Bilaterale Verhandlungen je nach Sichtweise am Ende

Der Bundesrat befand in seinem Evaluationsbericht, dass dies nicht der Fall sei. Den anderen Optionen – EU- oder EWR-Beitritt – erteilte er eine Abfuhr. Allerdings werde der Spielraum enger und der Druck der EU für eine Übernahme des EU-Rechts grösser. Bei der Aussprache wurden mehrfach Äusserungen von EU-Kommissionspräsident Manuel José Manuel Barroso und EU-Justizkommissarin Viviane Reding erwähnt, der bilaterale Weg sei ausgereizt.


SP: Ohne EU-Beitritt schindende Selbstbestimmung
Hans-Jürg Fehr (SH) wertete das seitens der SP als Hinweis auf die Notwendigkeit eines EU-Beitritts. Die Bilateralen seien nur für die Schweiz der Königsweg. Neuverhandlungen werde es nur unter Übernahme von Gemeinschaftsrecht geben. Damit schwinde die Selbstbestimmung. Ein EU-Beitritt sei nicht die Lieblings-, aber vielleicht die einzige Lösung. Namens der SVP widersprach Ulrich Schlüer (ZH) vehement. In der aktuellen Währungskrise der EU zeige sich, wie wichtig die schweizerische Souveränität sei. Die Schweiz sei in Europa das einzige Land mit tiefen Steuern. Gegenüber der krisengeschüttelten EU sei die Verhandlungsposition ausgezeichnet, die Regierung müsste sie nur noch nutzen.


FDP warnt vor Schweiz als EU-Mitglied ohne Stimmrecht
Walter Müller (SG) plädierte im Namen der FDP-Liberalen-Fraktion ebenfalls für Selbstbewusstsein. Neue Abkommen seien anspruchsvoll, darum sollten sie sich aufs Wesentliche konzentrieren. Eine automatische Übernahme von Gemeinschaftsrecht verbiete sich. Sonst werde die Schweiz zum EU-Mitglied ohne Stimmrecht. Reto Wehrli erklärte für die CVP/EVP/GLP-Fraktion, der Bundesrat dürfe keine vorauseilenden Gesetze beschliessen. Das Interesse der Schweiz müsse Vorrang haben. Weiterhin sei auf einen dreifachen Bilateralismus zu setzen, nämlich auf den Kontakt zur EU, zu deren einzelnen Ländern und vor allem auch zu Nicht-EU-Staaten.


Grüne sehen keine Alternative zu EU-Beitritt
Francine John-Calame (Grüne/NE) würdigte die Analyse in den Berichten. Langfristig dürfte ein EU-Betritt unumgänglich sein. Aussenministerin Micheline Calmy-Rey unterstrich, weitere Abkommen seien für die Wirtschaft wichtig, gerade bei Strom und Landwirtschaft. Die EU wolle ihr Recht auf Drittstaaten ausweiten und sei nicht mehr an einer Gleichwertigkeit der Regelungen interessiert. Das mache Verhandlungen komplizierter. Darum sei eine Arbeitsgruppe an Vorgesprächen über institutionelle Verhandlungen. Die Schweiz könne in den 37 europäischen Agenturen nicht mitbestimmen, sie versuche aber über Experten Einfluss zu nehmen. Der Rat nahm schliesslich von den beiden Berichten Kenntnis.


Botschafter: Beziehungen Schweiz-EU in schwieriger Phase
Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU stecken auch aus Botschafter-Sicht in einer schwierigen Phase. Botschafter Jacques de Watteville, Leiter der EU-Schweizer Mission, bezeichnete die aktuelle Periode als «intensiv» und «nicht einfach». Allerdings müssten die Probleme nicht dramatisiert werden, erklärte der Botschafter gegenüber Medienschaffenden in Brüssel.


«Das Verbindende ist stärker als die Unterschiede», ergänzte de Watteville. Im Ausschuss werden einmal jährlich die Probleme, aber auch das gute Funktionieren des Freihandelsabkommens Schweiz-EU von 1972 diskutiert. Beide Delegationen betonten laut Communiqué des Integrationsbüros die Wichtigkeit des Abkommens als Basis für die wirtschaftlichen Beziehungen. Der Warenhandel Schweiz-EU erreichte 2009 ein Volumen von rund 240 Milliarden Franken, ein Rückgang von rund 15 Prozent gegenüber 2008.


HKlagen über Hindernisse hüben und drüben
Sowohl die Schweiz als auch die EU beklagen beim gegenseitigen Marktzugang für den Handel mit Industrieprodukten Hindernisse. Die Schweiz zeigte sich besorgt über eine geplante EU-Richtlinie, das bei der Einfuhr von bestimmten Waren in die EU eine obligatorische Herkunftsbezeichnung vorschreiben würde. Dies würde den Verkauf von Schweizer Waren in der EU erschweren.


Mögliche neue Verhandlungsdossiers
Daneben wurde das Treffen genutzt, um laufende und mögliche neue Verhandlungsdossiers anzusprechen. Dabei geht es unter anderem um die fortwährenden Verhandlungen zum Agrarfreihandel, aber auch um die angestrebten Verhandlungen für ein Abkommen zur Chemikalienverordnung REACH, welche die Herstellung und Verwendung chemischer Stoffe regelt. (awp/mc/ps/30)

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