell vom Händler einen Nettopreis fordern, falls er auf die überall angebotenen Bonusprogramme verzichtet. Diese Entwicklung sehe ich nicht, zumal heute klar ist, dass den Kosten für einen elektronischen Zahlungsprozess ein klarer, geschäftlicher Mehrwert für den Händler gegenübersteht.


«Die Gesamtkosten des Systems sind international absolut konkurrenzfähig.» (Beat Stocker, CEO Aduno)


Nach dem Weko-Entscheid werden auch die Verrechnungsgebühren im Kreditkartenmarkt um einen Viertel gesenkt. Bislang zahlten die Händler den Acquirern eine Gebühr von 1,65 bis 1,7 %, künftig werden es 1,3 bis 1,35 % sein. Ist der Ansatz ? gerade im europäischen Vergleich ? nicht immer noch viel zu hoch?


Obwohl das Thema dieser Kreditkartengebühren jetzt beinahe zwei Jahre regelmässig in der Presse war herrscht immer noch ein grosses Durcheinander, bei den Fakten. Ihre Frage ist hierfür ein vortreffliches Beispiel. Der Acquirer verrechnet dem Händler einen Kommissionssatz, der in der Schweiz leicht über 2.0% liegt und der Issuer verrechnet in der Folge dem Acquirer einen sog. Interchange für seine Karteninhaberleistungen. Die WEKO hat nun, zusammen mit den Kreditkartenissuern, eine neue Regelung für die kostenbasierte Bemessung dieses Interchangesatzes definiert. Welche Kosten letztendlich für diese Dienstleistung berücksichtigt werden können und welche nicht ist Ansichtssache. Viel wichtiger ist, dass dieses hocheffiziente, internationale Kreditkartensystem weiterhin funktioniert. Es ist immer leicht bei einem tadellos funktionierenden System gewisse Gestehungskosten in Frage zu stellen. Wir Issuer und Acquirer in der Schweiz sind stolz darauf, dass wir den Konsumenten und Händlern ein tadellos funktionierendes System zur Verfügung stellen können. Das ist international keine Selbstverständlichkeit. Die Gesamtkosten des Systems sind international absolut konkurrenzfähig. Einem, aufgrund höherer Kosten, leicht höheren vergleichbaren Satz für Kreditkartentransaktionen steht ein international sensationell tiefer Preis für Debitkartentransaktionen gegenüber. Das wissen auch die grössten ?Kritiker?. Der Kostenproblematisierung liegt denn auch mehr ein taktisches als ein strategisches Motiv zu Grunde.


Mit dem Entscheid hat die Weko die Kreditkartenanbieter zu mehr Wettbewerb verpflichtet. Nach sechsjährigem Ringen machten die Kreditkartenanbieter nur drei Monate, bevor die Weko hätte Sanktionen verhängen können, Zugeständnisse. Sind Sie mit dem «Kompromiss» insgesamt zufrieden?


Nicht zufrieden bin ich damit, dass in dieser Diskussion die beschriebene Beauty des gesamten Kreditkartensystems und seines Mehrnutzens für Händler und Konsumenten zu wenig Rechnung getragen wurde. Teilaspekte zu kritisieren ist einfach. Wir haben zu dieser Lösung ja gesagt und werden sie in den nächsten Monaten umsetzen. Die Kosteneinsparungsmassnahmen werden da und dort schmerzlich sein und auch zu Personalabbau und Leistungsreduktionen führen. Daran habe ich keine Freude.


Seit Anfang 2005 werden Kreditkarten mit einem Chip bestückt. Wie sieht eine erste Bilanz nach einem Jahr aus? Wie viele der Kreditkarten, die in der Schweiz im Umlauf sind, sind mit einem solchen Mikroprozessor ausgerüstet?


Die Bilanz nach einem Jahr: Bei rund 20 Prozent der 3,5 Millionen Kreditkarten in der Schweiz ist ein Chip integriert. Ende nächstes Jahr werden es voraussichtlich schon über 60% sein. Deutlich weniger weit fortgeschritten ist demgegenüber die Verbreitung von chipfähigen Lesegeräten, den so genannten ep2-Terminals, aus. Erst ca. 21’500 von den rund 170’000 Akzeptanzstellen wurden bis Ende 2005 umgerüstet.


Wo liegen die Vorteile des Chips gegenüber der Magnetstreifen-Lösung?


Mehr Sicherheit für alle Beteiligten bei der Abwicklung elektronischer Zahltransaktionen.  Der kleine Microcomputer auf der Kreditkarte bringt aber auch Chancen für ganz neue sog. POS-Services. Ziel ist es dabei, dem Konsumenten den Einkaufsprozess zu vereinfachen und ihm zu helfen, mit weniger Einkaufsflopps, sein Haushaltbudget zu optimieren. Wir als ADUNO-Gruppe werden dieses Jahr die ersten solchen Services anbieten.


Letzte Frage: Wo bezahlen Sie persönlich noch mit Bargeld?


Meine Zeitung, meinen Morgenkaffee und die Blumen auf dem Markt. Frei nach dem Motto: nicht immer, aber immer weniger. (mc/stö)


Zur Person
Der 45-jährige Beat Stocker, Inhaber der Stocker-Bosshard Consulting Co., ist mit der Gesamtführung der Aduno-Unternehmensgruppe beauftragt. Er ist Delegierter des Verwaltungsrates der Viseca Card Services SA sowie Verwaltungsratspräsident bei der Netcetera AG sowie der Eveni AG. Ausserdem ist Stocker Ausschussmitglied beim Swisscom Venture Fond. Aus- und Weiterbildung: 1987 Lizenziat an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich, 1991Master of Business Administration am International Institute for Management Development in Lausanne, 2003 Promotionsarbeit «Technologies and Applications driving the Mobile Information Society» an der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich.


Zum Unternehmen
Aduno SA mit Sitz in Bedano TI wurde im Juli 2005 durch die Übernahme des Acquiring-Geschäfts der Cornèr Banca SA gegründet. Aduno ist eine hundertprozentige Tochter von Viseca Card Services SA, der zweitgrössten Kreditkartenherausgeberin der Schweiz. Viseca und Aduno vereinen ihre jeweiligen Stärken und Kulturen als eigenständige Geschäftseinheiten unter einem gemeinsamen Unternehmensdach. Mit der Überführung der Cornèr-Crew in die Aduno ist die Weiterführung einer mehr als dreissigjährigen Tradition im Kreditkartengeschäft garantiert.Aduno beschäftigt über 100 Mitarbeitende. Die Zahl der Vertragspartner bei der Übernahme lag etwas über 48?000. Im Jahr 2004 wurden Kartenzahlungen im Umfang von rund 2,9 Milliarden Franken abgewickelt.

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