Beiersdorf-Chef Wünsche: «Nivea gebührt die beste Markenpflege»


Als Marke geniesst Nivea bei den Konsumenten eine hohe Wertschätzung. Jetzt nimmt auch die Migros die Crèmes in ihr Sortiment auf. Wolfgang Wünsche, Chef von Beiersdorf (Schweiz), nennt im Moneycab-Interview die Erfolgsfaktoren der blauen Dose.

Von Lukas Schweizer

Moneycab: HerrWünsche, Nivea ist seit 90 Jahren eine Erfolgsstory, während andere Kosmetikmarken kommen und wieder verschwinden. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?

Wolfgang Wünsche: Die Marke Nivea gehört zu den berühmten Beispielen, wie eine einzigartige Produktidee zu einer souveränen Markenpersönlichkeit entwickelt wurde. Mit ihrer besonderen Qualität und Hautpflege-Kompetenz wurde Nivea zur erfolgreichen Weltmarke. In der Schweiz macht Nivea-Crème in der berühmten blauen Dose ca. 3 % des Umsatzes aus. Wir sind jedoch mit Nivea in vielen weiteren Märkten tätig. Der kontinuierliche Ausbau der Nivea- Markenfa-milie ist dabei sicher erfolgsentscheidend. Mittlerweile umfasst die Markenfamilie Nivea 15 Kategorien. Beiersdorf unterstützte den Weg der grossen Marke durch Innovationskraft: Allein im Jahr 2003 haben wir 35 Produkte neu lanciert und 35 erneuert.

Eine Markenpersönlichkeit wie Nivea ist immer mit Menschen verknüpft. Wesentliche Erfolgsgeneratoren sind im Markenversprechen zusammengefasst: Wir orientieren uns strikte an den aktuellen Bedürfnissen der Konsumentinnen und Konsumenten und bleiben Werten wie Vertrauen, Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit, Harmonie und Respekt treu.. Hinzu kommen praktische Werte, die banal klingen mögen, aber sehr entscheidend sind: Klarheit, Preiswürdigkeit, breite Verfügbarkeit und Unkompliziertheit.

Für Nivea ist die grösste Herausforderung die ausdauernde Herstellung einer Balance zwischen Kontinuität und Innovation, zwischen Tradition und Modernität, der Ausgleich zwischen Universalität und Spezialität, zwischen Milde, und Effektivität – und all dies gewürzt mit einer Prise Spass und Sympathie. Da Nivea die beste Hautpflege ist, gebührt Nivea auch die beste Marken-pflege.

Nivea lockt die Kunden mit neuen Produkten mit trendy klingenden Namen wie „Natural Booster mit Creatin“. Mit diesem Namen gehen Sie doch vor allem auf Kundenfang oder bewirken die Produkte wirklich etwas?

Die Entwicklung der Nivea-Produkte basiert auf langjährigen wissenschaftlichen Studien. So können wir garantieren, dass unsere Produkte halten, was sie versprechen. Unseren guten Namen würden wir niemals für etwas Effekthascherei und billigen Kundenfang aufs Spiel setzen. Englische Ausdrücke wie „Natural Booster“ wurden im Rahmen der Internationalisierung von Begriffen geprägt. Was auf den ersten Blick „trendy“ wirken mag, sind nichts anderes als gängige Fachausdrücke.


Hoher Bekanntheitsgrad: Marken aus dem Beiersdorf-Sortiment (pd)
Ab Juni werden Nivea-Produkte in der Migros zu kaufen sein. Was versprechen Sie sich davon?

Als kundenorientiertes und erfolgreiches Unternehmen der Konsumgüterbranche setzt Beiersdorf mit seinen Markenprodukten traditionell auf grosse Kundennähe. Unser Ziel ist es, die Nivea-Produkte überall dort anzubieten, wo sie die Kundschaft erwartet. Das kann im Supermarkt, im Kaufhaus, im Verbrauchermarkt, im Fachgeschäft etc. sein.

Beiersdorf freut sich, dass die Nivea-Pflegeprodukte künftig auch in der Migros angeboten werden und damit für die KonsumentInnen noch breiter verfügbar werden. Durch die Ausweitung unserer Vertriebskanäle gewinnt die bereits heute starke Kosmetikmarke Nivea weiter an Profil und Attraktivität und schafft Marktwachstum, d.h. wir gewinnen auch neue Konsumentinnen und Konsumenten. Wir wissen, dass die Spontaneinkäufe von Kosmetik- und Körperpflegeartikeln zunehmen. Durch die Verfügbarkeit bei der Migros erwarten wir eine Marktausdehnung, die dem Gesamtmarkt zu Gute kommt. Daraus ergibt sich eine klassische Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

Stichwort „Markenartikel gegen Eigenmarke“. Wird Nivea die Migros-Marke verdrängen oder umgekehrt sich nicht gegen sie durchsetzen können?

Im Rahmen der Markenartikel-Einführung bei der Migros hat eine durch die Firma ACNielsen erstellte Studie gezeigt, dass neu eingeführte Markenartikel den Käuferkreis erweitern und die Eigenmarken nicht zwingend verdrängen. Vermutlich werden viele überzeugte Käufer von Migros-Marken weiterhin die Eigenmarken bevorzugen. Der Markenartikel weckt mit seiner Ausstrahlung jedoch mehr Emotionen, steht für anerkannte Qualität und wird daher auch die Migros-Kunden ansprechen. Durch das enorme Kundenpotenzial in der Migros erhoffen wir uns natürlich, mit Nivea neue Konsumentinnen und Konsumenten zu überzeugen. Wir sind überzeugt, dass zusätzliches Marktwachstum möglich ist und gehen davon aus, dass Nivea nach der Einführung in der Migros ihre Marktstellung deutlich ausbauen kann.

Wie sehen Sie ganz allgemein die Entwicklung im schweizerischen Detailhandel in den nächsten Jahren?

Die Konsumzurückhaltung und die Wachstumsschwäche wird sicherlich den Verdrängungswettbewerb erhöhen. Hand in Hand mit dieser Entwicklung sehe ich das Entstehen neuer Formate. Innovative Angebotsformen, die es in der jetzigen Form noch nicht gibt, sind daher denkbar.

Wenn man den Trendforschern glauben kann, ist die Ära der Sparsamkeit im Kommen, in der Hard-Discounter ihren Platz finden könnten. Ebenso ist vorstellbar, dass sich Sortimentsspezialisten wie z.B. Drogeriediscounter, sortimentserweiterte Apotheken, Lifestyle-Spezialisten, etc. verstärkt aufstellen. Anbieter müssen sich intensiver bemühen, die multidimensionalen Konsumentenbedürfnisse und Ein-kaufsemotionen zu befriedigen.
Ich glaube, dass das Einkaufserlebnis auf die Individualität der Konsumentin und des Konsumenten eingehen muss. Einkauf wird wieder zum Zeitvertreib – angetrieben durch Wünsche und nicht nur durch Notwendigkeit. Neue Geschäftsformate bzw. Abteilungsgestaltungen, die auf den Impulskauf und die Inspiration ausgelegt sind, haben daher meines Erachtens eine gute Zukunft.

Was für Veränderungen stehen bei Nivea in nächster Zeit an? Welche Änderungen gibt es unter dem neuen Hauptaktionär Tchibo?

Durch den neuen Grossaktionär stehen keine Änderungen an. Beiersdorf ist als Publikumsgesellschaft dem Wohl aller Aktionäre verpflichtet. Der Vorteil für Beiersdorf besteht vor allem darin, dass Entscheidungen, bei denen die Zustimmung von Aufsichtsrat und Gesellschaftern notwendig sind, jetzt wesentlich schneller erfolgen können.

Wir konzentrieren uns weiterhin auf das Erfolgsmodell der Beiersdorf-Gruppe, das wesentlich auf sechs Säulen beruht:
Konzentration auf wenige international starke Marken: Nivea, Hansaplast, LaPrairie, Eucerin, Labello, atrix, Juvena, 8×4 und Futuro.Forschung und Entwicklung als Basis für InnovationenMarkenwachstum über drei Dimensionen: Marktanteilserhöhung, neue Produkt-Kategorien, neue Länder.Nutzung von Synergien durch Markenfamilien.Klare Organisation mit Umsatz-/Gewinnverantwortung.Globale Strategie und perfekte lokale Umsetzung.Dies ist auch durch Tchibo voll gewährleistet.
Unsere Verpflichtung in der Schweiz ist es, dieses Modell perfekt umzusetzen. Diesem Grundsatz fühlen sich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seit je her mit Herz und Verstand verpflichtet. Wir haben die Ambition, die Erfolgreichsten in der Beiersdorf-Familie zu sein. Mit knapp 19 Euro Nivea-Umsatz pro Kopf der Bevölkerung sind wir auch Spitzenreiter weltweit.

Was streben Sie für einen Umsatz und Gewinn in diesem Jahr an?

Wie in den Jahren zuvor, wollen wir den Umsatz schneller entwickeln als das Marktwachstum. Eine Fülle von Innovationen sowie die Erweiterung der Distribution sind dabei hilfreich. Das sich erholende Konsumklima lässt zudem eine steigende Kaufbereitschaft und damit ein weiteres Marktwachstum erwarten. Wir werden die Investitionstätigkeit in unsere Marken auch weiter intensivieren.

Mitarbeit: David Strohm


Der Gesprächspartner 
Wolfgang Wünsche ist seit August 2002 CEO der schweizerischen Niederlassung von Beiersdorf. Seine beruflichen Wurzeln liegen im Handel. Nach seiner Dissertation arbeitete Wolfgang Wünsche als Projekt- und Brand-Manager beim Otto Versand. Nach ersten Erfahrungen auf Herstellerseite, bei Carnation (USA) und Glücksklee, kam er 1981 als Marketingmanager Personal Care zu Beiersdorf. Bevor er seine jetzige Position antrat, war Wolfgang Wünsche als Director Country Coordination und Corporate Vice President Business Development International tätig. (mc/st/dst)
Beiersdorf Schweiz 
Seit den 1920er Jahren sind Beiersdorf-Produkte in der Schweiz erhältlich. Während der ersten 50 Jahren erfolgte der Vertrieb über Partner. Seit 1977 ist der Hamburger Konzern mit der eigenen Tochter Beiersdorf AG (Schweiz) präsent. Das Unternehmen, das keine Ertragszahlen veröffentlicht, beschäftigt 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sitz des Unternehmens ist Münchenstein BL.

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