Bruno Zuppiger, Präsident Schweiz. Gewerbeverband

Moneycab: In Lugano wurden Sie als neuer Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv gewählt. Was hat Sie an diesem Amt gereizt?

Bruno Zuppiger: Zusammen mit einem mit einem hochmotivierten Vorstand und einer engagierten, schlagkräftigen Geschäftsstelle will ich den sgv in der Schweiz als starke und respektierte Kraft etablieren. Die vom Gewerbekongress festgelegten strategischen Ziele müssen konsequent umgesetzt werden. Der sgv muss in Zukunft noch unbequemer und gradliniger gegen die zunehmende Regulierungswut sowie gegen wirtschaftspolitische Fehlentwicklungen und bürokratische Auswüchse in der Politik und in der Verwaltung ankämpfen. Und wenn nötig muss der sgv wieder zu einer gefürchteten Initiativ- und Referendumsmacht werden und zudem in der Lage sein, Abstimmungskämpfe erfolgreich zu führen.


Welches sind die drei wichtigsten Anliegen, die Sie als sgv-Präsident verwirklicht sehen möchten?

Erstens: Eine schlanke, auf die freie Marktwirtschaft ausgerichtete Rechtsordnung, das heisst weniger und verlässlichere Regulierungen. Die unternehmerische Freiheit und Eigenverantwortung muss wieder stärker in den Mittelpunkt gerückt werden, und der Staat hat sich auf seine Kernaufgaben zu beschränken. Nur ein schlanker Staat gewährt genügend unternehmerische Freiheit. Zweitens: Weniger Steuern, Abgaben und Gebühren auf allen Stufen unseres Staates und ein gut funktionierender Steuerwettbewerb. Und drittens die Stärkung der beruflichen Aus- und Weiterbildung nach dem Prinzip der betrieblichen Meisterlehre ? und zwar ohne übertriebene Einflussnahme des Staates.



«Der sgv muss noch unbequemer gegen Regulierungswut und Aus-wüchse der Bürokratie ankämpfen.» Bruno Zuppiger, Präsident sgv 


Der Gewerbekongress hat in Lugano eine Resolution «Für eine Wachstumspolitik durch nachhaltige KMU-Entlastung» gefasst. Was wollen Sie damit erreichen?

Es wird allgemein anerkannt, dass KMU für die Wirtschaft in unserem Land unverzichtbar sind und dank ihrer hohen Wertschöpfung einen wesentlichen Beitrag zum Wohlstand unseres Landes leisten. Obwohl diese Leistungen vielfach wortreich anerkannt werden, schlägt sich diese Anerkennung im politischen Alltag kaum nieder. Vielmehr ist eine fortschreitende Regulierungsdichte auf allen Ebenen feststellbar, die in der Summe zu untragbaren Belastungen führt. Das muss sich endlich ändern.


Welches ist der Hintergrund dieser Resolution?

Der sgv akzeptiert nicht, dass den KMU immer mehr Auflagen und Vorschriften gemacht sowie zusätzliche Sonderaufgaben aufgebürdet werden. Als grösster Dachverband der Schweizer Wirtschaft setzen wir uns deshalb für eine massive Verringerung gesetzlicher Regulierungskosten in den KMU ein. Laut einer vom sgv in Auftrag gegebenen Studie ? sie betrifft bloss die Teilbereiche Arbeitsrecht, Sozialversicherungen und Lebensmittelhygiene ? belaufen sich die Regulierungskosten allein in diesen drei Themensegmenten auf 4 Milliarden Franken. Auf Grund von Hochrechnungen ist davon auszugehen, dass die Regulierungskosten in der Schweiz insgesamt über 50 Milliarden Franken betragen, was rund 10 Prozent des BIP entspricht. Diese Zahlen zeigen, dass die Problematik der Regulierungskosten  bisher massiv unterschätzt wurde.


Was fordert die Resolution denn genau?

Wir verlangen eine Reduktion der Regulierungskosten um netto 20 Prozent bzw. um 10 Milliarden Franken bis 2018. Bestehende Regelungen dürfen nicht länger durch neue ersetzt werden, ohne dass dadurch eine Netto-Reduktion der Regulierungsdichte realisiert wird. Zudem fordern wir vom Bundesrat bis Ende 2011 eine systematische Messung der gesamten Regulierungskosten:  Im Weiteren verlangen wir unter anderem die Einführung der «Sunset Legislation» auf Bundesebene: Gesetze und Verordnungen sind zeitlich zu limitieren, sie werden lalso quasi mit einem Verfalldatum versehen.


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Zurück zum sgv: Wo sehen Sie die heutigen Stärken des KMU-Dachverbands ? und wo besteht allenfalls Nachholbedarf?

Der sgv ist meiner Meinung nach mit seinen örtlichen Gewerbevereinen, den Kantonalverbänden und den Berufs- und Branchenverbänden gut strukturiert. Diese müssen sich jedoch noch vermehrt auf die gemeinsam erarbeiteten Strategien und Ziele der Dachorganisation ausrichten. Von mir aus muss der sgv seine Positionen und Forderungen noch klarer und ungeschminkter zum Ausdruck bringen, sie besser kommunizieren und ihnen zum Durchbruch verhelfen. Zudem muss er proaktiver werden und sich frühzeitig und noch vehementer gegen Entwicklungen wehren, welche den Interessen der KMU in unserem Lande zuwiderlaufen.


Der sgv betrachtet sich als parteipolitisch unabhängig, sie gehören der SVP an. Wie schaffen Sie den Spagat zwischen Partei und Verband?

Soweit ich zurückblicken kann, gehörten die Präsidenten des sgv immer einer politischen Partei an und waren auch Mitglieder der Bundesversammlung. Mit meiner Wahl zum neuen Präsidenten hat sich daran nichts geändert. Wichtig ist, dass sich die alle Akteure des sgv bewusst sind, dass sie ihre Arbeit im Dienste der über 300?000 KMU und im Dienste eines starken und konkurrenzfähigen Wirtschaftsstandortes Schweiz leisten.

Und wichtig ist meiner Meinung nach auch, dass in den Gremien intensiv, aber fair um Entscheide gerungen wird. Wenn jedoch eine Sache entschieden ist, muss der Entscheid von allen Akteuren akzeptiert werden. Nach aussen müssen der sgv und seine angeschlossenen Organisationen in Zukunft noch geeinter auftreten, ganz nach dem Motto «gemeinsam sind wir besser, gemeinsam sind wir stark!»


Der sgv wird immer stärker mit Themen aus der «grossen Wirtschaft» konfrontiert. Soll er sich dabei auch stärker engagieren?

Auch wenn die Schweizer Wirtschaft aus 98 Prozent KMU besteht, können wir uns den Themen, welche die grossen, international ausgerichteten und börsenkotierten Unternehmungen betrifft, nicht verschliessen ? im Gegenteil, der sgv sollte sich hier als stärkster Wirtschaftsverband noch stärker einbringen.



«Den Lippenbekenntnissen für KMU folgen viel zu selten Taten.»


KMU gelten seit Beginn der Krise als «die Guten», die «Grossen» und die Finanzindustrie als «die Bösen». Was halten Sie von solchen Klischees?

Es ist wirklich so ? und zwar nicht nur in der Krise ?, dass die KMU als Stützen der Volkswirtschaft gelten. Verbal wird das auch immer wieder zum Ausdruck gebracht. Leider folgen diesen Bekenntnissen jedoch viel zu wenig Taten. Im Gegenteil, die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft und das Gewerbe behindern oft die Innovation und Flexibilität. Und leider werden die KMU in der Öffentlichkeit viel zu wenig wahrgenommen. Dies muss sich in Zukunft ändern!


Was halten Sie persönlich von der Abzocker-Initiative?

Ich finde sie im Ansatz gut. Sie will die Aktionäre stärken und die teilweise unschönen Auswüchse etwas besser in den Griff kriegen. Von mir aus gesehen hätte gerade hier der sgv proaktiver sein und mit Thomas Minder frühzeitig nach einer politisch tragfähigen Lösung suchen müssen.


Glauben Sie an die Möglichkeit, das Boni-Unwesen ohne Gesetzesände-rung zum Verschwinden zu bringen?

Gesetzliche Regulierungen sind oft eine Reaktion auf unerwünschte Entwicklungen. In der Regel sind sie jedoch gut gemeint, treffen aber nachher die Falschen. Ich bin der festen Ansicht, dass Löhne und Saläre nicht gesetzlich geregelt, jedoch gegenüber den Aktionären offengelegt werden müssen. Und die Aktionärsversammlungen müssen mehr Einfluss nehmen können auf die Gestaltung der Entschädigungen.





Zur Person
Bruno Zuppiger ist 58-jährig, verheiratet und hat fünf Kinder. Er wohnt in Hinwil im Zürcher Oberland. Aufgewachsen ist der designierte sgv-Präsident in Oberwil bei Zug. Dort hat er auch die Schulen besucht und 1971 maturiert. Er studierte an der HSG und am Lehrerseminar Zürich und erlangte 1976 das Lehrerpatent. Nach sechsjähriger Tätigkeit als Lehrer wechselte er ins Verbands-management und wurde 1982 Sekretär und 1987 Direktor des Kantonalen Gewerbeverbandes Zürich. Seit 1995 hat Bruno Zuppiger seine eigene Firma im Bereich der Wirtschafts- und Unternehmensberatung.

Zuppiger ist ein Mann der Wirtschaft. Neben verschiedenen Verwaltungsratsmandaten in KMU ist er unter anderem Präsident von Swiss Label, der Gesellschaft zur Promotion von Schweizer Produkten und Dienstleistungen, des Schweizerischen Verbandes für Network Marketing sowie Präsident der Handelskammer Schweiz?Baltikum und der Parlamentarischen Gruppe Schweiz-China.


Seit 1976 ist Zuppiger Mitglied der SVP. Nach je acht Jahren Tätigkeit als Gemeinderat und als Kantonsrat sitzt er seit 1999 im Nationalrat. Er ist heute Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission und der Finanzkommission. Zudem ist er seit 2003 Mitglied der Finanzdelegation der eidgenössischen Räte und seit 2001 Vizepräsident der SVP-Bundeshausfraktion. Auch militärisch hat Bruno Zuppiger seinen Einsatz geleistet, am Schluss als Oberst und Kommandant eines Rettungsregiments.


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