Bo Risberg, CEO Hilti AG

von Bob Buchheit


Herr Risberg, trotz des schwierigen Geschäftsverlaufs, der Ihrer Gruppe einen Rückgang von Umsatz und Reingewinn um rund zwei Drittel brachte, will Hilti weiter in strategisch wichtige Bereiche investieren. Entsprechend blieb der F&E Aufwand mit 182 Mio. CHF annähernd auf Vorjahresniveau. Was können die Kunden an ganz grossen Neuheiten in den nächsten drei Jahren erwarten? Etwa 40 Neuprodukte sollen ja allein im laufenden Jahr hinzukommen.


Ich möchte nicht zu weit vorgreifen, aber ein aktuelles Beispiel für unsere Strategie nennen: Mit dem neuen Abbruchhammer TE 3000-AVR erschliessen wir ein neues Gebiet, indem wir ein elektropneumatisches Gerät für schwere Abbrucharbeiten auf den Markt bringen, das in der vergleichbaren Geräteklasse den herkömmlichen Presslufthammer ablösen kann. Solche Innovationen sind ein Teil unserer Wachstumsstrategie: Wir wollen weitere Marktanteile in den Kernmärkten gewinnen und regionales Wachstum in den Schwellenländern generieren, neue Geschäftsfelder erschliessen und mit Innovationen neue Anwendungsmöglichkeiten eröffnen.


Deshalb investieren wir auch erhebliche Summen in Forschung und Entwicklung sowie in neue Geschäftsfelder. Beispielsweise wollen wir mit Befestigungs- und Montagesystemen für Solarpaneele in Zukunft einen dreistelligen Millionenumsatz erzielen. Ein Schritt dahin ist die kürzliche erfolgte Übernahme der Firma Unirac in den USA. Dass wir auch in den Kernmärkten Marktanteile gewinnen, sehen wir im Vergleich zum Markttrend: Währen die Baukonjunktur in den Märkten um 15 bis 20 Prozent einbrach, schlossen wir das Jahr mit einem Umsatzrückgang von 14 Prozent in Lokalwährungen ab.


Sie haben mit einer Art Zweijahresplan auf den unerwartet starken Rückgang der Weltkonjunktur reagiert, was rund 10% der Belegschaft den Arbeitsplatz kostete. Wie sehr kratzt dies am ja sehr guten Image von Hilti als Arbeitgeber?


Bei einem so massiven Rückgang wie im Jahr 2009 mussten wir reagieren. Uns ging es aber nicht nur darum, was wir tun, sondern wie wir es tun. Das Ziel war von Anfang an, einen ausgewogenen Weg zwischen kurzfristiger Ergebnissicherung und langfristiger Unternehmensentwicklung zu gehen. Wir haben uns z. B. zwei Jahre Zeit genommen, um unsere Kosten mit Massnahmen zu senken, die langfristig Wirkung haben. Sei dies mit Anpassungen der Strukturen oder verbesserten Prozessen. Was den Stellenabbau anbelangt, konnten wir bislang rund 1500 Stellen zu zwei Drittel über natürliche Fluktuation abbauen. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn wir uns nicht so viel Zeit gegeben hätten. Dabei haben wir bewusst in Kauf genommen, dass unser Gewinn zurückgehen wird, denn es ist uns wichtig, die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf unsere Mitarbeitenden so gering wie möglich zu halten. Inwiefern unser Krisenmanagement das Image beeinflusst, kann ich nicht abschliessend beurteilen. Aber wir sind in der Studie «Great Place to Work» von unseren Mitarbeitenden in Liechtenstein und der Schweiz sehr positiv bewertet worden und haben den dritten Platz belegt.



«Bei Standardanwendungen und Elektrowerkzeugen sparen wir ebenfalls nicht bei der Qualität, obwohl der Preisdruck hoch ist.» Bo Risberg, CEO Hilti AG


Aufgrund der Qualität Ihrer Produkte verfügen Sie über sogenannte pricing power, was auch mit der sehr direkten marktnahen Kundenbetreuung zusammenhängt. Finden Sie in den aufstrebenden Tigerstaaten genug qualifiziertes Personal für diese Geschäftsstrategie?


Ja. Im asiatischen Raum haben neben Indien oder China auch die Tigerstaaten in vielen Bereichen aufgeholt, so auch im Ausbildungsbereich. Es gibt in diesen Staaten mittlerweile grosse Pools an gut ausgebildeten Fachkräften, aus denen wir unser Personal rekrutieren können.


Welchen Deckungsbeitrag wird Asien am Ende dieses Jahrzehntes der Hilti Gruppe beitragen? Wo sehen Sie den Split zwischen den einzelnen Kontinenten?


Unser Ziel ist es, in den nächsten Jahren den Umsatzanteil von Asien auf etwa 20 Prozent zu verdoppeln. Wir wollen aber auch in anderen Märkten unsere Präsenz ausbauen. Aus Nordamerika sollen künftig rund 30 Prozent unseres Umsatzes kommen. In Lateinamerika wird das Wachstum überproportional zunehmen und dessen Umsatzanteil wird entsprechen ansteigen. Europa wird in Zukunft anteilsmässig eher unter 50 Prozent liegen.


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Kann sich in den Boomländern auch ein Qualitätsbewusstsein durchsetzen oder müssen Sie dort Zugeständnisse über den Preis machen?


Wir leisten uns hinsichtlich der Qualität keine Abstriche. Unsere Produkte kommen zum Teil auch in sicherheitsrelevanten Bereichen zur Anwendung und müssen hohe Anforderungen erfüllen. Bei Standardanwendungen und Elektrowerkzeugen sparen wir ebenfalls nicht bei der Qualität, obwohl der Preisdruck hoch ist. Unser Produktportfolio ist aber breit genug, damit wir auch in den Schwellenländern attraktive Angebote zur Verfügung haben.


Nach dem Rekordjahr 2008 mit 4,7 Mrd. CHF Umsatz ist die 8 Mrd.-Marke erst einmal in weiter Ferne. Wann könnte sie fallen, und was braucht es dazu im Hinblick auf die weltweiten Bauausgaben?


Wann wir welche Umsatzgrösse erreichen, hängt stark von der wirtschaftlichen Erholung ab. Wir bewegen uns trotz vermehrter positiver Tendenzen nach wie vor in einem schwierigen Umfeld. Es gibt immer noch viele Überkapazitäten in den Märkten und die Staatsverschuldungen in Europa werden die Erholung in der Bauindustrie verlangsamen. Das Jahr 2009 hat uns auf unserem Weg zum Umsatzziel von 8 Mrd. Schweizer Franken bis 2015 sicherlich gebremst. Dieses anspruchsvolle Ziel bleibt aber bestehen und wir werden überprüfen, wie wir diese Lücke schliessen können.


Erwarten Sie von den Infrastrukturmassnahmen, die in zahlreichen Schwellenländern anstehen, aber auch in vielen alten Industrienationen nicht mehr allzu lang auf die lange Bank geschoben werden ? ich denke beispielsweise an die marode Verkehrsinfrastruktur in den USA ? wesentliche Impulse fürs Geschäft?


Ja, die Infrastrukturmassnahmen werden unser Geschäft unterstützen. Wir verlagern auch mehr Ressourcen in das Infrastruktur-Segment. Zwar ist dieser Bereich noch ein kleiner Teil unseres Gesamtgeschäfts, er wird aber langfristig eine grössere Rolle spielen. Vor allem im Energiebereich, dem Brücken- und Tunnelbau sowie den Eisenbahn-Netzwerken.



«Derzeit sehen wir eine Tendenz zu stark steigenden Stahlpreisen.»


Mit 487 Mio. CHF haben Sie in 2009 zwar einen Rekord-Cashflow generiert. Man kann aber auch sagen, dass er zu 100% aus den von 1,51 auf 1,09 Mrd. CHF gesunkenen Materialkosten gespeist wurde. Nachdem jetzt weltweit wieder einmal die Lager etwas aufgefüllt wurden, könnte uns da bei den Investitionsgütern eine zweite Lagerabbauwelle treffen?


Den hohen Cashflow haben wir 2009 hauptsächlich durch die massive Reduktion unserer Forderungen und Lagerbestände generiert, die wir im Vergleich zum Umsatzrückgang überproportional reduziert haben. Das Thema Lagerab- oder -aufbau bei unseren Kunden ist nicht besonders relevant, da wir unsere Produkte nicht über Zwischenhändler, sondern über unseren Direktvertrieb verkaufen.


Wie werden sich die von fast allen Finanzauguren erwarteten drastisch steigenden Rohwarenpreise auf Hiltis Bilanz auswirken?


Derzeit sehen wir eine Tendenz zu stark steigenden Stahlpreisen. Der Preis für Eisenerz ist um über 100 Prozent angestiegen und hat den Stahl erheblich verteuert. Es ist allerdings fraglich, ob es sich um eine nachhaltige oder eine von Spekulationen getriebene Preissteigerung handelt. Die Nachfrage ist derzeit nicht besonders stabil und hängt mittelfristig auch von der Erholung der Gesamtwirtschaft ab. Was uns mehr beschäftigt, ist die steigende Preismacht der Stahlindustrie, weil es immer weniger Produzenten gibt. Wir können die höheren Materialkosten nicht vollumfänglich auf die Kunden abwälzen, sondern müssen auch dafür sorgen, dass wir mit Kosteneinsparungen unsere Margen absichern.

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