Benedikt Scheideck, CEO Thurella Gruppe

von Patrick Gunti


Herr Scheideck, die Thurella AG befindet sich mitten in einer tiefgreifenden Restrukturierung. Welches sind die Eckpunkte?


Die Eckpunkte sind: Fokussierung auf drei strategische Geschäftsfelder, Reduktion des Personalbestandes auf die zum Betrieb notwendige Anzahl, Abbau des Betriebsaufwandes und gleichzeitig die mittelfristige Erhöhung von Umsatz und Margen in den Bereichen Biotta, Grundstoffe aus Obst und Grundstoffe aus Gemüse. Kurz gesagt, will Thurella nach der Restrukturierung qualitativ und nachhaltig wachsen.


Die Umsetzung der Strategie führt zu einem Abbau von rund 100 Arbeitsplätzen im Abfüllbetrieb in Eglisau und in der Administration in Egnach. Welche Massnahmen wurden oder werden für die betroffenen Mitarbeiter getroffen?


Für die betroffenen Mitarbeiter wurde zusammen mit der Personalkommission ein Massnahmenplan erarbeitet und zusätzlich werden ab Ende August Jobcenters in Eglisau und Egnach eingerichtet.


Unter welchen Rahmenbedingungen kam der Entscheid, sich aus dem Abfüllgeschäft zurückzuziehen, zu Stande?


Auslöser für den Entscheid waren es zwei. Zum einen die Nachricht, dass ab 2011 in Eglisau keine Schweppes-Produkte mehr abgefüllt werden, womit rund 25% des Abfüllvolumens wegbrechen und der Betrieb nicht mehr wirtschaftlich geführt werden kann. Zum anderen, dass man trotz intensiver Suche, keine Kooperationspartner im Getränkebereich gefunden hat.



«Die beiden Marken (Obi, Rittergold) bilden quasi das historische Rückgrat von Thurella und man ist sich dessen bewusst.» Benedikt Scheideck, CEO Thurella Gruppe


Zieht der Rückzug aus dem Abfüllgeschäft in Eglisau weitere Abschreibungen nach sich?


Nein, sämtliche Abschreiber wurden in der Jahresrechnung via Niederstwertberichtigungen bereits vorweggenommen.


Was passiert mit dem Abfüllbetrieb in Eglisau?


Er soll verkauft und einer gemischtwirtschaftlichen Lösung zugeführt werden.


Der «Mostobstbereich» wird im laufenden Jahr noch nicht angetastet, die Finanzierung ist gesichert. Was passiert mit Marken wie Obi und Rittergold in Zukunft?


Die beiden Marken bilden quasi das historische Rückgrat von Thurella und man ist sich dessen bewusst. Um die Marken prosperierend weiterführen zu können, ist Thurella jedoch auf einen externen Abfüller angewiesen. Hier sind Lösungen in Arbeit.


Sie wollen sich in diesem Bereich als innovativer Entwickler neuer Produkte etablieren. Um was für Produkte könnte es sich dabei handeln?


Massgescheneiderte Grundstoffe für die Industrie. Das heisst, der Grundstoff wird bei Thurella bereits so aufbearbeitet, dass der verarbeitende Endbetrieb keine grossen Aufwendungen mehr hat ? quasi «ready to go».


Welche Pläne verfolgen Sie mit der Marke Biotta?


Die Marke soll mit neuen, innovativen Produkten und in neuen Kanälen ab 2011 weiter ausgebaut und gestärkt werden. Auch danach sollen innovative Konzepte die Marke national und international vorwärts bringen.


Im Juni hat Thurella die erst 2008 gegründete Biotta Inc. in den USA verkauft. Wieso wollen Sie den amerikanischen Markt nicht mehr selbst bearbeiten?


Das Risiko, einen Markt wie Amerika von der Schweiz aus zu bearbeiten, ist zu gross. Ich erachte jedoch die getroffene Lösung als sehr sinnvoll, da wir einerseits Risiken minimieren konnten, der  Zutritt zum Markt aber gleichzeitig gesichert bleibt.


«In rund 40 Ländern werden heute Biotta-Produkte vertrieben. Hier stehen in einer ersten Phase des Ausbaus unsere deutschsprachigen Nachbarn im Fokus.»


Die GESA Gemüsesaft GmbH soll zu einem Kompetenzzentrum für Gemüsesäfte und zu einem strategischen Standbein in der EU ausgebaut werden. Was bedeutet dieser Schritt konkret?


Konkret bedeutet dies, dass die Vorteile, die uns dieser Standort im EU-Raum bietet, in Zukunft für Thurella und im Speziellen für Biotta besser ausgeschöpft werden sollen. Entsprechende, personelle Schritte dazu wurden bereits eingeleitet.


Welches sind die Export-Schlüsselmärkte für Thurella?


Nur bei Biotta sprechen wir vorderhand von Export. In rund 40 Ländern werden heute Biotta-Produkte vertrieben. Hier stehen in einer ersten Phase des Ausbaus unsere deutschsprachigen Nachbarn im Fokus. Später auch Skandinavien.


Im vergangenen Jahr schrieb Thurella einen Verlust von 57,2 Mio. Franken. 2011 will das Unternehmen in verkleinerter Form wieder schwarze Zahlen ausweisen. Wie sieht es im laufenden Geschäftsjahr aus?


Das Resultat hat sich verbessert. Der Halbjahresbericht, der Anfang September erscheint, zeigt auf, dass die Sanierungsmassnahmen sich auch in den Zahlen niederzuschlagen beginnen.


Herr Scheideck, besten Dank für das Interview.





Zur Person:
Benedikt Scheideck, 43, dipl. Betriebswirt BA, CEO Thurella


Zum Unternehmen:
Die international tätige Thurella Gruppe besteht aus der Thurella AG sowie den 100%igen Tochtergesellschaften Thurella Schweiz AG und der GESA Gemüsesaft GmbH mit Hauptsitz in Egnach (TG). Das Ostschweizer Traditionsunternehmen betreibt vier Produktionsstandorte in der Schweiz (Egnach, Bischofszell, Tägerwilen und Eglisau) sowie einen in Deutschland (Neuenstadt-Stein) und beschäftigt derzeit noch rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In Eglisau (ZH) betreibt Thurella bis Ende 2010 hochmoderne Abfüllanlagen mit mehreren kaltaseptischen Produktionsstrassen. Die bekannten Marken von Thurella sind: obi, Rittergold, Biotta und C?ICE.

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